Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Karfreitag, 10.04.2009

Predigt zu Matthäus 27:31-56, verfasst von Erik Fonsbøl

Warum starb Jesus?

            Jesus starb u.a., weil er den Weg der Versöhnung und der Liebe wählte anstelle des Weges der Konfrontation. Er hätte einen Aufstand auslösen können gegen die Unterdrückung und Ungerechtigkeit in der Gesellschaft, die damals deutlich zu sehen war, - aber er ließ sich also gefangen nehmen, ließ sich von denen, die ihm am nächsten standen, verleugnen und verraten, er wählte, sich demütigen zu lassen, - und eine Kreuzigung, bei der man nackt an einem hölzernen Kreuz hängt, dem Hohn und Spott der Menschen ausgeliefert, vielleicht die schlimmste Demütigung, die man sich vorstellen kann.

            Warum tat Jesus das? Warum gab er allen Widerstand auf und ließ sich auf so schamlose Weise behandeln? Hatte er sich doch selbst König der Juden und Gottes eigenen Sohn und Messias usw. genannt. Wie ließ sich eine demütigende Kreuzigung zur Schande und zum Spott aller Welt mit einer königlichen Würde vereinen?

            Wir verstehen es nicht, weil wir anders denken. Wir denken an Konfrontation, wenn uns jemand beleidigt. Wir denken an Gerechtigkeit wie Osama Bin Laden, der sich mit Millionen von Moslems gekränkt fühlt wegen einiger Karikaturen des Propheten und sich jetzt die Übeltäter vornehmen will und der - wie er sagt - unsere Redefreiheit mit der Freiheit, zurückzuschlagen, vergelten will. Denn gedemütigt zu werden ist einen Schande, die Genugtuung und Rache fordert, wenn man seine Ehre bewahren will.

            Und so denken wir selbst auch. Wir lassen uns von niemandem etwas gefallen, und ein Verhalten oder Aussagen, die unsere Ehre verletzen, verlangen nach Genugtuung - jedenfalls aber nach Entschuldigung von Seiten des Übeltäters.

            Ich glaube nicht, dass Jesus eine Entschuldigung von Pontius Pilatus verlangte. Dort oben vom Kreuz hätte das auch kaum besonders überzeugend gewirkt.

            Ich weiß auch nicht, ob sein Vater eine Entschuldigung forderte - um es einmal so auszudrücken. Oder insoweit fordert. Z.B. in der Form von Schuldgefühl heute am Karfreitag. Es könnte wirklich so aussehen. In vielen Kirchen herrscht heute eine tiefe Bußstimmung - oder man setzt die Fahne auf halbmast, und in den Kirchen darf kein Blumenschmuck sein und dürfen keine Kerzen brennen. Und unsere katholischen Brüder und Schwestern gehen am heutigen Tage in den Kirchen in Bußprozessionen herum und beleben von neuem den Schmerzensweg Jesu - die Via Dolorosa - zum Kreuz mit Verdruss und großer Reue. Und in Jerusalem kann man sich ein Kreuz leihen und selbst den schwierigen Weg gehen - jedenfalls eine Zeitlang.

            Aber hier bei uns feiern wir den Gottesdienst wie immer mit Licht und Farben - mit Taufe und Abendmahl - und wir hissen die Fahne wie bei festlichen Anlässen. Wir dürfen es nicht, aber wir tun es dennoch - und zwar weil ich glaube, dass man die Botschaft von Karfreitag missversteht, wenn man ihn als den Tag der großen Entschuldigung auffasst. Enschuldige, Jesus - entschuldige, Gott - das hätten wir nicht tun sollen!

            Ich glaube nicht, dass Gott mit dem Karfreitag die Menschheit in eine Form von Schuld und Reue und Buße versetzen wollte. Es mag wohl sein, dass die Kirche es so wollte, aber vielleicht sind sie nicht immer einer Meinung - Gott und seine Kirche auf Erden.

            Ich glaube, dass Gott mit Karfreitag die Liebe als die einzige wirkliche Grundlage für unser Leben und unsere Gemeinschaft hier und jetzt hat legitimieren wollen. Und mit Liebe meine ich die Liebe, die in ihrer ultimativen Konsequenz Leben und Ehre kostet.

            Und für den, der sehen kann, was die Liebe vermag, ist Karfreitag nicht so sehr ein Tag der Trauer - obgleich es immer bedrückend ist, die unbegreifliche Bosheit von Menschen gegeneinander wieder zu erleben - aber es geschieht ja leider tagtäglich, und Jesus war nicht der Einzige, der von den Römern gekreuzigt wurde - sondern Karfreitag ist in erster Linie ein Präludium für die Auferstehung und das neue Leben am Ostertag.

            Ja, denn Liebe bedeutet doch, dass alle deine Forderungen nach Genugtuung und Entschuldigungen und Gerechtigkeit und all deine Angst, ausgenutzt und in den Schmutz gezogen und gedemütigt zu werden, - verdampfen, weil da etwas ist, was wichtiger ist als deine Ehre - ja, als dein Leben - weil da etwas ist, was wichtiger ist, als dass der Gerechtigkeit Genüge geschieht - und das ist dein Mitmensch, deine mitmenschliche Gemeinschaft.

            Die einzige "Erhöhung", die Jesus erhielt, war die, dass er auf ein Kreuz erhöht wurde, worüber Johannes mit jubelnder Freude philosophiert, weil die Zeit der Ehre und der Gerechtigkeit und der Rache mit Jesu Tod am Kreuz - unwiderruflich vorbei war. Von jetzt handelt das Menschenleben - jedenfalls das christliche Menschenleben - nicht darum, zu bekommen, sondern zu geben - zu lieben, denn nur darin besteht das Leben.

            Und damit öffnet Karfreitag ein Tor zu einer ganz neuen Dimension unseres gemeinsamen Lebens - zur Dimension der Liebe, wie Paulus es so schön in Hohenlied der Liebe beschreibt - den neuen Weg, wie er die Liebe nennt. Es ist o.k. mit allem, was ihr könnt, jeder nach seinen Fähigkeiten, aber jetzt sollt ihr von einem anderen Weg hören. Und dann kommt die Liebe - nicht als ein luftiges Gefühl, das Verliebte göttlich nennen, sondern als ein Weg, den zu gehen wir wählen können, ganz konkret i den Situationen, in denen wir täglich zusammen stehen.

            Meiner Ansicht nach können wir den Weg der Gerechtigkeit mit allem, was dazugehört, wählen - es ist der Weg, den Osama Bin Laden geht und mit ihm die meisten von uns, wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen und diese enorme Lust bekommen, heimzuzahlen oder gar zurückzuschlagen, wenn wir den Mut dazu haben! Oder aber wir können enorm verärgert sein und nach Genugtuung und Entschuldigung verlangen. Wenn unsere Beleidigung und Verärgerung kein Ende nehmen will.

            Der Weg der Gerechtigkeit ist der breite Weg, den weitaus die Meisten gehen, weil wir uns von unseren Gefühlen oder von unseren Führern regieren lassen - und der Weg führt dem Evangelium zufolge zu nichts, denn in Wirklichkeit nützt es keinem Menschen, Recht zu bekommen - und es nützt auch keiner Gemeinschaft. Die Freude über den Sieg ist immer von kurzer Dauer.

            Der Weg der Liebe aber führt zu Auferstehung und wirklicher - ja, vollkommener Freude, zur Freude der Hingabe, die daher kommt, dass du nicht einfach nur auf dein Recht gepocht hast und den Sieg davongetragen hast, sondern allein Sorge für die Gemeinschaft und für alle Menschen getragen hast, die in unserer Gemeinschaft sind. Denn eine wahre Gemeinschaft von Menschen ist nur wahr, wenn darin Platz für alle ist. Die Liebe ist nur Liebe, wenn sie grenzenlos ist. Jedermann kann eine Gemeinschaft für der Auserwählten, die Reinen, die Richtigen schaffen.

            Und dies war genau der Weg, den Jesus am Karfreitag ging, und wir wissen bereits, was am Sonntag mit seiner Auferstehung geschehen wird, die nicht das große Wunder ist, das nicht geschehen kann, sondern die die Konsequenz der Liebe ist. Neues Leben - mehr Leben für alle. Neues Leben in der Gemeinschaft, in der ein Mensch um der Gemeinschaft willen sozusagen auf sich selbst und sein sonnenklares Recht verzichtete. Und Jesus begrüßt denn auch die sprachlosen Frauen mit einem wunderbaren "Guten Morgen" anstelle der erwarteten gerechten Rache an all denen, die ihm Schaden zugefügt hatten.      

            Davon werden wir Sonntag und Montag mehr hören, aber es ist Karfreitag, der das große weltbewegende Ereignis markiert, nicht der Ostersonntag. Denn Karfreitag ist der Tag, an dem der sonst so gerechte und allmächtige Gott selbst den Weg der Liebe wählte und den Weg der Gerechtigkeit oder des Zorns und der Verärgerung aufgab. Es ist der Tag, an dem Gott uns sein wahres Angesicht zeigt - und dann muss der Ostersonntag als eine ganz natürliche Konsequenz nachfolgen. Denn die Liebe macht alles Tote lebendig.

            Man möchte wünschen, dass die Führer der Welt und unsere eigenen Politiker etwas öfter in die Kirche gingen und ein Gefühl dafür bekämen, wie sinnlos und wie lebensgefährlich  der Weg der Gerechtigkeit für uns alle ist, jedesmal wenn sie z.B. Soldaten ausschicken, um für Freiheit und Recht zu kämpfen - für Gott und Propheten, König und Vaterland. Ist dies nicht auch ein bisschen trivial angesichts des wahren Weges - des schmalen Weges der Liebe, der oft der Weg des Kreuzes und der Niederlage sein kann, der aber zu Auferstehung, Leben und Freude für alle führt, während der Weg der Gerechtigkeit zum Sieg führt, wenn man Glück hat, zu Ruhm und Ehre, aber auch zum gewissen Tod. -

            Im Wetterbericht hat man uns Schneesturm und Kälte versprochen, aber siehe da, jetzt scheint die Sonne trotzdem - die Vögel singen, der Frühling kommt. Wir haben eine Taufe gefeiert, und der Weg der Liebe ist verkündet worden. Jetzt brauchen wir die Fahne nicht mehr auf halbmast zu setzen und wegen unserer Sünden zu trauern, jetzt sollen wir leben, leben, solange wir es können! Mit Freimütigkeit und großer Freude.

            Und bald werden wir den besten Reiseproviant mitbekommen, wenn wir gemeinsam hinausgehen und auf dem kostbaren und schwierigen Weg der Liebe wandern.

Amen



Propst Erik Fonsbøl
Nørre Åby (Dänemark)
E-Mail: ebf(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


(zurück zum Seitenanfang)