Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Osternacht und Ostersonntag, 12.04.2009

Predigt zu Markus 16:1-8, verfasst von Martina Janßen

I

(Sprecher/Sprecherin 1)

Liebe Gemeinde!

Ostern ist der Aufstand des Lebens gegen den Tod (EG, Tagesgebet 3). Wir dürfen auferstehen aus unserer Furcht. Mit sehenden Augen und offenen Armen. Jeden Tag und jede Nacht. Mit Haut und Haaren. Wir sind im Licht. Das Lied des Lebens auf den Lippen und die Gewissheit im Herzen:  „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja, Halleluja!" (EG 118)

II

(Sprecher/Sprecherin 2)

Lesung des Predigttextes Mk 16,1-8

III

Maria (Sprecherin 3):

Ich halte das nicht aus. Ich verstehe mich selber nicht. Wir konnten es doch kaum erwarten, zu seinem Grab zu gehen. Die ganze Nacht lag ich wach und habe darauf gewartet. Ganz früh, als die Sonne aufging, sind wir dann hin, die anderen Frauen und ich. Voller Wehgeschrei und Klagen. Ich musste rufen und schreien, - um nicht hören zu müssen, wie mein Herz zerbricht, ganz leise, tief in mir drin. Als die Sonne aufging, sind wir zu ihm. Die Männer wollten nicht, sie wollen nie: Immer verschließen sie die Augen, wollen ihre eigenen Tränen nicht sehen; verschließen Mund und Ohren, wollen ihre Trauer nicht hören. Aber wir Frauen sind hin. Ihn zu salben mit unseren Tränen, ihn zu küssen mit unserem Seufzen, bei ihm zu sein, nur ihm nahe sein... Wir waren so entschlossen. Und so voller Sorge: Dieser Stein - er stand uns doch im Weg. Wie sollten wir den wegkriegen - mit unserer kleinen Kraft? Ganz allein. Was haben wir uns Sorgen gemacht auf dem ganzen Weg dahin: Wie machen wir das? Und alle wussten wir: Diese Sorgen, dieses Überlegen - all das war vorgeschoben. Ich sah es in den Augen der anderen. Wir alle sahen es uns an. Da war allein diese eine Frage, die unsere Herzen quälte, die in unseren Augen stand und die unsere Lippen nicht zu formen wagten: Wie halten wir das aus? Ihn zu sehen, unsere Hoffnung, begraben.

Ganz früh sind wir hin. Und dann: Dieses Licht, dieser Engel und - diese Worte: „Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier!"  Entsetzen! Ein bisschen fühlte ich mich um meine Trauer betrogen. Ich verstehe mich selber nicht. Das war es doch, worauf ich all meine Hoffnung setzte! Dass er lebt! Und doch - da ist nur noch Furcht. Dieses Licht, dieser Engel - und diese Worte! Und in meinen Kopf die Stimmen derer, die sagen: Jesus betrügt dich! Ich will nicht um meine Hoffnung betrogen werden, nicht um meine Trauer. Ich halte das nicht aus! Und doch: Er lebt! Ich weiß, dass es wahr ist. Es ist so schön, dass es weh tut. Da hinten sitzt Petrus. Ich muss es ihm sagen. Und doch: Kann das nicht glauben, obwohl ich weiß: Es ist wahr. Er lebt! Wann kommt die Freude, wann geht die Furcht? Nicht dieser Stein steht mir im Weg - ich bin es selbst. Gefangen bin ich in dieser Furcht, bin wie gelähmt, kann mich nicht rühren. Und doch: Ach, wie unruhig ist mein Herz.  Ich halte das nicht aus, es nicht auszuhalten. Ich will doch reden... singen... leben ...

EG 118

IV

Petrus (Sprecher 4)

Ich halte das nicht aus. Ich kann da nicht hingehen. Ich will ihn nicht sehen - nicht tot. Um all meine Hoffnungen bin ich betrogen worden. Ich wollte einen König und keinen Toten. Sollen die Frauen doch gehen, ihn zu beweinen. Ich, Petrus, ich halte das nicht aus. Er kann doch nicht tot sein. Was tut er mir an? Er zwingt mich, ihn zu betrügen, ihn zu verraten, ihn zu verlassen. Warum kann ich das nicht, seine tote Hand halten? Diese Hand, die mich im Leben gesegnet hat Tag um Tag? Meine Hände greifen ins Leere. Hat er mir etwa die Augen geöffnet, dass ich ihn nun tot sehen muss? Hat er mich etwa Worte des Lebens gelehrt, dass ich nun Lieder der Trauer singen muss?  Es ist nicht wahr! Ich halte das nicht aus. Nicht den Gestank des Todes, wo er doch unsere Herzen mit dem Duft der Verheißung füllte.  Ich will ihn nicht sehen - nicht tot. Ich weiß, er lebt. Ich protestiere gegen seinen Tod. Mit Haut und Haaren.

Da, die Frauen sind zurück. Weinend und klagend sind sie heute Morgen los, schweigend sind sie zurück gekommen. Seltsam. Da war nur Furcht, stilles Entsetzen. Ist es so schlimm, die Hoffnung begraben zu sehen? Sind alle Tränen vergossen, alle Wehlaute geklagt? Aber Marias Augen - sie waren nicht leer. Da war Unruhe, ja Furcht: Hilf mir, Petrus! - scheinen sie zu sagen. Das sagt sie sonst nie. Vielleicht ist etwas passiert. Sie schweigt doch sonst nie. Sie sitzt da wie gelähmt. Ich halte das nicht aus, diese Furcht in ihren Augen. Da vorne sitzt sie. Ist ihr nicht kalt? Es ist dunkel; die Wolken haben sich vor die Sonne geschoben. Selbst die Sonne hat keine Kraft mehr. Da vorne sitzt Maria. Sie muss doch frieren. Ich kann da nicht hingehen. Ich kann sie nicht fragen. Dann müsste ich reden. Was soll ich ihr sagen? Ich habe keine Worte. Nur eine Gewissheit ist eingebrannt in mein Herz. Es ist wahr: Er lebt! Nur eine Frage zerreißt mir das Herz: Es ist doch wahr, oder? Er lebt doch? Da vorne sitzt Maria. Ich halte das nicht aus. Von ihr zu hören: Er ist tot. Und doch - Ich halte es nicht aus, das nicht auszuhalten. Ich muss aufstehen und zu ihr gehen. Ich weiß, er lebt!

EG 118

V

(Sprecher/Sprecherin 2)

Petrus steht auf und geht Maria entgegen. Wie von unsichtbaren Kraft gezogen hebt Maria den Kopf, den sie gerade noch in ihren Händen verborgen hielt. Die Wolkedecke bricht auf.  Ein heller Streifen aus Licht gleitet in ihr Herz und nimmt die Schwere von ihr, die eben noch ihren Blick niederdrückte. Maria steht auf. Langsam, doch voller Kraft geht sie Petrus entgegen. Ihre Blicke treffen sich. „Maria, es ist doch wahr, oder? Er lebt doch?" - Ihre Augen antworten, bevor ihr Mund sich öffnet und ihr Herz ihm entgegenjubelt: „Ja, es ist wahr! Er lebt!"

EG 118

VI

(Sprecher/Sprecherin 1)

Liebe Gemeinde!

Ostern ist der Aufstand des Lebens gegen den Tod. Wir dürfen auferstehen aus unserer Furcht. Mit sehenden Augen und offenen Armen. Jeden Tag und jede Nacht. Mit Haut und Haaren. Wir sind im Licht. Das Lied des Lebens auf den Lippen und die Gewissheit im Herzen:  „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja, Halleluja!" (EG 118)

Amen



Dr. Martina Janßen
Jork-Estebrügge
E-Mail: mjansse@gwdg.de

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