Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

8. Sonntag nach Trinitatis, 02.08.2009

Predigt zu Matthäus 5:13-16, verfasst von Jochen Riepe

I

 

Was ist schon ein Gruß ... ein Lächeln ... ein Händedruck ... eine Bitte ? Ein Nichts , eine Sekunde, ein ‚Lichtlein' in der alles verschlingenden Dunkelheit ? Nein ! Überreiche Gnade , die hundertfach , tausendfach wirkt .

 

 II

‚Mein schönster Ferientag' : Sie können ja nicht anders . Wenn man mit dem Boot von Saßnitz an der Küste Rügens entlang fährt , steigen sie bald aus der blauen oder türkisfarbenen oder auch grauen Ostsee auf : die Kreidefelsen. Sie können nicht anders : Sie leuchten und winken und die Sonne erfreut sich an ihnen und auch schwere Wolken bringen sie nicht so schnell aus der Farbe. Viele von uns kennen diesen Anblick , dieses Licht-Spiel , viele wissen auch : Was da leuchtet wie ein großes Ja- Wort , es fällt zugleich.

 

 III

‚Ihr seid das Licht der Welt!' Jesus , liebe Gemeinde , grüßt. Er grüßt seine Jünger , das Volk , das sich bei ihm versammelt hat . Er grüßt uns , die wir heute das Evangelium vernehmen. ‚Ihr seid das Licht der Welt' . Für Menschen voller Wenn und Aber , voller Vorbehalte und Unsicherheiten erklingt hier ein souveräner Indikativ und wir werden Zeugen einer Vollmacht , die die ganze Bergpredigt prägt. Ein Gruß schafft Wirklichkeit *. Er steckt den anderen an, und es ist , als sei gleichsam jenes göttliche Licht , das den Menschen Jesus verklärte, erhob und würdigte , auf uns als seine Hörer übergesprungen. Es gibt Lichtgestalten , die wollen bewundert und verehrt werden , und doch bleiben sie für sich oder verachten gar ihre Verehrer. Es gibt gewiß auch genug Schattenmenschen , die gerne am Lichtkegel solcher Idole teilhätten. Hier ist es anders : Er wendet sich uns zu. Er gibt Teil an sich.

 

 IV

Wie kann ein Gruß solch' große Dinge tun, mag mancher jetzt fragen ... Und bin ich denn solch eines Grußes , solcher Ehre würdig ? Ist das nicht tatsächlich etwas für Auserwählte oder eben auch für Ehrgeizige , die es zu etwas bringen wollen ? Und überhaupt : Manchmal bin ich froh , gar nicht die Hand geben zu müssen. Manchmal gehe ich auf die andere Straßenseite , und wenn ich mal so richtig verärgert bin , dann strafe ich den anderen , indem ich einfach wegsehe. Und dazu : Weiß ich denn , wenn ich lächle, daß mein Lächeln erwidert wird ? Seht Ihr, liebe Gemeinde, wie so oft im Leben : Am Gegenteil lernen und spüren wir, wie wichtig etwas ist : Unser Gesicht, unsere Hände und Worte wirken. Jeder Gruß schafft Wirklichkeit, aber eben eine riskante. Einer leuchtet sozusagen , indem er aus sich herauskommt und sich zeigt : ‚Ihr seid das Licht der Welt - seid ihr es auch'?! Wird der grüßende Jesus antwortende , eben : leuchtende Menschen finden ?

 

 V

‚ Mein schönster Ferientag' : Sie können ja nicht anders . Die Kreidefelsen von Rügen , sie leuchten und -fallen. Vor einiger Zeit brach ein großes Stück aus ihnen heraus und immer wieder stürzt etwas ein . Am Strand muß man über Bäume klettern oder geht über flüssige , matschige Kreide. ‚Kann man nichts dagegen tun ?' , fragt der Binnenländer und der Einheimische antwortet: ‚Die Küste lebt , vergeht und verändert sich. Was hier abbricht , wird anderswo angeschwemmt. Ihr könnt die Felsen nicht in Watte packen oder hinter Betonmauern stellen. Was sie schützen soll, wird sie zerstören. Man kann nur hoffen, dass sie noch lange, lange uns leuchten werden.' Die Küste lebt , vergeht , verändert sich . Ihr Leuchten , ein Blitz , ein Lichtstrahl ... vergänglich wie alles in dieser Welt.

 

 

 VI

Ob dies, liebe Gemeinde , das Problem oder zumindest eines der Probleme eines von Jesus durch seinen Gruß ins Licht gehobenen Menschen ist ? Der Ort einer Angst , einer Lähmung oder Hemmung, die uns immer wieder überfallen kann und deren wir uns vielleicht besonders in den Ferien bewusst werden : Was ist das : mein Lebens-Licht? Mein Leuchten? Wofür das alles? Und wer dankt es mir? Was ist alles Zeigen, Arbeiten, Winken angesichts der banalen Tatsache, dass wir zugleich unwiderruflich fallen , missverstanden oder nicht angenommen werden, weniger werden und weniger können? ‚Sein Licht unter den Scheffel stellen', wie Jesus es nennt , das kann man ja auch auf dieser Linie** verstehen : Unsichtbar bleiben oder sich unsichtbar machen . Sein Angesicht , seine Gaben verbuddeln und vergraben und darin soz. das ‚Gruß-Lebens-Risiko' ausschalten. Wer sich zeigt , hat schon verloren. ‚Bitte tue mir nichts. Verletze und kränke mich nicht. Zerre mich nicht ans Licht. Laß mich nicht leben , denn was lebt , verändert sich , was lebt , vergeht.'

 

 VII

Was ist schon ein Gruß ... ein Lächeln ... ein Händedruck? Ein Nichts , eine nichtige und schnell vergessene Sekunde ? Nein ! Überreiche Gnade, die hundertfach , tausendfach wirkt: ‚ Ihr seid das Licht der Welt.' Wie kann ein Gruß solch große Dinge tun ? Es ist das Geheimnis des Christus, liebe Gemeinde, dass wer immer sich seiner Verheißung öffnet , teil hat an der Klarheit des Christus-Lichtes. Seine Anrede , sein Friedensgruß, schafft Wirklichkeit. ER schafft Menschen, ja, die nun auch nicht mehr anders können . Menschen, die ohne Nebensinn und ohne Hintergedanken*** die Ordnung seines Friedensgrußes bezeugen und leben. Ihr müsst dazu nicht die Welt aus den Angeln heben . Um Gottes Willen verkrampft euch nicht! ER wendet sich euch zu und lächelt euch an! Laßt euch anstecken von seiner Souveränität und lebt so risikofreudig , wie Ihr es doch in den Ferien immer wieder liebt : Du sprichst Menschen an , die du gar nicht kennst. Und dein Wink , dein Lächeln , wird vielfach erwidert. Die Menschen , die dem Christus folgen auf seinem ‚Weg der Gerechtigkeit' , sie bilden gewiß keinen Umarmungszirkel. Aber ihr Miteinander ist elementar ein Grußgeschehen .Einander gerecht werden , das bedeutet ja zunächst einmal : Sich einander zuwenden.

 

 VIII

Am Ende : Wer die Kreidefelsen gesehen hat , auf Rügen oder anderswo, weiß : Was leuchtet , kann nicht anders . Was leuchtet , lebt und fällt. Dagegen hilft keine Watte , kein Beton , kein Scheffel. Darf ich an Christi Statt darum bitten : Komm heraus und zeige dich. Zeige deine Gaben und falle leuchtend.

 

* P. Handke, Gestern unterwegs. 2. Aufl. 2OO5 , S.231

** Matth. 25 , 14-3O

*** Matth. 25, 37



Pfarrer Jochen Riepe
Dortmund
E-Mail: Jochen.Riepe@gmx.net

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