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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

5. Sonntag nach Trinitatis, 12.07.2009

Predigt zu Lukas 5:1-11, verfasst von Thomas Volk

Liebe Gemeinde!
„Das ist ja hier ganz anders", sagte einer der Goldenen Konfirmanden, als er nach vielen Jahren wieder in seine Heimat kam.
„Das ist ja ganz anders." Da stand doch das Haus, in das ich damals ein und aus gegangen bin. Da war doch an der Ecke früher mal ein Geschäft, in dem ich immer die Milch geholt habe. Und dass mal eine Umgehungsstraße käme, hätte zu meiner Zeit niemand gedacht.

„Das ist ja ganz anders." Manchmal kann man das mit leichtem Herzen sagen, vor allem dann, wenn man merkt, dass etwas leichter als gedacht von der Hand geht. Die neue Fernbedienung ist doch gar nicht so schwer zu bedienen. Die Kinder haben das Schuljahr doch besser geschafft als anfangs befürchtet. Und auch in der Reha ist es ganz anders verlaufen. Viel eher habe ich die Gehhilfe gar nicht mehr gebraucht.
Aber häufig kommen Worte, dass es anders geworden ist, nur mit einem bitteren Beigeschmack über die Lippen. Vor allem dann, wenn etwas nicht mehr so ist, wie es uns vertraut und für uns auch gut war und weiterhin auch so hätte bleiben können.
Es ist anders geworden. Mit den eigenen Kräften, die immer mehr abnehmen. Mit den Wünschen und Zielen, die man damals hatte. Anders gekommen mit der Gesundheit, mit der Ehe, mit der Freunschaft, um die man sich doch so bemüht hat.
Wenn es so anders kommt, kann man ganz schön durchgeschüttelt werden. Und manchmal verliert man auch den Boden unter den Füßen. Wir hoffen dann, dass Gott uns die Kraft schenkt, um wieder aufzustehen, damit wir neue und ganz andere Wege ausfindig machen können.
Ich möchte Ihnen heute Morgen von einem erzählen, bei dem es im Leben einmal ganz anders gekommen ist. Es ist Petrus. Er ist deshalb in eine Krise geraten. Das Evangelium für den heutigen 5. Sonntag nach Trinitatis erzählt aber auch, wie er da wieder herausgekommen ist. Hören Sie aus dem Lukasevangelium, aus dem 5.Kapitel, die Verse 1-11:
... .

Würde man Petrus anfangs fragen, was denn anders werden soll, so wüsste er die Antwort. Eigentlich gar nichts. Es soll so bleiben, wie es ist. So wie wir es ebenfalls sagen würden, wenn wir uns zu Hause eingerichtet haben, wenn die täglichen Abläufe gelingen und Sicherheit geben, und wenn man mit dem Geld auch gut über die Runden kommt.
Auch bei Petrus soll es so bleiben. Vor allem jetzt, wo er wieder auf die See hinausfährt und auf einen guten Fang hofft.
Ich kann Petrus gut verstehen, weil ich ja auch möchte, dass die Netze weiterhin voll sind und bleiben. So wie Petrus dort das volle Fischernetz, hoffe ich heute auf die vollen Einkaufsnetze und die guten Verkehrsnetze - das tragfähige soziale Netz - das gute Versorgungsnetz der Renten trotz Finanzkrise und der sozialen Absicherung im Krankheitsfall - das Netz der Arbeitsstellen, wo jeder irgendwo seinen Platz findet - und weiterhin das verlässliche Friedensnetz.
Oder ganz privat das Netz der guten Beziehungen für unsere Familie, das Netz von Liebe und Vertrauen und Aufrichtigkeit und Fürsorge füreinander.
Und in der Kirche das Versorgungsnetz mit Kirchensteuer und Planstellen In der Gemeinde die vollen Kirchenbänke und vollen Klingelbeutel und gut besuchten Jugendgruppen.
Ein schlimmer Gedanke, wenn eine plötzliche Flutwelle verschlingen würde, was wir meinten, schon an Land gezogen zu haben. Niemand möchte dahin kommen, dass es anders wird, dass die vollen Netze wieder entgleiten.

Aber das kann es auch geben: Es kommt ganz anders. Hoffnungen können verloren gehen, zerplatzen von einem Augenblick auf den anderen, reißen wie ein Netz. Und auf einmal steht man mit leeren Händen da, fassungslos, sieht kein Land mehr, kein rettendes Ufer.
Petrus kommt in dieser Erzählung an den Punkt, an dem er auch nichts mehr sieht. Und er will auch nicht noch einmal hinausfahren. "Wir haben doch die ganze Nacht gefischt und nichts gefangen" (V.5a). Und so sitzt der mit den anderen Fischern am Ufer und versucht wenigstens die Netze zu flicken, die gerissen sind.
Das gehört zu den Schattenseiten unseres Lebens, dass es mit einem Mal anders werden kann, dass wir ohne guten Fang dasitzen müssen und versuchen in Ordnung zu bringen, was auseinandergebrochen ist.
"Ich habe mich doch so gemüht, um die Kinder. Aber jetzt habe ich das Gefühl, ich erreiche sie überhaupt nicht mehr.
"Ich habe mich doch so angestrengt, um ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn aufzubauen, und jetzt dieser schlimme Streit."
Wie sehr habe ich diesem einen Menschen vertraut. Und jetzt diese Enttäuschung.
Was habe ich gelernt auf die Prüfungen und dann ist das schlechte Zeugnis herausgekommen.
Was habe ich nicht jahrzehntelange alles getan, um meinen Betrieb durch alle Höhen und Tiefen zu führen - und dann diese mächtige und vernichtende Konkurrenz.
Wie viel Tränen und Gebete, dass alles wieder gut wird. Und jetzt alles umsonst!?

Hemingway hat einmal die Geschichte von dem alten Mann erzählt, der auf das Meer hinausfuhr und den Fang seines Lebens machte, nach unvorstellbaren Anstrengungen. Doch dann kommt es auch für ihn anders. Der riesige Fisch im Schlepptau wird nach und nach von den Haien zerrissen. Am Schluss rudert er mit dem Skelett in den Hafen. Das Gute ist abgenagt.
Gott erspart uns das nicht. Dass wir manchmal an einen Punkt und feststellen müssen: Nein, das war es nicht. Mir ist etwas abhanden gekommen, was mir ganz sicher schien, was ganz fest zu mir gehört hat und worauf ich so gebaut habe.

Für mich ist es ein sehr schönes Bild, dass gerade dort, wo Petrus etwas Wichtiges aus den Händen entglitten ist, Jesus da ist. Für Petrus ist es ganz entscheidend, dass Jesus genau dort ist, wo es ganz anders gekommen ist, wo niemand mehr Land sieht, wo auch keiner sagen kann, was jetzt noch helfen kann.
Und für ihn ist es folgenreich, dass Jesus zu ihm diesen einen Satz sagt: "Fahr trotzdem noch einmal aus. Fahr hinaus auf den See. Und werfe deine Netze aufs Neue aus" (V.4b).
Mache dich auf! Versuche es noch einmal, auch unter neuen und ganz anderen Vorzeichen! Denke niemals, dass nun alles vorbei ist! Auch wenn immer wieder manches anders kommen kann - und auch werden wird -, entwickle das Vertrauen, dass Gott neue Lebensmöglichkeiten schaffen kann, die weit über das hinausgehen, was man selbst gerade sehen kann"
„Vertrau den neuen Wegen" (EG 395), auch wenn du die neue Etappe noch nicht ganz ausmachen kannst.
Petrus kennt sie auch nicht, aber er spricht einen wichtigen Satz: "Auf dein Wort, Herr, will ich die Netze noch einmal auswerfen" (V.5b).
Auf dein Wort hin versuche ich es noch einmal. Auf dein Wort hin will ich mich erneut aufmachen, will mein Leben noch einmal neu ordnen, will versuchen, die verstreuten Puzzleteile meines Lebens neu zusammenzubringen.
Darauf kommt es doch an. Dass wir uns nicht blenden lassen, wenn es einmal anders kommt. Dass wir nicht meinen, dass das Leben nun keine Qualität mehr hat, wenn uns dies eine abhanden gekommen ist.
Dann ist es wichtig, aufzuschauen und ihn zu sehen, den Sohn Gottes, der überall dorthin geht, wo es anders geworden ist. Und dann das Vertrauen aufbringen, dass er neue Lebensmöglichkeiten schaffen kann - hoffen, dass er auch auf krummen Zeilen gerade schreiben kann.

Es ist müßig zu fragen: „Was wäre wenn ...." Was wäre gewesen, wenn Petrus gesagt hätte: "Ich werfe die Netze nicht mehr aus. Ich kann einfach nicht mehr. Ich habe völlig aus den Augen verloren, wo ich hin möchte. Es hat ja doch alles keinen Zweck mehr." Petrus hat es einfach gemacht und erfahren wie Gottes Möglichkeiten für uns immer größer sind als die, die wir gerade ausmachen. Die Bibel sagt dazu „Gnade".
„Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es" (Eph.2, 8), sagt der Wochenspruch für diese neue Woche.
Die Geschichte vom Fischfang erzählt in diesem Zusammenhang, dass - als die Netze dann doch wieder voll gewesen sind - doch noch einmal beinahe der Einbruch gekommen wäre. Fast wäre das Boot untergegangen und beinahe wären die Netze zerrissen. Da erkennen die Fischer dort auf dem See, dass es nicht an der Zeit ist, sich auf die Schultern zu klopfen und zu sprechen. Nun haben wir es doch selbst hinbekommen. Sie erkennen, dass es Zeit ist, sich bewusst zu machen, wie viel Gnade im Leben mit dabei ist.
Im Roman „Der Stechlin" von Theodor Fontane findet sich der Hinweis: „Man erringt sich nichts. Alles ist Gnade." So ist auch jeder Tag, den man besteht, wenn es einmal anders gekommen ist, ein Tag, an dem Gottes Gnade spürbar gewesen ist. Wie viel Kraft zum Durchhalten habe ich doch bekommen? Wie viele Energien sind mir zugewachsen? Wie bin ich dann doch auf die Spur gekommen, die mich dann auch wirklich weitergebracht hat, so dass ich im Nachhinein nur noch dankbar staunen kann?

Aus der Geschichte lese ich auch heraus, dass die Menschen, die solche Gnadenspuren in ihrem Leben entdecken, auch die Fähigkeit entwickeln können, anderen Mut zu machen.
Aus diesem Grund lässt sich Petrus auch diese Worte Jesu gefallen, wenn ihm gesagt wird: "Fürchte dich nicht! Du sollst Menschen fangen!" Nicht so, wie es auf Erden Tag für Tag unzählige male geschieht, um sie auszunutzen, sie zu erpressen oder klein zu halten. Petrus soll Menschenfischer werden, um die Liebe Gottes weiterzureichen, die gerade dann da ist, wenn es anders wird im Leben.
Menschenfischer heute? Das sind für mich Zeitgenossen, die da sind, wenn Menschen alles zu entgleiten droht, die trösten und aufbauen, die neue Möglichkeiten anbahnen. Das sind all die, die ein Vertrauen zu dem Sohn Gottes aufbauen können, das weiterhilft.

Wir heute müssen dabei nicht alles verlassen wie Petrus damals. Vielleicht müssen wir einiges loslassen. So wie wir auf unserer Lebensreise nicht immer alles Gepäck mitnehmen können. Je älter wir werden, desto mehr müssen wir manches Gepäckstück ablegen, weil wir nicht mehr so viel tragen können. Solches Ablegen kann ja auch hilfreich sein, dass wir nicht aus allen Wolken fallen, wenn es bei uns einmal anders wird.
Vielleicht müssen wir begreifen, dass wir einfach nicht mehr die Fitness wie vor zehn Jahren haben. Oder manchmal kürzer treten müssen. Oder uns einstellen müssen, dass die Kinder einmal aus dem Haus gehen und es ein Leben danach gibt.
Kann sein, dass Gott uns einiges zumutet. Besitzstandswahrung hat jedenfalls Christus den Seinen nicht versprochen. Und Patentrezepte wie man sich im Falle eines Falles zu verhalten hat, gibt es auch nicht, weil alleine schon unsere Lebenswege ganz unterschiedlich sind.
Auf alle Fälle wird Jesus, der Christus, mit dabei sein, wie damals bei Petrus. Mit dabei sein mit unzähligen Gnadenerweisen. Und wir dürfen vertrauen, dass seine Möglichkeiten gute und gnädige sind.
Und die Weite Gottes, die umfassender und höher und tiefer ist als alles menschliche Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.



Pfarrer Thomas Volk
Marktbreit
www.marktbreit-evangelisch.de
E-Mail: thomas.volk@elkb.de

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