Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Osternacht und Ostersonntag, 12.04.2009

Predigt zu Markus 16:1-8, verfasst von Rolf Koppe

Liebe Gemeinde!

Ostern ist das Gegenteil von schlechten Nachrichten. Die Geschichte von Jesu Auferstehung ist dafür ein Zeugnis. Drei Frauen - Maria von Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome - wollen dem toten Jesus einen letzten Liebesdienst erweisen. Sie möchten ihrem Meister und Vorbild die letzte Ehre erweisen und, wie es damals Sitte war, seinen Leichnam mit wohlriechenden Ölen salben. Am ersten Tag der Woche, nach dem Ende des Sabbats, sehr früh am Morgen beim Aufgang der Sonne gingen sie los. Das Grab war in den Felsen gehauen und mit einem Stein verschlossen. Und die ängstliche Frage: "Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?" ist mehr als verständlich. Auf alten Friedhöfen findet man Monumente, die diese Szene nachempfinden. Sowohl die Hinterbliebenen als auch die Besucher kannten die Fortsetzung der biblischen Geschichte:" Die Frauen wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war". Das ist die erste gute Nachricht an diesem ersten Sonntagmorgen in Jerusalem.

Um das Jahr 1700 reimte Lorenz Lorenzen, Musikdirektor am Dom zu Bremen: „Geh mit Maria Magdalen und Salome zum Grabe, die früh dahin aus Liebe gehen, mit ihrer Salbungsgabe, so wirst du sehn, dass Jesu Christ vom Tode heut auferstanden ist und nicht im Grab zu finden" (EG 114,5). Der Jüngling, den die Frauen zu ihrer grenzenlosen Überraschung sehen, sagt:" Entsetzt euch nicht. Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten". Der zeitgenössische Liederdichter Jürgen Henkys hat 1983 nach einem englischen und holländischem Vorbild das Osterlied gedichtet: "Du schöner Ostertag! Ihr Menschen kommt ins Helle. Christ, der begraben lag, brach heut aus seiner Zelle. Wär vorm Gefängnis noch der schwere Stein vorhanden, so glaubten wir umsonst. Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden!"(EG 117,1). Das ist die zweite gute Nachricht an diesem ersten Sonntagmorgen in Jerusalem: das Grab ist leer.

Und die dritte gute Nachricht heißt: der Auferstandene geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Gehet hin und sagt das seinen Jüngern und Petrus. Aber die Nachfolgerinnen Jesu, die sich so mutig dem Grab genähert hatten und dann entsetzt darüber waren, was sie in der Grabeshöhle hörten und sahen, „gingen hinaus und flohen von dem Grab, denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich".

Die Geschichte ist trotzdem weitergegangen - in Galiläa, wo Jesus besonders oft geheilt hatte: in Kapernaum einen Besessenen und Gichtbrüchigen, anderswo Aussätzige oder Gelähmte. Sie standen auf, richteten sich auf oder wurden wie der Jüngling zu Nain auferweckt. Jesus, der durch sein Wort und seine Vollmacht Menschen zum Leben verhalf,  bleibt nach seinem Tod am Kreuz  nicht im Grab, sondern lebt und wirkt weiter. Das griechische Wort „echirein" durchzieht die ganze Heilsgeschichte. Dieselbe göttliche Kraft ist im heilenden Handeln und in der Tiefe des Todes am Werk: in den Not- und Grenzsituationen derer, die sich an Jesus wenden, genauso wie im Sterben und Auferstehen Jesu selbst. „Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin, die Sonn ist aufgegangen. Ermuntre deinen Geist und Sinn, den Heiland zu umfangen, der heute durch des Todes Tür gebrochen aus dem Grab herfür der ganzen Welt zur Wonne"(EG 114,1). Das ist die vierte gute Nachricht: Gott hört mit dem Tod Jesu nicht auf zu handeln.

Der schon genannte Lorenz Lorenzen besingt nicht nur das heimatliche Bremen, sondern den ganzen Erdkreis. Ostern ist der Urknall der globalen guten Botschaft. Sie breitet sich in alle Richtungen und alle Zeiten aus: von Galiläa und Kleinasien nach Europa und von dort nach Amerika und  Afrika. In Westeuropa findet sie heutzutage weniger Gehör, dafür in China oder in Nigeria um so mehr, nach wie vor auch in den USA und im wieder erstarkten Russland. Der Glaube an die Auferstehung Jesu von den Toten ist nicht bei sich selbst geblieben, nicht im Kreis der Jüngerinnen und Jünger und nicht tief eingeschlossen im Herzen des Einzelnen. Vielmehr drängt er auf Mitteilung und Mitgestaltung von Kirche und Welt sowie auf den Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen.

Am Schluß des Evangeliums nach Markus, der von der neutestamentlichen Forschung als später angefügt angesehen wird, sitzt der Auferstandene mit den elf Jüngern am Tisch und sagt:" Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden". Und weiter heißt es dort: "Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes. Sie aber zogen aus und predigten an allen Orten". Zur Sache des Glaubens gehören Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten und das Weltgericht von Anfang an eng zusammen, auch wenn die Schwerpunkte in den Evangelien oder in den Briefen des Neuen Testaments sehr unterschiedlich gesetzt werden.

So hängt von der Geschichte vom leeren Grab nach der Darstellung des Göttinger Systematikers Joachim Ringleben alles ab, nämlich dass die  Vollendung der Welt am Ende der Zeit an diesem Einen bereits wirklich geworden ist, die sonst als allgemeine Totenauferstehung erwartet wurde. Ein innergeschichtliches Ereignis ist zugleich das letzte. Am Ostermorgen wird der Gekreuzigte verkündigt - im Lichte seiner Auferstehung. Aus Jesus  dem Verkündiger wird Jesus der Verkündigte. Jesu Auferstehung zu Ostern ist das Erscheinen seiner göttlichen Wahrheit an ihm und für die Jünger. Sein neues Leben bringt in den Ostererscheinungen den realen Vorschein „des neuen Himmels und der neuen Erde" mit sich, wo Gott „alles in allem" sein wird.

Die Bedeutung von Ostern erschließt sich durch menschliches Vertrauen, nicht durch einen historischen oder naturwissenschaftlichen Beweis. Für mich ist die Auferweckung Christi das Treueereignis Gottes. Weil Jesus als Mensch in diese Welt gekommen ist, setze ich meine Hoffnung auf die Zukunft Gottes und die neue Erde, auf der Gerechtigkeit herrscht. Jürgen Moltmann sagt: „Der Glaubende stellt in seinem Gottvertrauen die Grenzen seiner persönlichen Wirklichkeit in die unbegrenzte Möglichkeitsfülle Gottes...Die Menschen aber bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück. Am besten ist (so sagt er lachend) ein Tritt in den Hintern" ( Chrismon, S. 27) Wenn der amerikanische Präsident Barack Obama  - auch auf Grund seines evangelischen, nicht evangelikalen  Glaubens, wie ich meine -  anstrebt, durch seine Politik eine bessere Welt ohne Nuklearwaffen zu schaffen, so warnt zwar der eine oder andere Journalist davor, ihn im Überschwang der Gefühle als neuen Messias anzusehen, aber die meisten Menschen sind erst einmal bereit, ihm zu vertrauen, weil er auf eine natürliche und unkonventionelle Art kommuniziert und Hoffnung verbreitet.  Bei der Banken- und Wirtschaftskrise wird immer hervorgehoben, dass das Vertrauen das größte Kapital ist. Um so mehr gilt das für unseren Glauben.

Helmut Gollwitzer hat viele Jahre vor dem Ende des Kalten Krieges ein Gedicht verfasst, das eine Antwort auf die Sünde der Resignation ist:

                                  Das Licht ist nicht tot. 
                                  Gott ist nicht tot.
                                  Die Hoffnung
                                  ist nicht unbegründet.
                                  Jesus nicht ein leerer,
                                  toter, vergangener Name,
                                  nicht nur der Gekommene,
                                  sondern der Kommende,
                                  das Licht der Welt,
                                  die im Dunkeln liegt,
                                  das Licht auf dem Wege,
                                  das Licht der Heimat,
                                  auf die wir zugehen.

Gesegnete Ostern!

Herangezogene Literatur

Joachim Ringleben, Jesus - ein Versuch zu begreifen, Tübingen 2008
( besonders „Die Botschaft des leeren Grabes", S. 632 ff)

Joseph Ratzinger Benedikt XVI., Jesus von Nazareth, Freiburg 2006   (wenig ergiebig, da im Teil 1 des Buches „Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung" auf das leere Grab nicht eingegangen wird)

Hans Grass, Ostergeschehen und Osterberichte, 3.A. Göttingen 1964
(besonders S. 15 ff)
 
Karl-Heinz Ronecker/Wolfgang Brinkel (Hg.), Wer wälzt uns den Stein? Erzählungen, Gedichte und Meditationen zu Ostern ( darin auf S. 61 das Gedicht „Gott ist nicht tot" von Helmut Gollwitzer), München 1992

Susanne Wendorf-von Blumröder, In Galiläa wird die Geschichte weiter gehen, Predigthilfe zum Ostersonntag in: Deutsches Pfarrerblatt Heft 3 - März 2009, S. 148 f.

Chrismon - Das evangelische Magazin 04.2009, S. 24 ff Interview mit Jürgen Moltmann

Göttinger Tageblatt vom 4. April 2009, S. 11 Bericht über Gerd Lüdemann „Der gottlose Theologe und seine Wissenschaft" von Lukas Breitenbach

Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1985
Evangelisches Gesangbuch, Hannover 1994

EKD-Auslandsbischof em. Dr. h.c. Rolf Koppe
Göttingen
E-Mail: koppe.hartmann@gmx.de

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