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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

10. Sonntag nach Trinitatis, 16.08.2009

Predigt zu Lukas 19:41-48, verfasst von Friedrich Schleinzer

Das Wesentliche...

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,

So wie viele die Wirtschaft jetzt als  Zentrum unseres Kosmos sehen,  war dies zurzeit Jesu der „Tempel" in Jerusalem.

Jesus wagt sich in das damalige Machtzentrum, Jerusalem. Er geht nicht in das Exil, flüchtet nicht in das Ausland, taucht nicht unter. Er manipuliert mit seiner Rede nicht die Menschen und doch folgten sie ihm nach und waren „ganz Ohr". Jesus handelt - wie in vielen Perikopen - : er segnet, legt Hände auf, zieht Menschen aus ihrem Unglück, weckt Tote auf, heilt Kranke und Aussätzige, wendet sich liebevoll Kindern zu usw. So kennen wir ihn. Aber heute begegnet er uns ganz anders.

Heute, ganz ungewohnt, wir trauen es dem „lieben Jesus" gar nicht zu, wir meinen es passt nicht zu ihm, (was passt schon zu ihm?) da kommt Jesus in Rage und er trieb einige Verkäufer aus dem Tempel denn, „...mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein", ist seine Botschaft. Seine Mission besteht in diesem Text auch darin, über Jerusalem, das Scheitern festzustellen. Jesus muss ein prophetisches Wort über die Stadt sagen und er tut es mit innerer Ergriffenheit und mit Bedauern V42 „Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, die (Wege), die zum Frieden (führen)!" Bis heute ist diese Stadt und ihr Land dem Spiel der Mächtigen überlassen, die keinen Weg zum Frieden finden.
Zu dem prophetischen Wort über Jerusalem kommt eine prophetische Tat Jesu hinzu. Kaum in den Tempel eingetreten beginnt er die Verkäufer hinauszutreiben, den Text des Propheten Sacharja (14/21) kennend: „Und kein Händler wird an jenem Tag im Haus des Herrn der Heere sein".

Was bringt Jesus so in Rage? Wir kennen ihn als menschenfreundlichen Wanderprediger, der von sich sagt, ich bin der gute Hirte, ich kenne die meinen und die meinen kennen mich. Wir können uns aber nicht vorstellen, dass Jesus zu den Tischen der Wechsler geht und sie freundlich fragt, wie gehen heute die Geschäfte? Sind sie mit dem Umsatz zufrieden? Für Jesus ist im Tempel nicht das Geld das Wesentliche aber wir fragen uns, was können die Wechsler und Händler dafür, die hier mit Geschäften für die Verrichtung des Kultes und des Opfers ihren Lebensunterhalt verdienen.

Wenn wir einen Sprung von damals in das Heute wagen, dann sehen wir dass auch bei uns „im Vorhof des Tempels" der Rubel rollt. Geschäfte mit Devotionalien, mit Kitsch in Reinkultur, mit täglichen Unnützlichkeiten boomen. Auch christliche Verlage und Buchhandlungen leben vom Geschäft.


Jesus Angriff richtet sich nicht gegen den Tempel, sondern gegen die wenigen reichen Familien, welche den Sinn von Opfern und Feiern zu ihren Gunsten umgekehrt haben. Jesus kommt eben vom Land und sieht, dass der damalige Hohepriester Kajaphas die Eröffnung eines Marktes (wahrscheinlich im Vorhof der Heiden) gestattet hat.
All das Treiben in den Vorhöfen des Tempels hat einen Stellenwert bekommen, der ihm nicht zusteht, eine Eigendynamik entwickelt, die scheinbar nicht mehr zum Stoppen ist, das vom Eigentlichen, der „Verherrlichung Gottes" ablenkt.

Jesus war entrüstet über das Geschehen in der Hauptstadt, und im Tempel, wo tausende Pilger, diesen als Ort des Gebetes und der Verkündigung besuchten. Als Prophet wollte Jesus „Gott geben, was Gottes ist" (20/25). Gott geben, was Gottes ist? Wie halten wir es? Wir stürzen uns in Aktivismus, Planungen, Umfragen und Sitzungen und meinen damit, Gott zu geben, was Gottes ist. Dazu soll alles so bleiben wie es immer war, damit einzelne oder Gemeinden nicht verunsichert werden. Nur nicht zu sehr in die Tiefe gehen, nach Sinnhaftigkeit, Glaubwürdigkeit und Authentizität fragen, sonst wird unsere Oberflächlichkeit und Leichtgewichtigkeit deutlich.

Wenn wir in die Kirche gehen, meinen wir Gott zu geben, was Gottes ist und vergessen dabei manchmal unseren Nächsten und uns selbst in unserer Rastlosigkeit und Gier.
Wir geben vor, die Menschen zu lieben, hören ihnen aber nicht zu, haben keine Zeit, kein aufmunterndes Wort. Wir bleiben im Vorhof ihres Herzens und können ihr Herz nicht berühren, nicht gewinnen, nicht trösten. Sie wenden sich vom „Tempel" ab und es bleibt der Beigeschmack  der „Räuberhöhle"!

Für Lukas zielt Jesu Tat grundsätzlich auf die Verantwortlichen des Tempels ab „ihr aber" V 46. Es ist verständlich, dass eine solche Rede und Anrede Jesu was die Mächtigen gewaltig verärgert hat, auch wenn der ganze Zwischenfall vom bescheidenen Ausmaß war. (die Tempelpolizei - aus stämmigen Leviten hat zum Missfallen der Hohenpriester nicht eingegriffen). Jesu Auftritt hat schockiert, „ihr aber" müsstet anders sein, hören die Mächtigen. Sie sollen Verantwortung übernehmen, Autorität ausüben, im richtigen Sinn des Wortes einen/e andere/en in seiner Persönlichkeit wachsen lassen seine Kompetenz vermehren und nicht klein machen und demütigen.

Die von Jesus so genannten „Räuber" angesprochen, waren die mit den maßlosen Privilegien die sie auch extrem und auf Kosten anderer auslebten. „Das Spiel der Mächtigen" ist heuer das Motto der Salzburger Festspiele. Die Mächtigen haben sich verbündet und versuchen Jesus umzubringen. Es sind die mit dem verantwortungsvollen Posten im Tempelbetrieb. Der Tempel ist zur einer Institution verkommen die Glauben verwaltet, Frömmigkeit missbraucht, die Begegnung mit Gott und das Gebet eher verhindert als fördert. Unwesentliches, wie die Makellosigkeit des Opfers und die „reine" Münze wird in den Vordergrund gestellt. Äußerlichkeiten sind wichtiger als ein „reines Herz", doch Jesus schaut auf dieses reine Herz und von ihm heißt es: Er wusste, was im Menschen ist. Ohne zu moralisieren, soll uns diese Erzählung eine Mahnung sein, wie die Institution Kirche mit Menschen die ihr anvertraut sind, Kirchenbeitragzahler oder MitarbeiterInnen umgeht. Viele sind enttäuscht, gekränkt, fühlen sich nicht ernst genommen, wurden bewusst missverstanden und treten aus der Kirche aus.
Die Hohepriester und Schriftgelehrten versuchten Jesus umzubringen, mundtot zu machen, aus dem Verkehr zu ziehen. Doch sie rechneten nicht mit den Menschen und sie wussten nicht," was sie machen sollten, denn das ganze Volk hing ihm an und war ganz Ohr". (V48)

Sie wagen es nicht, wie mächtig sie auch sein mochten, Jesus frontal anzugreifen, auch wenn seine letzten Tage in Jerusalem bevorstanden. Die Mächtigen hat er mit seinem klaren Auftritt verärgert, doch das Volk war „ganz Ohr". Endlich zeigt auch er seine Macht, wer er ist, Mit seiner gewinnenden Art zieht Jesus die Menschen an, sie pflichten ihm bei, endlich einer „der's denen da oben zeigt". Viele, die sich bisher ausgegrenzt, ausgebeutet, zweitklassig gefühlt hatten, kommen plötzlich. Für sie ist endlich ein unkonventioneller Weg frei zu Gott, ohne unermessliche  Bürden.
Jesus zieht sie an. Von ihm heißt es, „er wusste was im Menschen war", was ihn bewegt und frei macht. Ja, die Stimme des Volkes, die „vox populi" war nicht zu unterschätzen, nicht in Jerusalem, nicht in Rom, Athen oder hier und heute. Immer wieder gibt es - Gott sei Dank - Menschen, die sich auflehnen und aufstehen gegen Machtmissbrauch, Diktatur, Ungerechtigkeit und Ausbeutung. Vom „Spiel der Mächtigen" ist die Rede im Festspielsommer in Salzburg. Wie agiert Macht überhaupt, wenn Volksmassen demonstrieren? Wo ist wissend Macht im Spiel und wie wirkt sie sich aus?

Vaclav Havel, der große Dramatiker und Leitfigur der Charta 77, späterer Präsident der Tschechischen Republik haben wir eine entwaffnende Antwort zu verdanken, gegeben wurde sie vor einigen Monaten in einem Interview über die Ereignisse im Herbst 1989. Er sagte: „Alles war damals abhängig von so vielen Zufällen. Überhaupt scheint es mir, dass es in der Geschichte viel mehr Zufälle gibt, als wir gewohnt sind anzunehmen". Wenn das einer sagt, der im Mittelpunkt des Geschehens stand, hat das Gewicht.

Die Frage, ob „die Mächtigen" damals und heute entscheidend den Vorhof der Welt bestimmen, oder ob es Zufälle sind, wie Vaclav Havel meint, oder eine Form von Schicksalshaftigkeit muss für die Geschichte vielleicht unbeantwortet bleiben. Nicht für Jesus: Für ihn war es das bewusste Gehen in Gehorsam vor Gott seinem Vater in den Tod, zu Rettung Jerusalems als Synonym für die Rettung aller Völker, der ganzen Welt und aller Menschen.


AMEN.




Prof. Dr. Friedrich Schleinzer
Universität Salzburg
Fachbereich Praktische Theologie
E-Mail: eva.bartosch@sbg.ac.at

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