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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 13.04.2009

Predigt zu Lukas 24:13-35, verfasst von Walter Meyer-Roscher

Für den, der keine Hoffnung hat, birgt jeder Anfang ein trostloses Ende,
folgt jedem Morgen ein dämmriger Abend, fällt alles Helle in bedrohliches Dunkel.
Auf jeder Meile das Grab einer Hoffnung:
ein Weg in die Nacht, ehe der Tag sich neigt.

Hoffnungslosigkeit ist schon eine Art von Tod mitten im Leben: Gestorben die Hoffnungen, begraben die Wünsche, verscharrt die Träume, gekreuzigt die Ideale. So weit kann das gehen, und dann sind der Blick nach vorn, die Zukunft, die Aussicht auf lohnende Wegabschnitte und gelingendes Leben verstellt.

Die beiden Männer aus der Umgebung Jesu, von denen im Osterevangelium des Lukas berichtet  wird, erfahren plötzlich am eigenen Leib, wie die Hoffnungslosigkeit alle Lebensregungen ersterben lässt. Sie sind auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus. Aber das ist keine Wanderung mit einem lohnenden Ziel. Es ist eine Flucht. Weg, nur weg von dem Kreuz vor den Toren der Stadt, an dem mit diesem Jesus auch ihre Hoffnung gekreuzigt ist! Weg von dem Ort und weg von den Menschen, weg von der eigenen Vergangenheit!

Aber wer kann schon seiner Vergangenheit entfliehen? Als Last nimmt jeder sie mit auf den Weg, und das macht diese Flucht noch trostloser. Die Hoffnungen und Wünsche, die Träume und Ideale der Vergangenheit münden in die hoffnungslose Erkenntnis von der Macht des Todes, vom Triumph der Gewalt, vom Sieg der Brutalität und von der Niederlage der Liebe. So ist das immer gewesen, so wird es auch bleiben. so funktioniert unsere Welt. Es lohnt sich nicht, dagegen anzuleben. Wer sich für die Liebe und für das Leben engagiert, wird doch scheitern, und diese Last der Resignation drückt schwer.

So denken viele, so denken wohl auch die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Sie sind auf dem Weg in eine trostlose, heillose Resignation: auf jeder Meile das Grab einer Hoffnung, ein Weg in die Nacht, ehe der Tag sich neigt. Die Augen können nur noch in die Dunkelheit starren. Sie sind, wie es in der Erzählung bildhaft ausgedrückt wird, " gehalten". Das Herz, so heißt es, wird träge und müde. Es hat keine Kraft mehr, neue Aufgaben anzupacken, findet sich mit den Niederlagen ab, gewöhnt sich an die Herrschaft von Hass, Gewalt und Unrecht, an die Macht des Todes mitten im Leben.

Diese Gewöhnung macht auch uns zu schaffen. Viele sehen da keinen Ausweg mehr und ziehen sich resigniert zurück. Auch die beiden Männer damals wissen, dass sie allein keinen zukunftsfähigen Weg finden werden.

Aber da ist plötzlich einer neben ihnen, der ihre Resignation gewissermaßen  aufbricht. Er fragt und er hört zu. Sie können über das, was ihnen so schwer auf dem Herzen liegt, was ihr Herz so träge und müde macht, reden. Das ist schon eine Erleichterung, und sie spüren das auch. Deshalb bitten sie ihn zu bleiben.

Das ist jedoch noch nicht der Umschwung. Das ist noch kein Grund, wieder zu hoffen, neuen Mut zu fassen, aus Resignation und Hoffnungslosigkeit aufzubrechen.

Den Umschwung deutet der Evangelist an, wenn er erzählt, dass der Fremde, der zunächst nur gefragt und zugehört hat, nun das Gespräch an sich zieht und von sich aus noch einmal auf das schreckliche Ende dieses Jesus von Nazareth lenkt. Seinen Tod, der die Hoffnungen dieser beiden Männer begraben und sie zur Flucht in die Resignation getrieben hat, deutet er ganz anders - hoffnungsvoll, zukunftsträchtig und lebenserneuernd. Mit der Frage "musste nicht Christus dies erleiden" lenkt er ihren Blick, der bisher gefangen war von dem Gedanken an das gewalttätige Ende und den alles zerstörenden Tod, in eine andere Richtung. "So müsst ihr es sehen", sagt der Fremde: "Was dieser Jesus als der von den Propheten  verheißene Christus  verkündet, getan und gelebt hat, das hat er auch bis zur letzten Konsequenz bewährt". Ja, im Namen und im Auftrag Gottes hat er Versöhnung und Verständigung gegen Hass und Gewalt gesetzt - bis zuletzt. Noch am Kreuz hat er Schuld vergeben und auch seine Gegner in dieses Versprechen einbezogen. "Vater, vergib ihnen", hat er gebetet und so die Kette von Gewalt und Gegengewalt, Schlagen und Zurückschlagen zerrissen - diese Kette, die uns fesselt, ohnmächtig macht und dem gewaltsamen Tod so oft das letzte Wort überlässt.

Das soll nun zu Ende sein: diese gewaltsame Herrschaft des Todes wird gebrochen. Dafür hat der von Gott Gesandte sich gewissermaßen aufgeopfert und deshalb musste er dies erleiden.

Was die beiden auf ihrer Flucht vor der Vergangenheit in die Resignation als Ende aller Lebensperspektiven meinten akzeptieren zu müssen, erklärt der Fremde ihnen nun als den Beginn eines neuen Weges und das Erwachen einer neuen Hoffnung: was Jesus verkündigt und gelebt, wofür er sich aufgeopfert hat, das geht weiter!

Die beiden erfahren das, so erzählt der Evangelist, durch eine Geste: das Brotbrechen, wie sie es in der Gemeinschaft mit Jesus als ein besonderes Zeichen der Nähe und Verbundenheit erlebt haben, als Zeichen, dass er - auch unerkannt - bei ihnen bleiben will. Als sie ihn erkennen, verschwindet er. "Begreifen" können sie ihn nicht. Aber in ihrem Herzen bleibt er lebendig, und so verändert er ihr Leben.

Sie können das nur bildhaft zum Ausdruck bringen: "Unser Herz fing an zu brennen". Ja, die Trägheit und Müdigkeit ist plötzlich vorbei und vergessen. Sie wagen es, mit neuem Mut über die dunklen Schatten von Schuld, Zerstörung und Tod zu springen und sich auf einen Weg zu begeben, der ihnen eine neue Zukunft eröffnet.

Dieser Weg führt nicht aus der Welt heraus. Er führt zurück an den Ort ihrer Enttäuschungen, wo ganz sicher auch neue Probleme, neue böse Erfahrungen, auch manche neuen Niederlagen sie erwarten werden. Aber sie brechen auf in der Hoffnung, dass gegen den Augenschein und gegen ihre Befürchtungen weitergeht, was dieser Jesus im Namen Gottes und in seinem Auftrag begonnen hat.

Am Ende der Erzählung von den beiden Jüngern, die nach Emmaus fliehen und dann doch wieder nach Jerusalem zurückgehen, sagen die anderen, mit denen sie wieder zusammentreffen: "Der Herr ist wahrhaftig auferstanden" - von da an das Osterbekenntnis der Kirche. Die beiden Rückkehrer können dieses Bekenntnis nur mit ihren eigenen Erfahrungen umschreiben: als das Wunder einer neuen Blickrichtung und einer neuen Lebensperspektive; als das Geschenk eines Herzens, das plötzlich aus der Erstarrung erwacht und zu brennen beginnt - für das, was  Jesus angefangen hat und was jetzt weitergeht, weil Gott es so will. Die beiden können allen Fragen und aller Skepsis nur entgegenhalten: "Er war bei uns, als er uns die Schrift auslegte, von der Hoffnung der Propheten sprach und für uns das Brot brach. Wir sind sicher, er bleibt bei uns. Er ist für uns lebendig, weil er uns in Bewegung gebracht hat". Diese Bewegung setzt sich bis heute  fort, bezieht uns ein - Gott sei Dank! An den vielen Wegkreuzungen in unserem Leben, an denen wir uns entscheiden müssen zwischen Gut oder Böse, Wahrheit oder Lüge, Nächstenliebe oder Egoismus, Mut oder Angst, Zuversicht oder Verzweiflung können wir uns für das Leben entscheiden und für alles, was dem Leben dient.

Wohl bleibt es dabei: für den, der keine Hoffnung hat, birgt jeder Anfang ein trostloses Ende, folgt jedem Morgen ein dämmriger Abend, fällt alles Helle in bedrohliches Dunkel. Aber seit Ostern gibt es Hoffnung und für den, der hoffen kann, birgt jedes Ende einen tröstlichen Anfang, folgt jedem Abend ein heller Morgen, fällt alle Dunkel in zeitloses Licht.
Amen.



Landessuperintendent i.R. Walter Meyer-Roscher
Hildesheim
E-Mail: meyro-hi@arcor.de

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