Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Trinitatis, 21.06.2009

Predigt zu Lukas 14:15-24, verfasst von Christoph Maier

Liebe Gemeinde,

es war einer dieser Momente in denen einem Sekunden wie Minuten vorkommen, wo sich die Peinlichkeit schneller ausbreitet als jedes Wort, was die Situation retten könnte. „Kommt, denn es ist alles bereit - schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist." Die Worte hallten noch nach im fast leeren Kirchenraum, aber nichts tat sich. Niemand stand auf, verlegen schaute einer zum anderen. Hilflos suchte der Pfarrer die Reihen ab: Lisa, die einzige Konfirmandin des Orts, durfte noch nicht. Frau M. ist katholisch, sie wird nicht kommen. Die Küsterin und ihr Mann haben schon bei der Vorbereitung des Gottesdienstes gemahnt, dass doch erst im letzten Gottesdienst das Abendmahl gefeiert wurde, und dass das nicht nötig sei - sie würden auf jeden Fall nicht schon wieder kommen, und so dachten wohl auch die Hand voll Anderer, die an diesem Sonntag noch zum Gottesdienst gekommen waren.

Stell dir vor es ist Abendmahl und keiner geht hin:

„Als aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!
Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.
Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.
Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.
Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.
Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.

Um den Gastgeber mache ich mir keine Sorgen, obwohl ich Ihn gut verstehen kann in seinem Zorn. Wer sich in der Kirchgemeinde engagiert, kennt das doch nur zu gut. Da wird liebevoll geplant, vorbereitet, eingeladen, Kuchen gebacken, was Neues überlegt und dann ... kommt keiner. Aber um den Gastgeber brauchen wir uns in diesem Fall keine Sorgen zu machen. Er will sein Haus voll kriegen und er schafft es auch.
Sorgen sollten uns die Anderen, Diejenigen, die die Einladung ablehnen, die wichtigeres zu tun haben, als zu kommen. Ihnen scheint die Einladung nichts Wert zu sein. Vielleicht hätte der Gastgeber Eintritt verlangen sollen, denn nur was etwas kostet, ist heutzutage auch was Wert. Aber auch diejenigen, die nicht kommen, kann ich irgendwie verstehen. Muss es nicht letztlich jedem selbst überlassen bleiben, wie er und sie die Prioritäten setzt. Schließlich leben wir in einem freien Land. Es gibt doch kaum etwas nervigeres als Menschen, die von sich so überzeugt sind, dass sie überhaupt nicht nachvollziehen können, warum jemand andere Überzeugungen hat, andere Prioritäten setzt, eine andere Partei wählt, seine Freizeit mit anderen Dingen verbringt. Der Mathelehrer, kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass sich jemand für Kunst begeistern kann, die Schwiegermutter kann überhaupt nicht gut finden, dass die Schwiegertochter ein Jahr nach der Geburt des zweiten Enkels wieder arbeiten will, Der Pfarrer im Konfirmandenunterricht hat null Verständnis dafür, dass die Fußballmannschaft schon Sonntags früh zu Tournieren fährt und auf Ihren besten Mittelfeldspieler nicht verzichten kann.

Jesus ist auch so einer, der absolute Prioritäten setzt: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein." - Als Jesus vom Gastmahl aufgestanden war, bei dem er das Gleichnis vom großen Gastmahl erzählt hatte, als er sich wieder auf den Weg machte, da kamen die Leute. „Eine große Menge ging mit Ihm" so heißt es unmittelbar im Anschluss an den Predigttext. Und denen schleudert er diesen Satz entgegen, fordert bedingungslose Nachfolge und fordert dann auch noch auf, gut abzuwägen, ob wir das können. „Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, um es auszuführen."

Das ist doch Paradox. Die Eingeladenen können sich selbst entscheiden und wollen nicht kommen. Und denen, die kommen wollen, lässt Jesus keine Wahl, weil er den Preis viel zu hoch ansetzt.
„Kommt denn es ist alles bereit." Was kostet es zu gehen? Was kostet es der Einladung zu folgen? Der Verzicht auf Acker, Vieh und Weib? Können wir uns für die Nachfolge entscheiden? Ist das wirklich der Preis?
Leichter haben es die, auf den Plätzen der Stadt, die von den Hecken und Zäunen, die weder Äcker, Vieh noch Familie haben. Sie wägen nicht ab, sie beurteilen nicht nach Kosten und Nutzen, Sie werden genötigt zu kommen und zu feiern.

Von seinem Arbeitsplatz aus konnte er die Kräne und Bagger sehen, die großen Lkws voll Dreck und die Betonmischer. Sorgen bereitete es Ihm vor allem, wenn eine dieser großen Baumaschinen still stand. Dann ratterten vor seinem inneren Auge die Zahlen und er überschlug, was der Ausfall wohl kosten wird, und wie sich das auf den eng gestrickte Zeitplan auswirkt. Als Projektsteuere für das neue Logistikzentrum hatte er keinen einfachen Job. Von oben kam der Druck den Kostenrahmen und den Fertigstellungstermin unbedingt einhalten zu müssen, von seien Leuten unten auf der Baustelle wusste er, dass sie unmöglich noch mehr arbeiten konnten. Jede Entscheidung, die er traf, konnte enorme Auswirkungen haben - für die da unten und deren Arbeitsplatz, aber auch für die da oben und deren Geldbeutel. Manchmal freute er sich über die verantwortungsvolle Aufgabe immer häufiger aber wünschte er sich, einmal keine Entscheidung mehr treffen zu müssen, den Job einfach hinzuschmeißen. Aber er musste ja seine Familie ernähren, und die Raten für das Haus abbezahlen.
Als er zu Hause die Tür aufschloss, kam ihm seine Tochter schon im Schlafanzug entgegen. „Papa, wir wollten doch heute zusammen die Einladungskarten basteln für meinen Kindergeburtstag." - Die Geburtstagsfeier am Wochenende, die hatte er total vergessen. Für seine Tochter gab es seit Wochen nichts Wichtigeres als diese Feier. Immer und immer wieder erzählte sie davon, wen sie einladen wollte, von den Schockomuffins mit Smarties, die sie backen wollte, vom Topfschlagen und den anderen Spielen.
Als er in die enttäuschen Augen seiner Tochter blickte, war ihm klar, dass er heute kurz nach 17.00 Uhr eine falsche Entscheidung getroffen hatte.

„Komm, denn es ist alles bereit." Stell dir vor, das Leben ist ein Fest und keiner hat´s bemerkt.

Amen



Pfarrer Christoph Maier
Leipzig
E-Mail: christoph.maier@evlks.de

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