Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 19.07.2009

Predigt zu Matthäus 28:16-20, verfasst von Ludwig Schmidt

16 Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

 

Liebe Gemeinde!

Christliche Mission wird heute oft heftig kritisiert. Viele Leute sagen: Jeder soll nach seinem Glauben und nach seinen Überzeugungen leben. Es ist nur wichtig, dass er bestimmte Regeln befolgt, damit er andere nicht schädigt und Menschen friedlich miteinander leben können. Mit der Religion mag es jeder halten, wie er oder sie es will. Daran ist richtig, dass man nicht versuchen darf, jemand den christlichen Glauben aufzuzwingen. Das hat die Kirche in der Vergangenheit leider oft nicht beachtet. Es gab Zeiten, in denen unter Einsatz von Gewalt versucht wurde, Menschen zu Christen zu machen. Aber Leute, die unter Zwang Christen werden, glauben nicht wirklich an Jesus. Sie müssen nach außen hin Christen sein, aber in ihren Gedanken und in ihren Taten stehen sie dem christlichen Glauben fern. Christliche Eltern können ja ihren Kindern ihre Überzeugung auch nicht aufzwingen. Spätestens wenn die Kinder von ihren Eltern nicht mehr abhängig sind, werden sie ihre eigenen Wege gehen. So mancher, dem als Kind der Glaube an Jesus aufgezwungen werden sollte, wurde später zu einem erbitterten Gegner des christlichen Glaubens. Man kann und darf den Glauben an Jesus nicht erzwingen wollen. Bei aller berechtigten Kritik an einer Missionspraxis, bei der die Annahme des christlichen Glaubens erzwungen werden sollte, dürfen wir freilich nicht übersehen, dass Christen auf die Weitergabe der Botschaft von Jesus und damit auf Mission nicht verzichten können. Es würde heute keine christliche Kirche geben, wenn nicht Menschen ohne Gewalt für den Glauben an Jesus geworben hätten, nachdem er von den Toten auferstanden war. Stellen Sie sich einmal vor, die Jünger Jesu oder der Apostel Paulus hätten sich, nachdem Jesus ihnen erschienen war, damit zufrieden gegeben, dass sie wussten, dass Jesus lebt, und dass sie an ihn glauben konnten. Dann wäre der christliche Glaube mit ihrem Tod erloschen. Aber sie waren überzeugt, dass sie die Botschaft von Jesus weiter sagen mussten, um so andere Menschen für den Glauben an ihn zu gewinnen. Sie verfügten über keinerlei Macht, sondern sie wurden für ihren Glauben und ihre Mission verschiedentlich angefeindet und verfolgt und einige wurden getötet, weil sie der römische Staat für gefährlich hielt, obwohl sie an politischer Macht kein Interesse hatten. Diese Mission ohne Zwang gab es in der Geschichte der Kirche immer wieder. Auch viele Missionare, die in ihrem eigenen oder in einem fremden Volk friedlich für den Glauben an Jesus warben, wurden und werden dafür bis in unsere Gegenwart verfolgt oder sogar umgebracht.

 

Aber warum ist es so wichtig, dass die Botschaft von Jesus Menschen, die sie nicht kennen, mitgeteilt wird, dass einige Christen dafür ihr Leben aufs Spiel setzten und setzen? Diese Frage beantwortet unser heutiger Predigttext. In ihm sagt der auferstandene Jesus den 11 Jüngern, die nach dem Selbstmord des Judas übrig geblieben waren: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden." Wenn der auferstandene Jesus nun wie Gott über Himmel und Erde herrscht, dann ist das für alle Menschen wichtig. Man kann freilich seine Macht so wenig sehen wie die Macht Gottes. Die Zeit ist noch nicht gekommen, in der alle Menschen einsehen müssen, dass Jesus lebt und wirklich so mächtig ist. Gerade deshalb ist es wichtig, dass allen mitgeteilt wird, dass Gott Jesus alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben hat, denn Jesus will seine Macht für alle Menschen einsetzen, die an ihn glauben. Deshalb gibt er seinen Jüngern den Auftrag: „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe."

 

Die Menschen werden wohl bis an das Ende der Welt darüber streiten, ob es Gott gibt und wie Gott ist. Viele sind auch heute noch davon überzeugt, dass ein höheres Wesen existiert. Aber für sie kann man nicht wissen, was Gott mit Menschen vorhat und wie er zu ihnen steht. Auch die vielen Religionen stimmen nur darin überein, dass der Gott, der in ihnen verehrt wird, über große Macht verfügt. Ansonsten werden in ihnen über Gott sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten. In Jesus hat aber Gott selbst gezeigt, dass er es gut mit den Menschen meint. Jesus ist am Kreuz gestorben, weil Gott die Menschen liebt und Gott will den Menschen, die an Jesus glauben, das ewige Leben geben, in dem Jesus bereits lebt. Außerdem verspricht ihnen Gott den heiligen Geist, der sie trösten und dafür sorgen soll, dass sie an dem Glauben an Jesus festhalten und so leben, wie es ihrem Glauben an Jesus entspricht. Jesus ist in die Welt gekommen, am Kreuz gestorben und von den Toten auferstanden, damit die Menschen Gott erkennen und mit ihm leben können. Wer an Jesus glaubt, darf überzeugt sein, dass Gott wirklich so ist, wie er sich in Jesus gezeigt hat. Durch die Taufe werden wir mit Gott verbunden. Sie geschieht auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, weil Gott als Vater, durch seinen Sohn Jesus und durch den heiligen Geist an uns handelt. Damit sind freilich nicht alle Rätsel unseres Lebens gelöst. Es gibt Katastrophen, bei denen wir nicht verstehen, warum sie Gott zugelassen hat und so mancher muss in seinem Leben einen schweren Weg gehen, weil er zum Beispiel sehr krank wird oder weil Menschen sterben, die ihm viel bedeutet haben. Dann stellt auch mancher Christ die Frage: Liebt Gott tatsächlich die Menschen, liebt er wirklich auch mich? Ich möchte Sie bitten: Wenn Sie in diese Lage kommen, erinnern Sie sich an das Kreuz Jesu. Hätte Gott denn Jesus am Kreuz sterben lassen, wenn er die Menschen nicht lieben würde? Gott hätte doch den Tod Jesu verhindern können und Jesus hätte nicht sterben müssen, wenn er nicht freiwillig das Kreuz auf sich genommen hätte. An dem Kreuz Jesu wird deutlich, dass Gott tatsächlich die Menschen liebt. Das gilt für alle Menschen. Wir werden auch als Christen verschiedentlich die Wege, die uns Gott führt, nicht verstehen, aber wir dürfen gewiss sein, dass uns Gott trotz allem, was wir nicht verstehen, liebt und uns das ewige Leben geben wird, weil wir an Jesus glauben. Diese Perspektive haben wir als Christen. Durch sie können wir auch in schwierigen Lagen an unserem Glauben an Jesus festhalten.

 

Wenn aber dieser Glaube für uns wichtig ist, müssen doch auch andere Menschen die Möglichkeit erhalten, an Jesus zu glauben. Deshalb bleibt der Auftrag in unserem Evangelium an die 11 Jünger eine Aufgabe der christlichen Kirche, auf die sie nicht verzichten darf. Viele Leute meinen: Jeder soll auf seine Art selig werden, aber wird wirklich jeder auf seine Art selig? Er kann glücklich werden, aber nicht selig, denn Gott sagt das ewige Leben nur denen zu, die an Jesus glauben. Dann müssen alle Menschen die Chance erhalten, an Jesus zu glauben. Das können sie nur, wenn sie die Botschaft von Jesus gehört haben. Es muss dann ihnen überlassen werden, ob sie an Jesus glauben, aber es ist der Auftrag und die Verantwortung der Christen, dass sie für den Glauben an Jesus werben, damit sich andere Menschen für diesen Glauben entscheiden können. Christliche Organisationen, die missionarisch wirken, stellen freilich fest, dass es wesentlich leichter ist für medizinische oder soziale Projekte in der dritten Welt Spenden zu sammeln als für Mission. Es ist sicher wichtig, dass die medizinische Versorgung und die wirtschaftliche Lage der Menschen in der dritten Welt verbessert werden, und es ist erfreulich, wenn dafür auch Leute spenden, die der Kirche fern stehen. Aber Christen sollten bedenken, dass die Unterstützung der Mission in unserem Land und in der dritten Welt ebenfalls ihre Aufgabe ist und sie fördern. Das eine zu tun und das andere nicht zu lassen, ist für Christen angemessen. Vielleicht fragen Sie jetzt, wie ich schon verschiedentlich gefragt worden bin: Wenn der Glaube an Jesus die Voraussetzung für das ewige Leben ist, was wird dann aus den Menschen, die nie die Gelegenheit hatten oder haben, die Botschaft von Jesus zu hören? Ich denke, auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: Das müssen und das können wir auch getrost Gott überlassen. Diese Frage gehört zu jenen Fragen, die wir als Christen nicht beantworten können. Gott teilt uns nicht alles mit, sondern er lässt uns das erkennen, was wir brauchen, um an Jesus zu glauben. Dazu gehört, dass wir als Christen den Auftrag haben, für den Glauben an Jesus zu werben. Alles andere werden wir erfahren, wenn uns Gott das ewige Leben geben wird. Wir machen uns nur den Glauben unnötig schwer, wenn wir uns jetzt über Fragen den Kopf zerbrechen, die uns Gott noch nicht beantwortet. Deshalb tun wir als Christen gut daran, die Grenzen zu respektieren, die unserer Einsicht in die Wege Gottes gesetzt sind.

 

Christen wissen freilich, dass sie sich so verhalten sollen, wie es ihrem Glauben an Jesus entspricht. Sie können nicht einfach alles tun, was andere für richtig halten, die nicht an Jesus glauben. Ich möchte dafür ein Beispiel nennen: Auch Christen brauchen Geld für ihren Lebensunterhalt. Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise entstand aber dadurch, dass viele Menschen den schnellen und hohen Gewinn anstrebten. Ein solches Verhalten entspricht nicht dem Glauben an Jesus. Er hat gelehrt, dass nicht Reichtum und Erfolg über den Wert des Lebens entscheiden. „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?" sagte er einmal (Markus 8,36). Reichtum ist vergänglich, aber für den Glauben an Jesus ist uns mit dem ewigen Leben ein unvergänglicher Gewinn zugesagt. Deshalb können für Christen nicht Geld und Besitz die höchsten Güter sein. Damit setzen sie ein Zeichen. Es ist nicht jedem Christen gegeben, mit Worten für den Glauben an Jesus zu werben. Aber wenn er als Christ lebt, wird das zumindest einigen anderen Menschen auffallen. Jesus möchte, dass auch an dem Tun der Christen erkennbar wird, dass sie durch ihren Glauben mit ihm verbunden sind. Er verspricht mit unserem Predigttext allen Christen: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Jesus überlässt uns nicht uns selbst, sondern er ist bei uns, obwohl wir ihn nicht sehen können. Er steht uns in guten und schwierigen Lagen bei und will uns mit seiner Kraft ermutigen und trösten. Wir sind als Christen also mit dem verbunden, der von sich sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden." Deshalb können wir den Auftrag Jesu erfüllen, bei allen Menschen für den Glauben an ihn zu werben.



Prof. i.R. Dr, Ludwig Schmidt
Erlangen
E-Mail: gi_schmidt@t-online.de

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