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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Jubilate, 03.05.2009

Predigt zu Johannes 15:1-8, verfasst von Andreas Pawlas

Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu Euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch Ihr nicht, wenn Ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, Ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.

Liebe Gemeinde!

Eigentlich müssten wir uns hier in Norddeutschland benachteiligt fühlen. Denn hier in unseren Dörfern steht nicht wie in den wärmeren Orten unserer Erde an jeder Straßenecke ein Weinstock, der uns doch automatisch immer wieder dieses schöne Gleichnis Jesu bildhaft vor Augen stellt. Allerdings, dass es hier nicht so ist, könnte es auch ein gewisser Vorteil sein. Denn so besteht nicht die Gefahr, dass uns dieses Wort Jesu zu alltäglich klingt. Denn das Bild von Christus als dem Weinstock ist doch in unseren Breiten trotz aller Natürlichkeit zugleich immer etwas Besonderes. Ja, es ist gut so, dass das Göttliche, so sehr es geheimnisvoll Grundlage und Ursache unseres Lebens ist, dennoch nie im Alltäglichen aufgeht.

Allerdings mag sich jetzt gegen dieses Bild von Christus als dem Weinstock und uns als den Reben gerade bei Euch Jugendlichen unter uns Widerstand regen. Denn was bekommt man als junger Mensch immer wieder gesagt? Immer wieder ermahnen einen die Älteren: „Ihr müsst endlich selbständig werden! Ihr müsst Schritt für Schritt mündig werden! Ihr müsst endlich Verantwortung übernehmen!" Was aber dann vom Herrn der Kirche kommt, ist dann ein solches Bibelwort! Denn, bitte, wo ist da auch nur irgendetwas zu hören von Mündigkeit oder vom Erwachsenwerden oder vom Verantwortung übernehmen? Nur ein kleines Zweiglein soll man sein an dem großen Weinstock. Und das, das ist doch absolute Abhängigkeit! Wer will das schon? Aber dann wird es noch ärgerlicher. Denn da wird man dann auch noch bedroht. Denn so sagt Christus doch: „Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird Gott wegnehmen". Und wer nicht am Weinstock bleibt, der wird „weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen". Das ist doch schlimmste Nötigung! Da bleibt einem also gar nichts anderes übrig, als gefälligst zähneknirschend oder unter Protest Frucht zu bringen, so, wie das von einem erwartet wird.

Und was wird da wohl unter diesem „Frucht bringen" von einem erwartet? Gerade von einem als jungen Menschen? Ihr wisst ja schon, was da so alles ansteht, so dass Ihr es manchmal schon gar nicht mehr hören mögt: Da erwarten doch Eltern immer dass man gute Zensuren nach Hause bringt oder dass man dann in der Lehre und im Beruf tüchtig sein soll und viel, viel Geld verdienen soll.

Aber bitte jetzt ja keine Missverständnisse: auf keinen Fall etwas gegen guten Zensuren, oder gegen Tüchtigkeit im Beruf, sofern man sich dabei nicht verbissen verkrampft. Nein, auch nichts gegen Geld, und noch nicht einmal etwas gegen viel Geld, wenn man das alles auf redliche Weise bekommt. Warum sollte man das alles nicht mit dankbarem Herzen als gute Gabe Gottes empfangen?

Jedoch in unserem Bibelwort von Christus als dem Weinstock und uns als den Reben sind Lebensfrüchte solcher Art nur bedingt gemeint. Aber was ist dann gemeint? Auf diese Früchte weist die bereits angesprochene Dankbarkeit hin, Ja, die Dankbarkeit für die vielen guten Gaben, die uns unser Gott für unser Leben gibt, ist eng verknüpft mit der festen Überzeugung, dass es eben allein der barmherzige Gott ist, der mir in meinem Leben das zukommen lässt, was ich wirklich brauche. Solche Dankbarkeit ist insofern eng verknüpft mit der festen Orientierung meines Lebens an Glaube, Liebe, Hoffnung und insofern mit dem Strom an Lebenskraft, der einem daraus zuströmen will.

Ich weiß, dass über solche Lebensorientierung zu reden, dass sich so zu bekennen zu einer Ausrichtung seines Lebens an Glaube, Liebe, Hoffnung, weder jungen noch älteren Menschen leicht fällt. Und es kann auch eine ganze Weile klappen, diese Fragen aus seinem Leben irgendwie auszuklammern. Aber gerade wenn man irgendwo ganz allein auf sich selbst gestellt ist, sei es in der Einsamkeit eines Krankenzimmers, sei es in durchwachter und durchweinter Nacht, da spürt man mit einem Male nur zu deutlich, was es ist, was einen da so durchströmt, was einen eigentlich bestimmt und ausrichtet: Und für den einen ist es da z.B. ein Strom an Raffgier oder Geiz, und für den anderen ist es ein Strom an Eitelkeit oder Geltungssucht, und wieder für einen anderen ist es ein Strom an Lebensangst oder Duckmäuserei, die ihnen Herz und Seele erfüllen.

Aber alle Lebenserfahrung zeigt es doch immer wieder, und jeder aufmerksame Zeitgenosse kann es täglich mit eigenen Augen sehen, was es für Auswirkungen hat, was es eben für Früchte bringt, wenn einen solche giftigen Säfte wie Geiz, Eitelkeit oder Lebensangst durchpulsen: Denn ein Geiziger erstickt doch letztlich an seinem Geld, jede Eitelkeit gräbt sich letztlich doch selbst das Grab und einem Ängstlichen geht letztlich doch bei jedem besseren Huster die Welt unter. Nein, das sind keine Lebenssäfte, die wirklich zum Leben helfen und gute Frucht bringen.

Ja, aber welchen Lebenskräften und Lebenssäften sollen und wollen sich nun Du und ich öffnen? Woher kommen für uns die Kräfte, die stärker sind als jede Niederlage und Demütigung, die stärker sind als Tod und Teufel und die uns durch das ganze Leben tragen? Erinnern wir uns doch! Unsere Mütter und Väter im Glauben haben es uns doch überliefert: Diese tragfähigen Lebenskräfte und Lebenssäfte kommen von Jesus Christus! Und für dieses Bekenntnis sind sie in die Gefängnisse gegangen, haben sich totschlagen lassen, und ließen sich sogar mit einem Choral auf den Lippen von Löwen auffressen.

Keine Bange, solche Glaubensopfer sind heute von uns nicht gefordert, und wir wünschen uns ja auch, dass wir von solchen Gefahren um Gottes willen immer verschont bleiben. Aber hier in diesem Bibelwort geht es letztlich um genau diese Kräfte, die bewirkten, dass unsere Mütter und Väter im Glauben auf dieser Welt nichts mehr schrecken konnte.

Und warum? Weil sie sich eben mit Jesus Christus lebendig verbunden wussten, wie eine Rebe mit ihrem Weinstock. Und es war ihnen auch ganz selbstverständlich klar, nur wenn eine Rebe mit ihrem Weinstock lebendig verbunden bleibt, kann sie leben und wird sie leben. Wenn sie von ihrem Weinstock getrennt ist, verdorrt sie. Aber wenn man sich eben als Rebe mit dem Weinstock lebendig verbunden weiß, dann mochten unsere Mütter und Väter im Glauben wohl auch Schmerzen zu erdulden haben, die sie um den Verstand zu bringen drohten, ihnen war aber Gottes andere Lebenswelt und Wirklichkeit ganz wirkungsmächtig nahe. Sogar wenn die Welt für sie auch unterzugehen schien, und auch alle Lebenskräfte dieser Welt für sie abgeschnitten waren, sie wussten sich unverlierbar in Gottes ganz anderer Lebenswelt gehalten und getragen und erfuhren, wie ihnen Lebenskräfte ganz anderer Art von Gott her zuströmten. Ja, von dieser Gewissheit waren sie lebendig durchpulst.

Wie ist das aber nun, wenn wir als heutige Menschen nichts oder viel zu wenig davon verspüren von solchen Lebenskräften durchströmt zu werden? Wenn unsere Adern und Blutgefäße offenbar viel zu verstopft zu sein scheinen für den Zustrom solcher Lebenskraft, weil wir eben häufig viel zu viel Ablenkung und Eigensucht im Kopf haben? Da bin richtig froh darüber, dass Christus uns sagt: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu Euch geredet habe". Ja, Gott sei Dank! Da können wir ganz getrost sein, denn das Wort Christi hat uns erreicht: bei jedem Lesen in der Bibel, in jedem klugen Gespräch unter Christenmenschen, in jedem Gottesdienst den wir gefeiert haben, in jedem gemeinsamen Gebet und auch gerade jetzt. Und damit bleiben wir in Christus und so will er in uns bleiben. Und dann will und wird uns wirklich seine Kraft lebendig durchpulsen ob wir nun leben oder sterben und wir dürfen uns dabei gewiss sein, dass Christus der wahre Weinstock ist und wir seine Reben. Und weil das so ist, dürfen wir uns gewiss sein, dass unser Leben deshalb erfüllt und lebendig, schön und froh sein wird.

Und Christus gibt uns dabei sogar noch ein ganz besonderes Versprechen mit auf den Weg: Er sagt uns zu: „Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren." Und das ist doch einfach unglaublich! Das ist ein so großes Versprechen, dass es das eigene Fassungsvermögen übersteigt. Und manchen würde es vielleicht sogar jucken, alles Mögliche an Bitten auszuprobieren: „Mal sehen, ob‘s klappt!" Aber da fällt sofort auf, dass so etwas natürlich unernsthaftig und übermütig wäre, und dass man damit eben genau die erfüllte Gemeinschaft mit Christus verlassen würde.

Dagegen gehört es schon zur Erfahrung der Christenheit, in wie erstaunlicher Weise der Vater im Himmel alle ernsthaften Bitten seiner geliebten Kinder zu erhören weiß, wenn es ihnen wirklich gut tut. Eben weil er uns liebt, aber auch darum, dass deshalb so viel Loben und Danken erwächst, dass es den ganzen Kosmos erfüllen will. Ja, so in Gott Loben und Danken Frucht zu bringen, das ist hohe Aufgabe der Jünger Jesu Christi. Und das ist eben nicht eine aufgezwungene Aufgabe, die nörgelig und mäkelig zu erledigen wäre. Sondern weil man immer wieder froh und dankbar spüren kann, wie einem vom guten Weinstock Christus her immer wieder neue Kraft und Perspektive zuströmt, deshalb hat man einfach immer wieder richtig Lust, Gott zu danken und zu loben heute an diesem Sonntag Jubilate und ewig. Amen.



Pastor Dr. Andreas Pawlas
Ev.-luth. Kirchengemeinde Barmstedt
E-Mail: Andreas.Pawlas@web.de

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