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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Trinitatis, 14.06.2009

Predigt zu Lukas 16:19-31, verfasst von Esther Kuhn-Luz

Die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus - eine aktuelle Geschichte über die fehlende Beziehung zwischen Reichen und Armen

Wie ein Märchen mit einer tiefen Weisheit  beginnt die Geschichte : es war einmal...
Hier geht es also um mehr als nur um eine wahre Begebenheit.
Hier geht es um  Arme und Reiche  und deren fehlender Beziehung zueinander.
Das Gleichnis ist eine fiktive Geschichte vom Leben nach dem Tod, die das Leben vor dem Tod widerspiegelt und kommentiert. Streng parallel ist die Erzählung aufgebaut.
Beide Hälften des Gleichnisses sind fiktiv und zugleich wirklichkeitsbezogen.

Zunächst wird der reiche Mann beschrieben - und zwar mit den damals üblichen Attributen des Reichtums ( Purpur und kostbares Leinen; lebt jeden Tag in Herrlichkeit und Überfülle).
Reichtum ist äußerlich sichtbar! Aber - der reiche Mann hat keinen Namen!
Warum wird ihm kein Name gegeben?
Aus „ Datenschutzrechtlichen Gründen"? Weil er eine Symbolfigur ist für „ den Reichen" schlechthin?

Schon in den ersten zwei Zeilen erfahren wir etwas über die Position des Evangelisten Lukas bzw. von der biblischen Position für die Armen - die uns als Kirche ja eine wichtige Orientierung ist für unsere Option für die Armen.
Denn die Geschichte fährt fort:
„ Es war aber auch ein Armer mit Namen Lazarus..." - d.h.: Gott hilft.
Er wird gleich zur Person, zu einem Beziehungswesen. Weil man ihn mit Namen kennt, kann man ihn ansprechen - er ist einer mit einer Biografie. Allerdings  werden wir schnell merken, dass die bittere Armut ihm viel von der Fülle des Lebens raubt, die Gott für ihn vorgesehen hat.
Wie beim Reichen wird auch bei ihm  die Armut äußerlich beschrieben.
Er hatte eitrige Geschwüre - wir kennen die Verbindung von arm und krank inzwischen auch  bei uns in Deutschland. Seitdem es immer stärker eine Mitfinanzierung im Gesundheitswesen gibt ( „ Eigenverantwortung" „ Selbstfinanzierung"), gehen arme Menschen  seltener zum Arzt, kaufen sich seltener notwendige Arznei und lassen kaputte Zähne nicht mehr richten. Armut ist auch bei uns sichtbarer geworden. Zur Zeit wird eine Erhöhung der Praxisgebühr diskutiert - bis zu 25.-!
„ Da gehen wir dann halt gar nicht mehr zum Arzt.", war gleich die Reaktion einer Frau, die mit ihrem geringen Gehalt in der Gastronomie sowieso knapp dran ist.

Noch etwas wird über Lazarus gesagt: er war hungrig - obwohl er am Ort des überfließenden Reichtums war.
Eine seltsame Art von Beziehung bzw. von Nichtbeziehung entwickelt sich gleich von Anfang an.
Der verarmte kranke hungrige Lazarus liegt vor der Tür des Reichen - weil er darauf hofft, wenigstens ein wenig vom Überfluss des Reichtums - „ was vom Tische des Reichen fiel" - zu bekommen, um  überleben zu können.
Wie üppig die Tische der Reichen gedeckt waren kann man auf Fußbodenmosaiken in den damaligen hellenistisch-römischen Palästen sehen( Abbildung: Museo Gregoriano Profano, bei Luise Schottroff, Die Gleichnisse Jesu S. 221) :da liegen Geflügelreste, Obst, Fische, Brot, Fleischstücke auf dem Boden. Die Mosaiken sind plastisch, bunt und farbenfroh. Sie zeigen den Reichtum im Spiegel seiner Abfälle voller Stolz.
Das ist uns nicht unbekannt - auch bei uns wird unser Reichtum an unserem Müllaufkommen deutlich. Allerdings ist das inzwischen weniger mit Stolz, allerdings immer noch mit Arroganz und inzwischen auch  mit Sorge verbunden - und mit einer sehr zwiespältigen eigenen Müllökonomie: Export in arme Länder, damit die Menschen dort unseren Müll entsorgen.

Der verarmte kranke hungrige Lazarus liegt vor der Tür des Reichen - das geschieht ja heute in einer globalisierten Welt auch noch auf ganz andere Weise.

Mir fallen die vielen Flüchtlinge ein, die aus den verschiedenen afrikanischen Ländern, in denen der Hunger groß und die Entwicklungschancen klein sind und noch kleiner werden, in die reichen Länder kommen, um leben zu können - vom Überfluss des Reichtums in den westlichen Ländern. ( Trotz Wirtschaftskrise!)

Armut, Hunger und Überfluss des Reichtums an einem Ort.
Man kann später nicht sagen, man hätte nichts davon gesehen...
Wie heute - während die einen die Abfallkörbe nach Pfandflaschen durchsuchen, sitzen andre in Luxusrestaurants: es darf auch ruhig etwas teurer sein.

Während die einen von ihrem Lohn trotz einer 40 Stundenwoche nicht leben können - wer weniger als 6.- pro Stunde verdient braucht noch eine weitere Unterstützung durch ALG II und gehört damit zu den „ working poor „ ( arm trotz Arbeit) - verdienen andere  Hunderttausende. Ganz abgesehen von den millionenschweren Einkommen mancher Manager. Bischof Huber hat die Frage gestellt, ob es wirklich möglich ist, dass jemand um so viel mehr und besser arbeitet, als dass er das 200 fache und mehr verdient. Unethische Löhne: die einen sind zu gering, die anderen zu hoch.
Der Spiegel schrieb neulich:
„ Deutschland driftet auseinander.
Während sich Topmanager Millionengagen und - abfindungen genehmigen, wären viele Bürger und Bürgerinnen schon froh, wenn sie von ihren Löhnen leben könnten."
Seit 1992 ist das reale Nettoeinkommen der reichsten 10% der Bevölkerung um 31% gewachsen - das der unteren 10% ist überhaupt nicht gewachsen - es ist sogar gesunken - um - 13%. Hier gibt es vor allem Schulden.
Diese ungleiche Verteilung wird bei der Vermögensverteilung noch heftiger:
Die oberen 10% besitzen 60% des Vermögens, die die unteren 10% haben nur Schulden -
30% verteilen des Vermögens verteilen sich auf die obere Hälfte und nur noch 10% auf die untere Hälfte.
Damit wird deutlich: es gibt nicht nur einen krassen Gegensatz zwischen Reichen und Armen in Deutschland - sondern es gibt auch zunehmend eine Veränderung im Mittelstand.
Die Angst und die Realität, durch Arbeitslosigkeit zu verarmen ist groß - auch bei denen, die eigentlich gut ausgebildet sind, aber durch die Folgen der Wirtschaftskrise durch  Firmenschließung oder Entlassungen  einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen.
Besonders für ältere Arbeitnehmende, aber auch für ganz junge kann das sehr schwierig werden. Die Angst vor der Arbeitslosigkeit ist zur Zeit eben deswegen so groß, weil die Aussicht auf einen vergleichbaren Arbeitsplatz kaum da ist - und das  Arbeitslosengeld nur einem Jahr lang bezahlt wird. Danach gibt es nur noch den ALG II -Satz. ( 351.- plus Miete plus Heizung). Damit kann ein Abgleiten in die Armut relativ schnell gehen.

Es begab sich aber, dass der Arme starb.
Wunderbar wird beschrieben, wie fürsorglich und zärtlich die Engel nun mit dem verstorbenen Lazarus umgehen! Das hat er sich sicher zu Lebzeiten oft gewünscht, mal auf Händen getragen zu werden!
Er wird von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Mir fällt dazu ein Fries im Portal des Münsters in Basel ein: Abraham hält die Seelen der Verstorbenen in seinem Schoß - wie in einem großen Tuch sitzen sie sie da. Man sieht nur die Gesichter, die aber strahlen einen richtig an: so glücklich und zufrieden sehen sie aus.
Endlich angekommen - hier geht es mir gut!
Also doch - eine ausgleichende Gerechtigkeit für die Armen!

Natürlich tauchen an dieser Stelle auch  Fragen auf. Ist das nicht eine typische Jenseitsvertröstung? So nach dem Motto: wem es hier schlecht geht darf halt darauf hoffen, dass später mal für ihn gesorgt wird.

Diesen Fragen muss man sich stellen, aber zum einen empfinde ich diese biblische über den Tod hinaus gehende Verheißung einer ausgleichenden Gerechtigkeit wirklich als einen Trost, zum anderen aber zielt die Intention des Gleichnis  vor allem darauf, hier und jetzt Armut und überbordenden Reichtum wahr zu nehmen und für eine menschenwürdige Existenz für alle zu sorgen.
Es soll nicht über das Jenseits spekuliert werden, sondern es sollen Konsequenzen für das Leben vor dem Tod gezogen werden.

Auch der Reiche stirbt und - wir ahnen es schon - er wird nicht von den Engeln getragen und kommt nicht in Abrahams Schoß. Von ihm wird berichtet, dass er begraben wurde - auch das eine Auszeichnung der Reichen damals: ein eigenes Grab, eine eigene Grabhöhle zu haben.
( Wir erinnern uns an Josef von Arimathäa, der sein eigenes Grab für den Leichnam des armen Jesus von Nazareth gegeben hat.) Die Armen hatten kein Grab. Sie wurden verscharrt.
Übrigens ist das ja bis heute so, wenn Obdachlose sterben und das Sozialamt die billigste Form wählen möchte - ohne Trauerfeier und anonym. Manche GemeindepfarrerInnen erzählen von einem richtigen Kampf, bis sie es erreicht haben, dass auch für Obdachlose ein Gottesdienst in der Kapelle und zumindest ein Urnengrab möglich ist.

Gut - der Reiche wurde begraben. 
„Als er nun in der Hölle war" - so selbstverständlich wird das hier geschrieben. Klar: der arme Lazarus in Abrahams Schoß - wo die Gerechten alle hinkommen - der reiche Mann in der Hölle. So ist es gerecht - oder?

Hölle - daran glauben wir Protestanten doch gar nicht!
Fegefeuer fällt einem gleich ein - und wie die Papstkirche zu Luthers Zeiten vielen Menschen damit Angst gemacht und selber gut verdient hat - „ wenn die Münz im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel springt."
Die Bibel in gerechter Sprache umschreibt hier, was Hölle bedeuten kann: „ Totenreich, geplagt von Qualen. " Innere Qualen? Gewissensbisse? Oder doch „ nur" äußere Qualen, eben dem Feuer, das den reichen Mann so durstig macht?
Mitten in dieser qualvollen Situation geschieht nun etwas sehr Besonderes: der reiche, nun aber sehr arme, weil gequälte Mann, fängt an, wahr zu nehmen. „ Er hob seine Augen auf in seiner Qual und sah...."
Das hätte er früher schon mal tun sollen - seine Augen öffnen und die Qual der armen Menschen sehen! Den armen Lazarus direkt vor seiner Haustür!
Schnell sind wir in unserer eigenen Welt angelangt - wer liegt denn vor unserer Tür?
Wer liegt vor der Tür Deutschlands oder Europas?  Das Gleichnis spricht die Armut und die Verantwortung für Arme auf sehr vielen verschiedenen Ebenen an!

Der reiche Mann sieht nun also, weil er seine Augen erhebt. Er sieht Abraham von ferne - und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief:
„Vater Abraham, habe Mitleid mit mir und schicke Lazarus herüber, dass er seine Fingerspitze ins Wasser tauche und meine Zunge benetze. Denn ich leide in diesem Feuer!"

Mitleid, Erbarmen - wie notwendig das ist, damit eine Gesellschaft menschlich sein kann!

„ Gerechtigkeit und Barmherzigkeit dürfen keine Fremdwörter werden in unserer Gesellschaft" meinte neulich Bischöfin Jepsen angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise.

So richtig bewusst wird das einem manchmal erst, wenn man selber auf Mit-leiden der anderen angewiesen ist. Compassion - die Fähigkeit, mitleiden zu können und die Leidenschaft, sich gegen ungerechte Strukturen zur Wehr  zu setzen.

Der reiche Mann kennt allerdings bis jetzt  nur Mitleid mit sich selber.
Anstatt dass er sich nun bei Lazarus entschuldigt für seine Ignoranz gegenüber seiner Armut und deren entwürdigenden Folgen, macht er auf bestimmte Weise weiter wie vorher. Er spricht quasi „ von Leitungsebene zu Leitungsebene" - Abraham ist sein Gegenüber, nicht Lazarus selber.

Übrigens - Lazarus selber kommt in der ganzen Geschichte gar nicht zu Wort - er bleibt stumm.
Als Armer zu Lebzeiten verstummt er angesichts der Arroganz der Reichen. Übersehen zu werden und so mehr und mehr die Sprache zu verlieren - das ist eine der schlimmen gesellschaftlichen Ächtungen, weil sie armen Menschen auch noch die Würde und die Selbstachtung wegnimmt. Um sich selber achten zu können gehört dazu, von anderen Menschen geachtet, wert geschätzt zu werden. Leider wird er auch in Abrahams Schoß nicht mit eigener Stimme gehört. Das macht so ein bisschen ein seltsames Gefühl - ein freundlich paternalistisches Verhalten in der Fürsorge für die Armen - es fehlt der gleichberechtigte Umgang, die Beziehung mit den Armen.

Abraham wendet sich nun an den reichen Mann.
Bei soviel Beziehungslosigkeit in den früheren Szenen tut es jetzt richtig gut, dass es zu einer Beziehung, zu einem Gespräch kommt - er spricht ihn als Sohn ( Luther) oder als Kind ( Gerechte Sprache) an.
Abraham reagiert sozusagen mathematisch - pädagogisch, wenn er zu ihm sagt:
Du hast in deinem Leben Gutes empfangen.
Lazarus hat in seinem Leben Böses erfahren.
Jetzt wird er getröstet und du erleidest Qualen.

Da ist mir zu schlicht - Ich weiß schon, dass damit an die Weherufe aus dem 6. Kap. erinnert wird. ( Selig ihr Armen, denn das Reich Gottes ist euer! Wehe euch Reichen, denn ihr habt euren Trost schon gehabt! Lk 6.20.24). Aber wer in seinem Leben Gutes empfängt verhält sich  ja nicht immer so wie der reiche Mann. Oder?
Es gibt ja auch eine Verantwortlichkeit, mit Geld um zu gehen ( s.Magdalene Frettlöh, Der Charme der gerechten Gabe in: Leget Anmut in das Gebende 2001)  Ein paar Zeilen vorher wird das erzählt . Der Verwalter wurde gelobt, weil er sich mit dem ungerechten Mammon Freunde gemacht hat - er hat ihnen Schulden erlassen! ( Lk 16,1ff)
Allerdings kommt danach dann doch der eindringliche Appell Jesu: „ Kein Knecht kann zwei Herren dienen... Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon."
Entscheidend ist die Verehrung des Geldes - nur noch zu ihm „ in Beziehung" zu stehen und alles von dem Geld und den Gewinnmöglichkeiten bestimmen zu lassen. ( „ Ökonomisierung aller Lebens- und Denkgewohnheiten").
Allein durch die Teilhabe der Verehrung des Mammons - wir würden heute sagen: an der Gewinnmaximierung - die die Aktien manchmal umso höher schnellen ließ, je mehr Menschen entlassen werden !- auf Kosten der Armen geschieht das Unrecht.
Interessante auch nichtbiblische Texte gibt es da. Z.B. von Plinius, dem Älteren. Er spricht von dem Verbrechen, das jener begann, der zuerst aus Gold einen Denar prägte. Er kritisiert die Gewalttätigkeit der Geldwirtschaft, deren Auswirkungen wir heute in der Finanz - und Wirtschaftskrise extrem spüren.
„ Aber vom Geld kam die erste Quelle der Habsucht, indem man den Zinswucher erdachte, und eine gewinnbringende Nichtstuerei und zwar nicht erst allmählich: es entbrannte mit einer Art von Raserei nicht mehr bloß Habsucht, sondern Heißhunger nach Gold." ( zit. bei L. Schottroff, S. 222)

Abraham spricht dann von einer großen Kluft, die nicht zu überwinden ist.
Die unsichtbare Kluft zwischen Reichen und Armen, die vor allem arme Menschen als sehr demütigend erleben. Es gibt wenig Möglichkeiten für Kinder aus armen Familien, so gefördert zu werden, dass sie nach ihren Fähigkeiten erfolgreiche Berufswege erreichen können. Es ist ja deprimierend, wie wenig Kinder aus ärmeren Familien studieren.
Von „ gleichen Bildungschancen" wird gesprochen - aber die Realität sieht oft anders aus - weil fast alle erweiterten Zugänge zu Bildung mit Geld verbunden sind. Dazu gehört auch Kino, Schullandheim etc...

Nun lässt der reiche Mann nicht locker: er fängt nun an, fürsorglich zu werden - und sorgt sich für die Zukunft seiner Familie - nicht um die Zukunft der Armen. Er will nicht, dass seine Familie ähnliches durchmachen muss wie er.
„ So bitte ich dich, Vater, schicke Lazarus in mein Elternhaus, denn ich habe 5 Geschwister, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual."
Abraham lässt sich aber nicht ein auf diese Bitte - sondern gut jüdisch sagt er:
 Sie haben Mose -also die Tora mit den Geboten und der Sozialgesetzgebung - und die Propheten - also die Visionen von Gerechtigkeit und die Warnungen gegenüber ungerechtem Handeln und Leben als Gotteslästerung. Darin steht alles.
Der reiche Mann kennst seine Geschwister - das Wort der Bibel genügt nicht, die wollen Zeichen sehen, was ganz spektakuläres, das einen dazu zwingt, anders zu werden.
„ Wenn einer von den Toten zu ihnen käme, dann würden sie Buße tun und umkehren."
„ Hören Sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde."

Abraham ist kompromisslos. Die Tora erzählt auf so unterschiedliche Weise, dass wir das, was wir haben, von Gott haben - unser Leben, unsere Fähigkeiten.
Und dass wir von Gott aufgefordert sind, uns gegenseitig zu unterstützen in der Förderung der verschiedenen Gaben. Wenn nun manche über die Maßen reich werden, dann bedeutet das , dass anderen etwas weggenommen wurde. Der zunehmende Reichtum in westlichen Ländern und die zunehmende Armut in vielen afrik. und asiatischen Ländern hängt doch auch damit zusammen, dass die Rohstoffe und die Arbeitsleistung nicht in gleicher Weise wertgeschätzt wurden mit einem reellen Preis, sondern diese Ware nur als minderwertig galt - also als billig. Billige Ware, billige Arbeitskräfte - das macht dann auch eine billige Würde aus.
Und da sind wir dann schnell dabei, gegen das 1. Gebot zu verstoßen: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Sklavenhaus Ägypten befreit hat. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Die Würde, die Gott jedem Menschen in gleicher Weise gibt, wird erniedrigt, wenn durch eine überhöhte  Gewinnmaximierung - v.a. wenn „ nur das Geld arbeitet"  - die Armut und damit die Erniedrigung bei anderen Menschen wächst.
Im Disput von Abraham und dem reichen Mann wird die Vision von Lukas deutlich:
Dass sich Reiche ( reiche Menschen, reiche Länder) auf die biblische Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit einlassen. Dazu gehört die regelmäßige Entschuldung wie beim Erlassjahr, die Steuer ( „OPFER") zur Unterstützung der Armen und für ein soziales Leben miteinander, ein fairer Umgang mit Löhnen und dem gemeinsam erarbeiteten Gewinn ( Arbeiter im Weinberg). Dass der reiche Kornbauer so kritisiert wurde hing ja auch damit zusammen, dass er die Gewinne der gemeinsamen Arbeit der Landarbeiter und Händler alleine gehortet hat - eine der Ursachen von Hungersnöten. So treibt der reiche Kornbauer die Armen in den Hunger. Ganz anders eben in der gemeinsamen Fürsorge für alle von dem ägyptischen Herrscher, der auch reich war, Josef! Seine Vorsorge in einer „ Ökonomie des Genug für alle" lässt ihn einen Plan entwerfen, wie die guten Ernteerträge ( Gewinne) so gesammelt werden können, dass davon in schwierigen Zeiten alle davon gut leben können. Das bleibt auch für uns heute im Umgang mit Reichtum und Armut ein gutes Beispiel.

Ganz am Schluss möchte ich Ihnen noch eine ganz andere Auslegungsmöglichkeit weitergeben, wie sie in dem kleinen Büchlein zu finden ist von Claudia Schulz/Gerhard Wegner, Wer hat, dem wird gegeben. S. 55ff.
Dort stimmt der Reiche - wohl nach dem für ihn frustrierenden Gespräch mit Abraham - ein Lied an: mit Wut gegen die Armen, die doch schon zu Lebzeiten viel deutlicher für sich selber eintreten könnten und somit den Reichen eine Chance geben könnten, schon beizeiten   an Gerechtigkeit erinnert zu werden..
„ ....
Die Kluft zwischen uns und euch -
Versteh sie einer, der noch am Leben ist!

Warum gebt ihr euch mit Krümeln zufrieden?
Seid ihr euch so wenig wert, habt alle Ansprüche verloren,
dass ihr nur nach dem Glitzer der Reichen schielt?
Unser Lebensbild - euer Heiligenbild,
vor dem kniend ihr das Leben verbringt.
Habt ihr damit Abrahams Schoß verdient?

Die Kluft zwischen uns und euch -
Versteh sie einer, der noch am Leben ist!

...
Wenigstens das: Verbündet euch!
So machen's alle, die was wollen.
Besorgt eine Lobby, malt Transparente:
„ Das blanke Leben reicht uns nicht!"
Und sagt es den Reichen zu Lebzeiten:
„ Unser Mangel sei eure Hölle!"

und dann weiter unten wird sein Zynismus zu einem Selbstmitleid

Das ist die Tragik meines Lebens:
Von meinen Steuern lebte das Land,
die Kranken  duldete ich vor der Tür.
Am Schluss soll ich die Rechung bezahlen
Für fremdes Scheitern - das führt dann zuletzt
Ausschließlich euch Schwache ins ewige Glück.

Die tiefe Kluft zwischen uns und euch -
Versteh sie einer, der noch am Leben ist!

Ihr Armen seht mich auf der andren Seite.
Meine Hölle: der Vorrang der Schwachen, dazu:
Engel, die für mich nichts übrig haben,
die trösten und bedauern anstatt zu loben, zu belohnen.
Diese Art von Weltgericht hilft euch Armen nicht.
Wem soll das auf Erden Beispiel geben?

Die tiefe Kluft zwischen uns und euch -
Versteh sie einer, der noch am Leben ist!

Das wollen wir tun - mit der Tora und den Propheten und den Evangelien:
Die tiefe Kluft zwischen Armen und Reichen überwinden im Namen dessen, der gesagt hat:
„ Ich bin gekommen, den Armen das Evangelium zu bringen."
Amen

Weiterführende Literatur:
Denkschrift der EKD Gerechte Teilhabe 2006
C.Schulz/ G. Wegner, Wer hat dem wird gegeben 2009
Magdalene Frettlöh, Der Charme der gerechten Gabe in: Leget Anmut in das Gebende 2001



Pfarrerin Esther Kuhn-Luz
Kirchl. Dienst in der Arbeitswelt in der Prälatur Stuttgart an der Ev. Akademie Bad Boll
E-Mail: Esther.Kuhn-Luz@ev-akademie-boll.de

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