Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Trinitatis, 21.06.2009

Predigt zu Lukas 14:15-24, verfasst von Jobst v. Stuckrad-Barre

(15 Als aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot ißt im Reich Gottes!)

16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.

17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!

18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muß hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.

19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.

20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.

21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.

22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.

23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, daß mein Haus voll werde.

24 Denn ich sage euch, daß keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.

 

Dazugehören! Wie uns das guttut. Genauso gern möchten wir uns unterscheiden von „den Andern". Obenan sitzen, mit zu den Guten, Angesehenen, den „Gerechten" zu gehören - dafür tun wir (fast) alles. Und gucken ´scheel´, wenn das nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen. Verdoppeln womög­lich unsere Bemühungen, kraxeln und treten, schimpfen dabei, ohne genauer hinzusehen, auf  die an­dern mit ihrer Gier, jetzt gerade mal wieder auf Banker und Manager, strampeln und rennen.

Und hören und sehen nicht, was sie uns bedeuten, sie, die Nächsten, das Leben, Gott.

Von ihm erzählt Jesus, von seiner großen Einladung zum Festmahl. Daß er seinen Knecht sendet, um die Eingeladenen abzuholen.

Und keiner kommt.

Die Konfirmation, zu der ich vor wenigen Wochen eingeladen war; der Gottesdienst eine große Freude, besonders die Predigt, in der der mir unbekannte Pastor es vorbildlich fertigbrachte, die Jugendlichen wie die Erwachsenen im Geiste des Bibelwortes anzusprechen, gerade weil er sich nicht außen vor ließ; einziger Wermutstropfen das Abendmahl, bei dessen Feier so viele der Geladenen auf ihren Plätzen blieben, aus welchen Gründen auch immer, vielleicht weil in der katholischen Stadt viele der Verwandten und Freunde als Katholiken nicht zum evangelische Abendmahl zu gehen wagten...; die andre Vermutung, es waren ungewöhnlich viele Familien mit Angehörigen russischer Sprache dabei, möglicherweise fühlten sie sich ungewohnt im Ablauf, im Gottesdienst überhaupt. Keiner dieser Gründe kann einen unbeschwerter machen.

Sind wir das, diese Meister im Entschuldigen: Ackerkauf, Ochsenkauf, Frauen-, nein, nicht Frauen­kauf, aber es klingt beinah ebenso geschäftlich, kurz - wir sind zu beschäftigt, unabkömmlich. Die Entschuldigungen sind so plausibel. Warum soll dieser Mann nicht eben seine Frau besu­chen. Unsere Arbeit, Familie, Freunde, Freizeit, all das geht vor, die Einladung hat doch Zeit. Tausend  Entschuldigungen fallen uns ein, warum wir gerade wieder keine Zeit haben, für uns selbst, für das Fest, für das Leben vor Gott. Außerdem ist heut nun wirklich kein großer Festtag, sondern nur ein ganz gewöhnlicher Sonntag nach Trinitatis.

Keiner kommt.

Der Zorn des Einladenden - nur zu verständlich. Entsetzt und mit großer Schärfe erkennen und befinden wir, warum sie, die andern, jeweils nicht kommen: Die Juden, die Pharisäer, die Frommen von damals und heute, die Reichen, die Eliten, die... Wir. Ehe wir uns hoffnungslos verheddern und anklagend um uns selbst herumlaufen, bleiben wir doch lieber bei dem, der diese große Einladung ausgesprochen hat: Sein Zorn, der uns so berechtigt erscheint, bringt ihn dazu, die Einladung immer mehr zu erweitern und zu präzisieren: Die ganze Stadt, ja die Umgegend wird einbezogen. Die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen, sie sind gemeint. Daran liegt ihm. Von Anfang an.

Eine merkwürdige Art, seinen Zorn zu stillen. Nur so können wir von Gottes Zorn reden - nicht die Vernichtung, das Leben der Menschen liegt ihm am Herzen. Sein Haus ist größer und weiter, als wir es uns vorstellen in unserm ständigen Bemühen, dazuzugehören und uns selbst dabei wiederum abzugrenzen... Es ist noch Raum da.

Welche Verkrampfung dabei möglich ist, zeigt die (Un-)Geschichte des Toleranzpreises in Hessen, in der ein herausfordernder Artikel Navid Kermanis durch die Absagen der Altbischöfe beantwortet wurde, ein kaum gut aufzulösendes Gemenge. Jeder sieht sich in seiner Zugehörigkeit, in seiner Identität bedroht. Ob kleine oder große Ökumene, der Weg scheint unendlich weit. Doch wir sind - eingeladen.

Wo aber sind denn wir?

Unter den Ersten, die die Letzten sind - oder unter denen, die als die Letzten gelten und sich zuerst  wiederfinden im großen Haus Gottes? Da ist ein schier unablässiger Wandlungsprozeß in Gang. Gott geht aus sich heraus. Sein Haus - so groß, daß es uns alle miteinander faßt, die ehedem Ersten, die gerade noch Letzten, die Ausgeschlossenen und die noch nie Geladenen. Wir kommen ins Grübeln. Sollte die Großherzigkeit des Einladenden erneut in Verbote und Ausschlüsse auf unserer Seite münden? Oder können wir nun nicht Gottes große Einladung ganz gewiß und ganz von Herzen so verstehen, daß es nicht mehr heißt: Keiner kommt. Sondern:

Keiner kommt zu kurz!

Also keine Angst vor Preisgabe der Identität, vielmehr  finden wir uns als Christen gerade darin wieder, daß wir über unsern Schatten springen können, uns entfeinden lassen und für andere da sind wie für uns selbst, nicht exklusiv, auch nicht inklusiv, wohl aber als Geliebte und Geladene. Der sich auf die Verbogenen und Verborgenen eingelassen hat, im Sohn, im Kreuz unüberbietbar bestätigt, der ist uns gut. Wir bleiben nicht außen vor, sondern lassen uns einladen. Im Geist der Versöhnung, der Freude Gottes an seiner Schöpfung. Er hat sich aufgemacht, warum sollten wir uns verschließen?

All unsere Kirchen und Kapellen, Tempel oder Dome können doch nur Zeichen sein für das Haus, das er füllen, in dem er feiern will. Mit uns und all den andern, die dazugehören.

Amen.



Pastor Jobst v. Stuckrad-Barre
Hannover
E-Mail: Jobst.vonStuckrad-Barre@gmx.de

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