Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Trinitatis, 14.06.2009

Predigt zu Lukas 16:19-31, verfasst von Stefan Henrich

Liebe Gemeinde,

der Evangelist Lukas, so heißt es, schreibt sein Evangelium für die Armen und Entrechteten. Lukas hat beißend  treffende Sozialkritik Jesu aufgenommen und wiedergegeben.

Nur Lukas weiß die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus wiederzugeben, die Jesus einmal erzählt hat.
Jesus erzählt mit dieser Geschichte vermutlich ein altes Märchen, das im Umlauf war in Israel, vielleicht hatte er das als Kind von seiner Mutter erzählt bekommen. ( zu dem Märchenmotiv vgl. Christfried Böttrich in GPM 92. Jg. 2003/5, S. 325 oder: Hans Klein, Das Lukasevangelium, KEK I/3, Göttingen 2006)
Das Märchen fängt an, wie Märchen so anfangen: Es war einmal ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen.
In Saus und Braus lebt der Reiche und dabei übersieht er, dass vor seiner Tür ein Bettler liegt, krank mit eiternden Wunden, man hört geradezu die Fliegen schwirren.
Nichts hat Arme zu verlieren außer einem Namen: Lazarus heißt er, das bedeutet „Gott hilft".
Der reiche Mann und der arme Lazarus haben nichts gemeinsam, außer dass sie sterben müssen, und da wendet sich im Märchen das Schicksal der beiden.

Der arme Lazarus wird getragen von Engeln und kommt in Abrahams Schoß, ein Ort der Sicherheit und des Friedens, ein Ort der Ruhe und Geborgenheit.

Vom Reichen heißt es, dass er begraben wurde und dann wie beiläufig, als sei das doch völlig klar, erzählt Jesus:
Und als er nun in der Hölle war, da hob er seine Augen auf in seiner Qual und nun endlich gelingt ihm das, was in seinem ganzen Leben nicht passierte. Er sieht den armen Mann. Der sitzt in Abrahams Schoß. Und gleichsam, als fürchte er sich, ihn direkt anzusprechen, so bittet der Reiche den alten Abraham, Lazarus doch zu senden zu ihm in die Hölle, wo es heiß ist und die Flammen lecken. Er soll zuvor seine Fingerspitze ins Wasser tauchen, um damit des Reichen Zunge zu kühlen.

Natürlich weiß jeder Zuhörer sofort das Unerhörte des Vorganges auf den Punkt zu bringen, indem er den moralischen Einwand gegen den Reichen vorbringt:
„Und du hattest nicht mal einen Brotkrumen über für den Armen, als der vor deiner Tür lag, geschweige denn Pflaster und Wundöl, du hast ihn ja nicht mal gesehen."

Abraham seinerseits weist durchaus folgerichtig die Bitte des Reichen ab. Zwei Gründe nennt er: Einmal ist eine große Kluft zur Hölle da, über die niemand kommt, und dann ist das, was jetzt passiert, als ausgleichende Gerechtigkeit zu verstehen. Der Reiche hat das Gute in seinem Leben empfangen, jetzt aber ist der Arme dran, Gutes zu empfangen.

Der Reiche versteht. Nur eine Bitte hat er noch:
Abraham soll den Lazarus doch senden in seines Vaters Haus, damit er seine Brüder warne. Sie sollen nicht den gleichen Fehler machen wie er, damit sie nicht das gleiche Versäumnis auf sich laden und in der Hölle landen.

Abraham fasst sich kurz in seiner Antwort. Sie haben Mose und die Propheten, die sollen sie hören, dann machen sie den Fehler nicht.

Der Reiche widerspricht:  Nein, das reicht nicht, aber wenn Lazarus von den Toten zu ihnen ginge, dann würden sie den Ernst der Lage begreifen und umkehren von falschem Wege.

Ein völlig unmärchenhaftes Ende folgt nun bei Lukas:
„Wenn sie Mose und die Propheten nicht hören, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde."

Liebe Gemeinde,
zwei Fragen: Warum erzählt Jesus dieses Märchen und soll diese Geschichte uns eine Beschreibung des Jenseits geben?

Antwort:
Warum womöglich Jesus gerade diese Geschichte erzählt, ergibt sich aus dem Erzählzusammenhang.
Jesus hatte gerade zwischen Geld und Gott unterschieden, hatte schneidend scharf offensichtlich doch reichen Leuten gesagt: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon."
Was folgt, ist wortwörtlich bei Lukas so aufgeschrieben:
„Das alles hörten die Pharisäer. Die waren geldgierig und spotteten seiner. Da sprach Jesus zu ihnen: Ihr stellt euch selbst gerecht hin vor den Menschen, aber Gott kennt eure Herzen, aber was hoch ist vor den Menschen, das ist ein Gräuel vor Gott." (Lk.16,13ff.)
 
Im weiteren Zusammenhang der Gedanken erzählt Jesus dann unsere Geschichte.
Offensichtlich will Jesus mit dem Märchen den Leuten, die ihn verspotten, die Nase kräftig gerade rücken und ihnen zur Mitmenschlichkeit zurück helfen:
Ihr, die ihr geldgierig seid, lauft Gefahr, euer Herz zu verlieren.
Dass Reichtum nicht glücklich macht, ist hinlänglich bekannt. Reichtum muss gepaart bleiben mit Menschlichkeit und Gebefreude, sonst gerät man in den Sog der oft so unverständlichen Armut der Reichen.
Geld kann einsam machen, weil eben jeder weiß, was der wahre Grund für angebliche Freundschaft oder für die neue Ehe ist.
Geld regiert die Welt und nicht Liebe, so könnte die Gefahr lauten, der Jesus erzählerisch wehrt.

Zweite Frage, die nach dem Jenseits:
Dieses Märchen birgt in sich zwar eine Geschichte vom Jenseits und alles zielt doch auf das Diesseits.
Dieses Leben ist im Blick, nichts sonst.
Wer immer der Beschreibung über das Jenseits zutraut, dass sie real zu nehmen ist im Hinblick auf das, was nach dem Tod geschieht, verkennt den Charakter und die Form der Geschichte.
Das Märchen als Märchen bedient sich der Motive von Hölle und Abrahams Schoß, um auf die Gestaltung des irdischen Lebens eindrücklich erzieherisch hinzuweisen.

Im Zuge dessen nimmt es einen Grundzug der Bibel auf, der verschärft und hoch akzentuiert bei Lukas herausgearbeitet wird.
Den Armen zuerst gilt die Zuwendung Gottes, den Mühseligen und Beladenen gelten der Trost und die Hilfe Jesu.
In der Nachfolge dessen sollen und dürfen wir leben. Einander zugewandt sollen wir sein und eben nicht abgewandt, die kalte Schulter zeigend.

Das Gesicht unserer Gesellschaft wird je menschlicher bleiben, je mehr wir uns an diese Lehre Jesu erinnern und sie beherzigen.
Also nicht: Wie behalte ich alles nach Möglichkeit für mich und bekomme immer noch mehr, sondern wie gebe ich, damit möglichst viele davon profitieren. So könnte der inne liegende Zug der Lazarusgeschichte etwas abstrakt ausgedrückt lauten.

Wir leben oftmals gerade nicht so...!

Zum Schluss: Wo finde ich diesen Lehrmeister der Liebe und des Gewissens?
Auch hier ist Jesu Antwort klar und knapp:
In der Bibel, sie ist die Lehrmeisterin, Nährmeisterin für Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit, im Geistesfeld ihrer Worte wächst einander zugewandtes Leben.
„Es ist dir gesagt Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott."

So steht es bei den Propheten, das qualifiziert zum Leben, zum geglückten und erfüllten. Amen 



Pfarrer Stefan Henrich
Viöl
E-Mail: Henrich-Vioel@web.de

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