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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 13.04.2009

Predigt zu Lukas 24:13-35, verfasst von Erik Fonsbøl

Auferstehung handelt nicht zuletzt davon, gesehen zu werden. Wenn die Evangelien von dieser viel diskutierten Auferstehung sprechen, geschieht das fast immer im Zusammenhang mit einer Erscheinung. Er wurde von dem und dem gesehen, schreiben sie. Und dieses Erlebnis einer Erscheinung kann zu einem Verstehen erweitert sein. Jetzt haben sie plötzlich verstanden, was sie vorher nicht begriffen haben - und vielleicht ist gerade dies die Pointe in den Berichten über die Auferstehung.

             Gestern hörten wir aus dem Markusevangelium den merkwürdig unabgeschlossenen Auferstehungsbericht mit der Aufforderung, nach Galiläa zu gehen, denn dort werdet ihr ihn sehen, wie er gesagt hat. Und wir wagten die Behauptung, dass Markus' Aufforderung darauf hinauslief, sein Evangelium noch einmal zu lesen - und diesmal im Licht des leeren Grabes - im Licht der Auferstehung Jesu. Jetzt habt ihr die Geschichte über Jesus von Nazareth gehört. Hört sie jetzt noch einmal mit diesem neuen Wissen, das euch die Auferstehung gibt. Und das Markusevangelium beginnt ja eben in Galiläa.

            Man könnte auch sagen: Hört nun das Evangelium in der Gemeinschaft der Gemeinde - der Gottesdienstgemeinschaft, die ja gerade die Gemeinschaft um das leere Grab ist. Und dann ist der Schluss des Markusevangeliums eine Aufforderung, Kirche zu sein, und dann werdet ihr in der Gemeinschaft der Gemeinde den auferstandenen Erlöser sehen. Seht ihn und versteht ihn auch!

            Heute hören wir nun den entsprechenden Bericht in der Formulierung des Lukas. Wieder erleben wir die verblendeten Jünger, die wir vom Markusevangelium her so gut kennen. Sie verstehen nichts von dem, was sie erleben. So schwerfällig und verständnislos, wie sie sind. Da muss er wohl selbst die Initiative ergreifen, denkt Lukas. Und was der auferstandene Jesus auf dieser Wanderung nach Emmaus tut, ist dies, dass er die Bedeutung der Kreuzigung und des Todes Jesu erklärt. Er verweist auf die Schrift - er öffnet sie für die beiden Jünger, so dass sie die Bedeutung dieser sich selbst hingebenden und sich selbst opfernden Tat zu sehen vermögen als Ausdruck der Liebe, die das Leben eines jeden Menschen trägt. Es ist diese Umwälzung der gesamten Menschen- und Gesellschaftsauffassung, die Jesus in Gang setzt mit seiner Predigt über das Reich Gottes, wo es nie um Macht und Ehre geht, sondern darum, alles wegzugeben. Der Gedanke - oder das Vorbild - ist Jesus selbst, der sich auf den Königsthron des Himmels hätte setzen können als allmächtiger Herrscher über Himmel und Erde. Aber er wählte die Erniedrigung, die Demütigung und Selbsthingabe - er kam nicht, um zu herrschen oder zu richten, sondern um unterdrückte und bange Menschen in die Freiheit zu heben - in die Freiheit davon, etwas sein zu müssen - in die Freiheit zu sein, mit allem, was du bist, sozusagen. So wie er liebte, schreibt Johannes, so sollt auch ihr lieben. Und koste es, was es wolle! Denn im Reich der Liebe - im Reich Gottes hat der Tod keine Bedeutung. Denk dir, dass das Leben das Leben kostet, wie Jørgen Gustava Brandt in seinem Lobgesang darauf jubelte, dass du das Leben gebrauchst, das du hast - dass du es aufbrauchst mit Freimütigkeit und Freude am Leben.

            Nun erzählt Lukas, dass Jesus sicher gut predigt, aber offensichtlich nicht gut genug - denn die Jünger sehen weiterhin gar nichts - verstehen nichts. Ja, es war doch eine ausgezeichnete Predigt, die der Fremde da gehalten hat, aber Predigt reicht nicht aus. Ja, das ist wohl die Pointe des Lukas in seiner Erzählung. Die beiden Jünger nötigen ihn deshalb, mit hineinzugehen und mit ihnen zu Abend zu essen - und so geschieht es. Als Jesus wieder das Brot bricht und austeilt, wie er es tat, als er die 5.000 in der Einöde sättigte und als er das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern hielt, da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn wieder - endlich! Und dann ist er weg - natürlich, denn seine Aufgabe ist ausgeführt.

            Könnt ihr sehen, dass das, was Markus gestern schrieb und vor allem das, was Lukas heute schreibt - dass das der Gottesdienst mit seiner Predigt und seinem Abendmahl ist? Es ist die Stiftung unseres Gottesdienstes durch den auferstandenen Erlöser, so wie wir ihn seitdem gehalten haben - Sonntag für Sonntag. Und es mag wohl sein, dass du in diesem Augenblick nicht allzu viel begreifst, aber geh zum Gottesdienst - hör das Evangelium immer wieder - und wenn das auch nicht hilft, dann geh in Gemeinschaft zum Abendmahl, denn da ist er selbst gegenwärtig mit dem ganzen Reichtum seiner Liebe, wie wir sagen. Da werdet ihr ihn selbst sehen.

            Der Gottesdienst ist also unser Galiläa, und er ist unser Emmaus - er ist da, wo Jesus sich selbst zu erkennen gibt.

 

Und das ist wohl der Grund, warum wir es tun - warum wir pausenlos diese merkwüdig unzeitgemäßen Gottesdienste halten, für die die meisten Menschen keine Zeit haben oder an denen sie keine besondere Freude - oder auch nur Relevanz für ihr Leben haben. Aber sie wissen ja gar nicht, was hier auf dem Spiele steht. Und genau dies wollen uns Markus und Lukas mit ihren Auferstehungsberichten begreiflich machen. Wir gehen in die Kirche, um Christus zu begegnen. Wir gehen in die Kirche, um Gott zu sehen!

            Und man darf nun die jämmerliche Gestalt Gottes dort am Kreuz nicht missverstehen, denn genau dies kennzeichnet unseren Gott im Unterschied zu allen machtvollen Göttern und Königen und Kaisern von Gottes Gnaden in der Welt.

            Der Erlöser lag in der dunklen Erde - sitzt auf dem Thron der Ehre. So erklärt Grundtvig, dass die Selbsthingabe in den Tod das Höchste ist, was ein Mensch erlangen kann - und nicht etwa das Geringste, wie die Welt glaubt. Dass die Größe und die Wahrheit in der Liebe verborgen ist, die das Leben kostet. Und wenn du endlich dieses Geheimnis des Lebens begreifst - ja, dann reden wir von Auferstehung.

            Wie Petrus es in seinem Brief so charakteristisch formuliert hat: Jetzt verstehe ich, dass Gott keinen Unterschied macht ... Denn Auferstehung handelt vom Sehen und Verstehen.

            Auf diese Weise zeichnen die Auferstehungsberichte der Evangelisten, die ihre Erzählungen abschließen, unsere Bahn. Sie setzen unseren Gottesdienst in Szene. Wo ihre Erzählungen enden, da beginnt die Gemeinde - in erster Linie mit dem Gottesdienst der Gemeinde um das Zusammensein mit Christus selbst - oder wie Grundtvig singt - "Geist und Leben sind für uns sein Weort - die Freude unser Liederklang". Hier begegnen wir in der Gemeinschaft einer neuen Menschenauffassung - einem neuen Weltbild und einer ganz neuen Auffassung des Daseins. Hier errichten wir im Kleinen das Reich Gottes. Wir singen wie Engel - wir sind in Gemeinschaft mit Gott und wir sind wirklich in Gemeinschaft miteinander. Hier ist alles mit brennenden Lichtern und blühenden Blumen geschmückt. Hier ist alles gut. Und jetzt ist hier gut sein auf dieser rauen Erde. Hier ist kein Unterschied zwischen den Menschen - hier haben alle die gleiche Würde. Hier führen Liebe und Dienst füreinander das große Wort. Hier genießen wir es, in all unserer menschlichen Verschiedenheit zusammen zu sein.

            Aber selbstverständlich sollen wir hier nicht bleiben. Wir müssen bald wieder nach Hause, und wir müssen bald wieder hinaus in die arme Welt, die sich seit den Tagen der Evangelisten nicht sonderlich verändert hat. Die ungerechte Welt der Macht, in der verlogene und betrügerische Priesterschaften die politischen Machthaber unterstützen, so dass sie mit gutem Gewissen Menschen unterdrücken, peinigen und plagen - ja, ausrotten, so gut sie können, weil sie abergläubisch oder Feinde der Wahrheit sind. Wo die schlimmste Unmenschlichkeit erlaubt zu sein scheint, wenn es nur in Gottes Namen geschieht. In diese verzweifelte Welt werden wir von hier hinausgeschickt.

            Wir können nicht in unserem kleinen Galiläa oder in unserem kleinen Emmaus bleiben - wir müssen wie die beiden Jünger wieder zurück in unser armes Jerusalem - und dort müssen wir weitererzählen, was wir hier gesehen und gehört haben - dort müssen wir das erzählen, wofür unser Herz brennt - ja, das ausleben, wofür wir brennen.

            Unser gekreuzigter Herr brannte wie nur wenige für Gerechtigkeit, Gleichheit und Wahrheit, und er wagte es, das auszuleben, wofür er brannte - koste es, was es wolle. Und jetzt erzählen die Evangelisten uns, dass er wohl sozusagen aufbrannte - dass seine brennende Liebe ihn das Leben kostete - dass er aber lebt, und wir ihn selbst gesehen haben.

            Und das verstehe ich im Innersten - und ich weiß, dass er lebt, solange das Brot hier in der Kirche oder wo immer gebrochen wird - zu seinem Gedächtnis - solange das Wort von ihm ergeht - und dann wird er auch unter uns lebendig gegenwärtig sein mit dem Reichtum seiner Liebe. Und daran ist nichts Mystisches oder Mirakulöses.

            Das Wunder geschieht in dem Augenblick, wo seine lebendige Gegenwart - sein lebendiger Geist - sich mit unserem Geist vereint, so dass wir wie er werden: der Liebe - der Selbsthingabe - ja, des Lebens froher Sendbote, der von den Dächern zu rufen wagt, was wir beim Abendmahl im Flüsterton gehört haben - der den offenen Widerspruch wagt, wenn es darauf ankommt - der im Namen des Lebens zu handeln wagt - koste es, was es wolle.

            Das ist das eigentliche - das wirkliche Wunder - wenn Christus sozusagen durch uns handelt, so dass wir - seine Gemeinde - Licht und Salz in einer finsteren und gepeinigten Welt werden.

            Brannten nicht unsere Herzen in uns, als er mit uns redete auf dem Wege? Oder als er das Brot mit uns brach? Kommt, wir wollen von hier zurück nach Jerusalem ziehen. Wir haben viell zu tun. Amen.



Propst Erik Fonsbøl
Nørre Åby (Dänemark)
E-Mail: ebf(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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