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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christi Himmelfahrt, 21.05.2009

Predigt zu Lukas 24:50-53, verfasst von Matthias Rein

Liebe Gemeinde

heute feiern wir Christen das Fest der Himmelfahrt Christi.
Freude herrscht. Fröhliche Lieder singen wir, Lieder voller Lobpreis und Beschwingtheit.
Warum aber freuen wir uns? Warum ist Christi Himmelfahrt ein Fest der Freude?
Worum geht es eigentlich bei dem Bild, der Vorstellung von der Auffahrt des Auferstandenen aus der Dunkelheit des Grabes in den leuchtenden Himmel?

Ich habe dramatische Bilder vor Augen, Bilder aus barocken Kirchen in Oberbayern:
Licht flutet von oben in die Finsternis und schafft eine Bahn, auf der Christus in den Himmel auffährt. Die Figur des Auferstandenen zeigt Stärke, Sieg, Triumph. Tücher umgeben die kraftvolle Christus-Figur. Der Wind, der Sturm bewegt sie dramatisch. An ihnen zeigt sich, welche gewaltigen Kräfte wirken.
Gott selbst ist hier am Werk. Kosmische Kräfte wirken in einem dramatischen Ereignis.
In der katholischen Pfarrkirche von Mittenwald wird heute eine Figur des Auferstandenen durch das Heiliggeistloch in den Himmel gezogen. Der Himmel - das ist in diesem Fall der Dachboden der Kirche.

Ich als Betrachter dieser dramatischen Bilder soll hineingenommen werden in das Geschehen. Aber ich frage auch: Sehr dramatisch, was aber hat das mit mir zu tun? Bin ich mehr als ein Zuschauer? Was gibt mir Grund, mich über Jesu Himmelfahrt zu freuen?

Der Evangelist Lukas erzählt von der Himmelfahrt Christi mit wenigen Worten. Der auferstandene Jesus tritt in den Kreis seiner Jünger. Sie erschrecken und fürchten sich. Jesus zeigt ihnen seine Wundmale und isst vor ihnen einen gebratenen Fisch.
Es wird deutlich: Der hier bei ihnen ist, ist der Gekreuzigte.
Der hier vor ihnen steht, ist leibhaftig lebendig.
Der Auferstandene kündigt an, daß die Jünger den Geist Gottes empfangen werden. Er segnet sie beim Abschied. Und erzählt Lukas, der Evangelist lapidar: Er fuhr in den Himmel.
Die Jünger sind nun tatsächlich mit Gottes Geist erfüllt. So jedenfalls zeigt ihre Reaktion: Sie beten Jesus an. Sie begegnen ihm so wie mit Gott selbst. Ihr Herz ist voller Freude. Sie ziehen zum Tempel nach Jerusalem und loben dort Gott in der Gottesdienstgemeinschaft.

Der Übergang des Auferstandenen in den Himmel - was bringt dies zum Ausdruck?
Erzählt wird, dass Jesus nun in die Sphäre, in den Bereich Gottes kommt. Jesus sitzt zur Rechten Gottes, so sagt es unser Glaubensbekenntnis. Und das meint: Jesus ist Gott, Jesus hat Anteil an Gott, in Jesus sehen wir Gott, begegnet uns Gott.

Nun frage ich weiter: Warum gibt es dazu ein Fest? Jesus ist Gott, das zieht sich doch durch - von Jesu Geburt, über sein Wirken unter den Menschen bis zu seiner Kreuzigung und Auferstehung. Warum nun ein extra Fest zu Jesu Himmelfahrt? Und warum ist das für uns Grund großer Freude, wenn wir in Jesus Gott erkennen?

Ich lade Sie ein, nach Antworten auf diese Fragen zu suchen. Dabei wollen wir die Freude im Blick behalten, die das große Vorzeichen zu unserem Fest heute ist.

Ein erster Gedanke: „Ich muß da sein, wo mein Vater ist." Das sagt der zwölfjährige Jesus im Tempel. Er antwortet auf Marias Frage, warum er sie verlassen habe und in den Tempel gegangen sei. Sie hätte nach ihm gesucht voller Angst und Schrecken. „Ich muß da sein, wo mein Vater ist. Ich muß in dem sein, was meines Vaters ist", übersetzt Luther. Klar ist nach jüdischem Verständnis, wo das ist - im Tempel, aus Steinen gebaut in Jerusalem. Dasein, wo Gott ist, das hat auch mit Trennung von den Menschen zu tun. Der zwölfjährige Jesus ist auf einmal verschwunden. Maria, die Mutter, erlebt hier dieses Getrenntsein.
Am Ende seines Weges geht Jesus da hin, wo sein Vater ist. Nun nicht in den Tempel, sondern in den Himmel. Der Himmel besteht nicht aus behauenen Steinen, er lässt sich nicht begrenzen, er ist überall. Zurückbleiben seine Jünger. Himmelfahrt hat auch mit Trennung zu tun.

Mit dieser Auffahrt in den Himmel endet die Zeit der Erscheinungen des Auferstandenen unter den Seinen. Die Frauen fanden nach Jesu Tod ein leeres Grab vor. Zwei Männer am Grab sagten ihnen, dass Jesus auferstanden sei. Dann erschien er zwei Jüngern auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus. Sie erzählen den anderen Jüngern in Jerusalem von dieser Begegnung und Jesus tritt dort mitten unter sie. 40 Tage lang zeigte sich der auferstandene Jesus als der Lebendige, so erzählt es das Lukas-Evangelium. Hier wird ein weiterer Bogen geschlagen: 40 Tage verbrachte Jesus in der Wüste, fastete und wurde vom Teufel versucht. 40 Tage zeigt er sich als der Auferstandene, als der Sieger über Tod und Teufel.
 
Wir sind diesen Zeiten in den letzten Wochen nachgegangen: 40 Tage dauerte die Fastenzeit, die uns an die Seite des versuchten und leidenden Jesus stellte. 40 Tage dauert die Freudenzeit in der Gemeinschaft mit dem Auferstandenen. Diese Freudenzeit kommt nun zu ihrem Höhepunkt mit dem Freudenfest zu Jesu Himmelfahrt. Damit endet die Osterzeit, damit endet die Vergegenwärtigung des Wunders der Auferstehung.

Mit der Vorstellung von Jesu Himmelfahrt verbinden sich aber noch grundlegendere Gedanken: Hier wird zwischen Himmel und Erde unterschieden. Die Erde -  das ist der Ort, an dem wir Menschen leben: fehlbar und beschränkt. Der Himmel - das ist der Ort, an dem Gott ist: unfehlbar, vollkommen und unbeschränkt. Wir Menschen halten Ausschau von der Erde zum Himmel. Gebete werden gen Himmel geschickt, aber auch Flüche. Gott, um im Bild zu bleiben, hält auch Ausschau vom Himmel auf die Erde. Er bestimmt die Geschicke seiner Geschöpfe auf Erden und er wirkt mit Segen. Was die Erde in Wahrheit ist, erkennen wir, wenn wir auf den Himmel schauen: sie ist fehlbar und begrenzt. Was der Himmel ist, erkennen wir, wenn wir Himmel und Erden unterscheiden und beide aufeinander beziehen. Die Himmelfahrt Jesu macht uns Unterschiede und Zusammenhänge deutlich: Wir leben auf Erden und nicht im Himmel. Der auferstandene Jesus ist zwar wahrer Mensch, aber gehört doch zu Gott. Wenn Jesus nun zu Gott geht, heißt das nicht, dass er sich uns unendlich entfernt. Im Gegenteil, es heißt, dass er uns unendlich nahe kommt, näher, als es irgendein Mensch könnte. Er ist uns so nahe, so vertraut, so in uns wie Gott selbst. Jesus ist Gott, - das ist eine ungeheure Aussage über den Menschen Jesus, unseren Bruder, ja über uns selbst. Es erinnert uns daran, dass Gott uns geschaffen hat, dass er uns mit seinem Geist belebt, dass wir Teil Gottes sind, dass wir in Jesus untrennbar mit ihm verbunden sind. Das ist die tiefe Bedeutung von Jesu Himmelfahrt und das ist der tiefe Grund für alle Fröhlichkeit an diesem Fest.

Ein Wort aus den Abschiedsreden Jesu im  Johannesevangelium macht dies anders deutlich: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, sagt Jesus dort beim Abschied von seinen Jüngern. Das heißt: Ihr gehört untrennbar zu mir, von mir empfangt ihr Lebenskraft. Jesus spricht dann vom Reinigen der Rebe, damit sie Frucht bringe. Und fügt er hinzu: Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Wenn wir sein Wort hören, wenn wir uns der Kraft seines Wortes aussetzen, werden wir in den Himmel versetzt. Der Himmel - ganz nah. Das ist eine unglaublich schöne Vorstellung und Zusage.

Jesus ist Gott - das hat weitergehende Bedeutung für uns.
Dazu noch zwei Gedanken.
Lukas erzählt von Jesus als dem Heiland. Er wendet sich den Kranken, den Armen, den Verlorenen zu. Er geht uns Menschen nach wie ein Hirte, der das eine verlorene Schaf sucht. Hier geht es um mehr als um Mitmenschlichkeit und Solidarität unter Gleichen. Hier geht es um Gott, der solches tut. Gottes Macht steht hinter der Barmherzigkeit Jesu. Diese Macht ist größer und stärker als alles auf Erden. Und diese Macht tut Gutes für uns. Das bekräftigt Jesu Himmelfahrt. Darum freuen wir uns.

Jesus ist Gott - das, liebe Gemeinde, holt Gott aus der Unbestimmtheit. Gott ist nicht der unendliche Ferne, Vage, Unverstehbare, Unerkennbare. Gott zeigt uns sein Gesicht in Jesus. Da, wo Jesus ist, ist Gott. Da wo Gott ist, ist der Himmel. Der Himmel leuchtet auf im Antlitz dieses Menschen, wird fassbar, verstehbar, leiblich gegenwärtig.
Auch das zeigt uns Jesu Himmelfahrt und ist Grund zur Freude. Gott ist auf Erden und der Himmel breitet sich aus, erkennbar, fassbar, leibhaftig.

Himmelfahrt - ein Fest der Freude über Gottes Nähe in Christus.

Viele Menschen sind heute unterwegs in der Natur, manche auch mit berauschenden Getränken. Gibt es da Zusammenhänge mit unserem Verständnis vom Fest der Himmelfahrt Christi oder bietet Himmelfahrt nur einen äußeren Anlaß zu einer feuchtfröhlichen Landpartie?    

Der heutige Brauch der Spaziergänge in die Natur wurzelt in den Felderbegehungen zu Christi Himmelfahrt. Die Dorfgemeinde ging zusammen mit dem Ortspfarrer auf ihre bestellten Äcker und betete für gutes Gedeihen der Saat. Man bat Gott um Segen für Wachsen und Ernte.
Dieser Brauch wird heute kaum noch verstanden. Heute sind Menschen unterwegs in der Natur und suchen dort - wohl eher unbewußt - Spuren Gottes, Spuren seiner Gegenwart, Spuren seines Segens. Das tun sie zurecht, denn Gott ist am Wirken, wenn es auf den Feldern, Wiesen und in den Wäldern grünt und blüht. Deshalb sind auch viele christliche Gemeindegruppen unterwegs an diesem Tag. Und sie singen: Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser schönen Sommerszeit an deines Gottes Gaben.

Ich schließe mit einem schönen Bild von Theodor Fontane, das vieles zusammenbringt: das unbegrenzte Wirken Gottes, die Natur als Gleichnis für Gottes Wirken, seinen verändernde Kraft, seine Barmherzigkeit:

„Die Gnade Gottes geht ihre eigenen Wege", schreibt Fontane. „Es bindet sie keine Regel, sie ist sich selber Gesetz. Sie baut wie die Schwalben an allerlei Häusern, an guten und schlechten, und wenn sie an schlechten baut, so sind es keine schlechten Häuser mehr. Ein neues Leben hat Einzug gehalten."[1]

Neues Leben hat Einzug gehalten und wirkt grenzenlos. Darüber freuen wir uns heute. Amen

Kanzelsegen

Lied nach der Predigt:

Wir feiern deine Himmelfahrt

Wir feiern deine Himmelfahrt  / mit Danken und mit Loben. /
Gott hat sich machtvoll offenbart, / das Kreuz zum Sieg erhoben. /
Er sprach sein wunderbares Ja. / Nun bist du immer für uns da, /
entgrenzt von Raum und Stunde.

2. Das Reich, in das du wiederkehrst / ist keine ferne Nähe. /
Der Himmel, dem du zugehörst. / ist Herrschaft und ist Nähe. /
Präg du uns ein, Herr Jesu Christ: / Gott ist nicht, wo der Himmel ist; /
wo Gott ist, da ist Himmel.

3. Nimm uns in deinen Machtbereich, / gib Kraft zu Tat und Leiden /
und mach uns deinem Wesen gleich / im Wollen und Entscheiden. /
Wir freuen uns, Herr Jesu Christ, / dass da auch ein Stück Himmel ist, /
wo wir dein Wort bezeugen.

4. Du hast die Angst der Macht beraubt, / das Maß der Welt verwandelt. /
Die wahre Macht hat nur, wer glaubt / und aus dem Glauben handelt. /
Wir danken dir, Herr Jesu Christ, / dass dir die Macht gegeben ist /
im  Himmel und auf Erden.

5. Du trittst beim Vater für uns ein, / auch wenn wir es nicht sehen. /
Trotz Widerspruch und Augenschein / kann uns doch nichts geschehen, /
was deinem Wort, Herr Jesu Christ, / und deinem Sieg entgegen ist. /
Hilf uns darauf vertrauen.

6. Wenn diese Welt zu Ende geht, / bewahre und errette, /
was deinem Namen untersteht. / Bereite uns die Stätte /
und hol uns heim, Herr Jesu Christ, / dahin, wo du der König bist, /
der Friede ohne Ende.

Text: Detlev Block 1978
Melodie: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut (EG 326)[2]
 



[1] In Conrad, I. u. J. (Hg.): Sonnentage. Ein Begleiter durch das Jahr, Stuttgart 1988,  (31.März).

[2] Aus Ev.-luth. Landeskirche Sachsens (Hg.): Singt von Hoffnung. Neue Lieder für die Gemeinde, 5.Aufl., Leipzig 2008.



Dr. Matthias Rein
Theologisches Studienseminar der VELKD
Pullach
E-Mail: Rein@velkd-pullach.de

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