Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christi Himmelfahrt, 21.05.2009

Predigt zu Lukas 24:50-53, verfasst von Joachim Ringleben

„Im Himmel und auf Erden"

Liebe Gemeinde!

I

Was eigentlich feiern wir heute - am Fest der Himmelfahrt Christi? Indem wir Jahr für Jahr hier zusammenkommen, müssen wir uns darüber immer wieder einmal zu verständigen versuchen - soll es nicht dazu kommen, dass man bei dem Wort „Himmelfahrt" eigentlich nur noch an die Bursfelde-Fahrt denkt. -

 

Wir spüren wohl alle, dass eine solche Klärung nicht ganz einfach sein möchte und von jedem Geduld erfordert. Es scheint doch um etwas für den christlichen Glauben Wichtiges zu gehen.

Freilich ist im Neuen Testament nur vereinzelt von der Himmelfahrt die Rede, und dann nur in sparsamen Worten, ohne große Ausmalung. Das geschieht erst auf phantastische Weise in späteren Texten außerhalb der Bibel, wie im apokryphen Petrus-Evangelium. Natürlich kennt man aus dem AT die Erzählung von der Himmelfahrt Elias (2. Kön 2, 1ff; cf. Apc 11,12) oder die leibliche Entrückung Henochs in den Himmel (Gen 5,24). Ähnliches wusste die heidnische Antike von  Herakles und Mithras zu berichten, später dann der Islam noch von Mohammed. Aber mit solchen historischen Beobachtungen sind wir die sachlichen Probleme der Himmelfahrt in unserem Text vom Ende des Lukasevangeliums ja nicht los.

Nüchterner, aufgeklärter Sinn muss hier doch fragen: worum geht es eigentlich in der Sache? Ist Gott denn irgendwie „oben"? Eine solche räumliche Vorstellung verträgt sich schon gar nicht mit unserem modernen Weltbild, wonach der „Himmel" nur metaphorisch noch „oben" ist. Das klingt auch danach, wo das NT von Christi „Er-höhung" zur Rechten des Vaters redet. Aber schon dabei ist der räumliche Sinn nicht mehr so eindeutig wie bei der anschaulichen „Himmelfahrt", sondern da ist ein Sein bei Gott und mit Gott gemeint.

Eine andere Schwierigkeit liegt für heutige Menschen darin, dass man die Himmelfahrt Christi doch wohl von einer Art „Raumfahrt" unterscheiden muss. Das haben selbst die Theologen nicht immer gekonnt. So hat, gut gemeint, aber im Interesse des Glaubens eindeutig fehlgeleitet, der berühmte Freund Goethes, der Schweizer Pfarrer und Schriftsteller Joh. Casp. Lavater den in den Himmel erhöhten Christus tatsächlich 1769 als den ersten Raumfahrer aufgefasst, indem er versuchte, die Geschwindigkeit der Himmelfahrt zu berechnen („Aussichten in die Ewigkeit"). So absurd das auf uns wirkt, so drastisch stößt es uns auf die Sachfrage: Was ist der Glaubenssinn von Christi Himmelfahrt? Worum eigentlich geht es hier?

Liebe Gemeinde, es ist unvermeidlich, dass unsere Predigt einen negativen Teil vorausschicken muss, ehe wir positiv sagen können, was das ist: Christi Himmelfahrt. Wir müssen offensichtlich heute erst einmal den weltanschaulichen Schutt aus dem Wege räumen, der sich um diese Dinge angelagert hat, ehe wir den religiösen Kern der Sache zur Sprache bringen können. Diese Klärungen gehorchen aber nicht irgendeiner aufgeklärten „Entmythologisierung", sondern folgen streng der Logik des Glaubens, d.h. des Glaubens an Gott. Damit folgen wir nur dem NT selber, denn in der anderen Himmelfahrtserzählung, Apost.gesch. 1, steht ja selber schon der auffällige und mahnende Satz: „Was steht ihr da und seht in den Himmel?" (Act. 1,11a). Es geht offenbar um etwas Anderes.

II

In allen diesen Fragen hat mit sicherem Instinkt für die wesentliche Wahrheit des Glaubens Martin Luther den richtigen Weg gewiesen. Er räumt gründlich auf mit den märchenhaften Vorstellungen vom Himmel Gottes. Gegen die reformierten Schweizer Theologen, die tatsächlich an der Vorstellung eines „ganz oben" lokalisierten Himmels festhalten wollten, hat er scharf formuliert: „Sie werden uns daher schwermen, wie man Kindern pflegt fur zu bilden einen gauckel hymel, darynn ein gülden stuel stehe und Christus neben dem Vater sitze ...[mit einer] gülden krone, gleich wie es die maler malen ... Aus welchen kindischen gedancken muss  denn weiter folgen, Das sie auch Gott selber an einen ort ym Hymel auff den selbigen gülden stuel binden ... Die schrifft aber leret uns, das Gotts rechte hand nicht sey ein sonderlicher ort, da ein leib solle ... sein, ... Sondern sey die almechtige gewalt Gotts, welche zu gleich nirgent sein kan und doch an allen orten sein mus" (WA 23, 131, 10-13 u. 18-20; 133, 19-22). Immer wieder polemisiert Luther gegen ein solches naiv-räumliches Verständnis von Gott im Himmel und von Christi Sein bei Gott, so z.B.: „Ach kindisch und albern reden sie vom hymel, auff das sie Christo einen ort droben ym hymel machen, wie der storch ein nest auff eym baum, und wissen selbst nicht, was und wie sie reden" (26, 422,
8-10). Bei einem solchen oben im Raum vorgestellten Ort Gottes kann aber der Glaubenssinn der Himmelfahrt nur zur Karikatur verzerrt werden; dazu ein letztes Mal Luther: „Was es aber ist, Christum gen hymel, faren und sitzen, wissen sie nicht. Es gehet nicht also zu, wie du auf steigest auff einer leitern yns haus, sondern da ists, das er über alle creaturen und yn allen und ausser allen creaturen ist" (19, 491, 26-29). Man sieht, Luther brauchte nicht mit dem modernen kopernikanischen Weltbild in Widerspruch zu kommen, weil er Christi Himmelfahrt ganz vom Geheimnis Gottes her verstehen  konnte. Die Erzählungen von der leiblichen Auffahrt Christi gen Himmel beurteilte er daher mit der Freiheit eines Christenmenschen als eine bloße Veranschaulichung der eigentlichen Glaubenswahrheit: „Das er aber leiblich hinauff genomen ist, ist geschehen zum warzeichen" (a.a.O. 29). Wir fragen natürlich: zum Wahrzeichen, zum Denkbild wofür? Damit gehen wir schon vom negativen Teil der Predigt zum positiven über.

III

Liebe Gemeinde, es klang schon an: „Himmel" - das ist die Dimension Gottes, wo Ort und Raum im irdischen Sinne aufhören. Der Himmel ist Gottes lebendige Gegenwart: die letzte Wirklichkeit in aller unserer Wirklichkeit, das Geheimnis, das die Weltwirklichkeit umgreift und durchdringt. Gott ist ganz bei der Welt und doch ewig von aller Weltwirklichkeit ganz unterschieden. Gott bringt seinen Himmel mit. Daher ist der Himmel nicht oben, sondern er ist die Mitte, die überall ist: ganz diesseitig und ganz jenseitig, „mitten im Diesseits jenseitig" (D. Bonhoeffer).

Himmelfahrt, das ist die Aufnahme Jesu Christi in diese göttliche Dynamik, aber keine Raumfahrt. Dies „Wahrzeichen" beschreibt äußerlich und an der Grenze unserer Vorstellungskraft und Sprache die endgültige Vereinigung Jesu mit dem lebendigen Gott, seine Teilhabe an Gottes Allgegenwart. Er wird entrückt in die Dimension Gottes - aber Gott ist überall. Gottes Gegenwart nimmt ihn auf.

Das geschieht aber nicht um seiner selbst willen, sondern jetzt kommt der christliche Glaube, kommen die Glaubenden ins Spiel. Auf zwei Dinge will ich Sie hinweisen.

Einmal, Christus geht zu Gott, um kraft dessen Gegenwart selber alles zu erfüllen (cf. Eph 4,10 und Luther, 26, 347, 11f). Das Geheimnis von Himmelfahrt ist also eigentlich das Geheimnis von Gottes lebendiger Allgegenwart. Himmelfahrt bedeutet, dass Gott Jesu persönliches Leben mit seiner Gegenwart vereint, so dass überall, wo Gott ist - und er ist überall -, auch Jesu Dasein dabei ist.

Christus scheint bei der Himmelfahrt von der Erde entrückt; in Wahrheit aber tritt er so seine universale Herrschaft erst an. Er ist im Himmel nur, um zugleich überall auf Erden zu sein. Was Nietzsches Zarathustra so unvergesslich fordert: „ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu" (Vorrede 3.), das leistet Christus, unser Bruder und Herr, für alle Zeiten. Gerade indem er gen Himmel fährt, kommt er in Wahrheit auf die Erde, zu uns - entschränkt von allen Grenzen des Raumes und der Zeit.

Darum sind die Jünger in unserem Predigttext voller Freude bei diesem Abschied (24,52), der zugleich ein Wiederkommen ist; darum und so „segnet" der in die Einheit Gottes Erhöhte seine Brüder auf der Erde (24,51): er bleibt in Gottes Gegenwart bei ihnen. Seitdem ist das Leben der Glaubenden hier auf Erden „verborgen mit Christus in Gott" (Kol 3,1-3).

Das Zweite und uns unbedingt Angehende ist aber das Folgende. Liebe Gemeinde, Himmelfahrt besagt das Unausdenkliche: im Himmel regiert ein Mensch - der, den wir als Jesus kennen, unser Bruder und Herr (cf. Act 5,31).

Die Himmelfahrt Christi -  sie ist so etwas, wie der Aufgang der Sonne für die an Jesus Glaubenden.

Es geht um die Verewigung des irdischen Jesus, der für alle Zeiten eins ist mit dem Leben Gottes. Überall wo Gott ist, ich sage es noch einmal, da ist auch dieser Mensch: als Sohn seines himmlischen Vaters. Gottes ungreifbare Nähe zu uns, sie ist jetzt immer auch die Nähe Jesu Christi, sein unbeschränktes Sein für uns. Nur durch seine Himmelfahrt kann er uns überall nahe sein, z.B. in jedem Abendmahl, das wir feiern (cf. 23, 193, 10-13). Er ist in Ewigkeit unser Fürsprecher beim Vater (1. Joh 2,1; cf. Röm 8,34) - derselbe in Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft, gestern, heute und in alle Ewigkeit (Hebr 13,8).

Wie Jesus in seinem irdischen Leben ganz für die Seinen da war, so ist er jetzt ganz für uns da. Was jeder von  uns für ein Bild von Jesus im Herzen trägt: das ist nicht nur die Erinnerung an einen vergangenen Menschen, sondern das ist eine gegenwärtige Macht, d.h. lebendige Gotteskraft. So wie Jesus damals die Menschen, die zu ihm kamen, angeblickt hat, die Kranken, die Sünder, die Ausgestoßenen und Vereinsamten, nämlich voller Erbarmen, so blickt er jeden von uns auch heute an. Dass seine Worte der Sündenvergebung damals göttlicher Geist und ewiges Leben für alle Zeiten sind (Joh 6,63), auch das bedeutet Himmelfahrt.

Indem der gen Himmel Gefahrene bei Gott ist, ist er gerade ganz bei uns, so wie der irdische Jesus immer nur so bei den Menschen war, dass er zugleich bei seinem himmlischen Vater war. Darum steht der wahre Sinn der Himmelfahrt am Ende des Matthäus-Evangeliums: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden ... Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende" (Mt 28,18 u. 20). Im Himmel regiert ein Mensch - uns zugut.

Amen



Abt Prof. Dr. Joachim Ringleben
Göttingen
E-Mail: per: Regine.Pfau@theologie.uni-goettingen.de

(zurück zum Seitenanfang)