Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

5. Sonntag nach Trinitatis, 12.07.2009

Predigt zu Lukas 5:1-11, verfasst von Heidrun Strippel

Haben Sie schon mal ein Netzwerk aufgebaut? Sind Sie Multiplikator oder Multiplikatorin für einen bestimmten Zweck? Oder haben Sie schon mal von einer Zelle gehört - nein, keine Terrorzelle, eine kleine Zelle, die etwas weiter gibt?

Um so eine Geschichte geht es heute. O.k. - nicht in unserer Sprache. Oder doch. Ich lese aus der Volxbibel nach Lukas 5. Da heißt es:

„Irgendwann hielt Jesus mal eine Predigt vor tierisch vielen Menschen am See Genezareth. Alle wollten Worte von Gott hören. Bevor er loslegte, sah er zwei Boote, die am Ufer festgemacht hatten. Die dazugehörigen Fischer waren gerade dabei, sich um die Netze zu kümmern, und waren deswegen an Land gegangen. Jesus stieg in eins der Boote und fragte den Besitzer (der hieß Simon), ob er ihn mit dem Boot in eine günstige Position bringen könnte, damit alle ihn vom See aus besser hören könnten. Von dort redete er dann zu den Menschen."

Da redet einer vor „tierisch vielen" Menschen. Das möchte ich auch mal! Vielen Menschen sagen, was wichtig ist im Leben. Was gut für sie ist und was nicht. Was sie weiter bringt - und was sie behindert. Und was Jesus denen wohl gesagt hat? Komisch, dass gar nichts davon erzählt wird. Das hätte mich jetzt schon interessiert, denn die tierisch vielen Menschen haben ja offensichtlich zugehört. Oder ist das so: Da hält man eine tolle Predigt - und keiner hört zu? Oder - gibt es einfach andere Dinge, die die Aufmerksamkeit fordern?

„Anschließend meinte er zu Petrus: „Jetzt fahr mal auf den See raus, und fisch noch mal ´ne Runde! Da geht heute noch was!" „Meister", antwortete Petrus, „wir haben uns letzte Nacht schon die Finger wundgefischt, und da ging gar nichts. Aber okay, weil du es sagst, probieren wir es noch mal!""

Und wieder paddeln oder segeln sie raus auf den See. Die ganze Nacht haben sie das schon gemacht, aber nichts gefangen. Nichts und nichts. Radar, Echolot, Treibnetze - alles damals noch unbekannt. Fischfang? Glückssache.
Deshalb lassen sie sich wohl auch darauf ein. Vielleicht versteht Jesus nicht nur vom Predigen etwas!

„Sie fuhren wieder raus, warfen die Netze aus und fingen so viele Fische, dass die Netze fast gerissen wären! Schnell riefen sie die andern Fischer zu Hilfe, die auch mit ihrem Boot ankamen. Beide waren am Ende so voll mit Fischen, dass sie fast abgesoffen wären."

Ein Wunder! Die Netze platzen aus allen Nähten, Jesus hat recht gehabt: Da geht noch was! Mehr als sonst in einer ganzen Woche haben sie gefangen, unfassbar! Wie kommt das? Gibt es dafür eine Erklärung?

„Als Petrus kapierte, was da gerade passiert war, kniete er sich vor Jesus hin und sagte zu ihm: „Meister, bitte verschwinde. Ich bin ein zu großer Dreckskerl, ich bin es nicht wert, dass du in meiner Nähe bist." Er war einfach total geplättet von dieser riesenfetten Beute, die sie da gerade gemacht hatten, und den anderen wie Jakobus und den Söhnen vom Zebedäus, ging es genauso."

Ein Dreckskerl ist er. So einen heiligen, einen besonderen Mann wie Jesus will er lieber nicht in seiner Nähe haben. Wer weiß, was einem da alles passieren kann! Wenn Jesus in der Lage ist zu sehen, was im See noch geht - dann hat er wohl so eine Art Röntgenblick, guckt in einen hinein und sieht alles! Und jeder weiß doch, was er alles falsch macht, schuldig bleibt, nicht kapiert. Aber:

Jesus sagte zu Petrus: „Keine Angst! Ab jetzt wirst du Menschen an die Angel kriegen!" Sie legten dann mit den Booten wieder an Land an und folgten Jesus."

Wow - Menschen an die Angel kriegen. Eine ganz neue Arbeit fängt da an - Menschen von Jesus erzählen und sie zu ihm führen. Nun sagen Sie vielleicht: Menschen an die Angel kriegen - wie schlimm ist das denn! Aber da hilft ein Blick in den griechischen Originaltext. Da ist vom Menschenfangen die Rede. Menschenfischen bedeutet: Die Fische sind dann tot. Menschenfangen heißt: Sie leben.

Gut, in unserer heutigen Denke ist auch das nicht wirklich verlockend. Wer will schon gefangen werden. Andererseits: Wenn uns etwas gefangen nimmt, unwiderstehlich ist, unser Herz mit Beschlag belegt, dann sind wir ganz erfüllt davon. Es geht dann kein Weg daran vorbei: Unser Leben hat eine neue Wendung genommen, einen neuen Inhalt, neue Werte. Und das ist genau das, was gemeint ist.

Menschen überzeugen, ihre Herzen ansprechen, das ist bis heute eine schwere schöne Aufgabe. Und um das auch mal klar zu sagen: Das ist unser aller Aufgabe. Es ist nicht nur Jesus, der die Menschen anspricht. Nein, er sucht sich Andere, die ihm helfen. Allein ist diese Arbeit nicht zu schaffen - damals nicht, heute nicht.

Aber gibt es etwas Schöneres? Wenn ein Kind gespannt einer biblischen Geschichte lauscht; wenn ein Jugendlicher versteht, wie viel Liebe in der Bibel steckt; wenn ein Erwachsener Trost und Hilfe aus einem Bibelvers erfährt. Und so sind wir es, die Jesus an diesem Morgen in seinen Dienst ruft. Wir sollen weiter sagen, was wir hören: Dass Jesus das Zentrum, die Mitte unseres Lebens sein will - und dass er das schafft, indem er sagt:

„Jetzt fahr mal auf den See raus, und fisch noch mal ´ne Runde! Da geht heute noch was!"

Das ganz Wunderbare an dieser Geschichte liegt aus meiner Sicht nicht in einem moralischen Appell, nicht in einer Aufforderung, nicht in einer schlichten Übersetzung. Hier bricht Gottes Wirklichkeit ein in einen frustrierenden, ärmlichen und oft genug erfolglosen Alltag - und da sind wir mit gemeint. Habt Ihr Euch schon für ein Schulfach angestrengt und gelernt und trotzdem eine schlechte Note zu erwarten? Haben Sie schon einmal mit Menschen- und mit Engelszungen Anderen zu helfen versucht? Oder auch schon von Gott erzählt, immer wieder, und dieser Mensch glaubt immer noch nicht?

Gottes Wirklichkeit kann wie ein Wunder unseren Alltag übertreffen und unser ganzes Leben umkrempeln. Ganz plötzlich kann etwas passieren, mit dem man nicht gerechnet hat - und das alles ändert. Ein solcher Moment kann ausreichen, um alles zu ändern und einem zu zeigen: Gott ist wahrhaftig bei mir.

Denn auch uns schaut Gott ganz genau an und sagt:
 
„Jetzt fahr ich mal auf deinen See raus, und fische noch mal ´ne Runde! Da geht heute noch was!"

Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

(Zitate aus: Die Volxbibel Neues Testament 2.0, Köln 2007 4. Auflage)



Pfarrerin Heidrun Strippel
Neuberg
E-Mail: H.Strippel@freenet.de

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