Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

11. Sonntag nach Trinitatis, 23.08.2009

Predigt zu Lukas 18:9-14, verfasst von Peter Taeger

Jesus sagte zu einigen, die sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die anderen, dies Gleichnis: „Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, jener nicht. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden."

Liebe Schwestern und Brüder,

Jesus redet zu einigen, die sich anmaßten fromm zu sein und redet damit gleichzeitig die umstehenden Pharisäer als auch seine Jünger an und damit natürlich auch uns.
Im Mittelpunkt des Gleichnisses stehen die Gebete des Pharisäers und des Zöllners. Leute, deren Lebenswandel unterschiedlicher nicht sein könnte.
Der Pharisäer kann eine beachtliche Frömmigkeitspraxis vorweisen. Er fastet zweimal in der Woche. Das ist viel mehr, als das einmal im Jahr übliche Fasten am großen Versöhnungstag. Auch den Zehnten zahlt er regelmäßig. Und auch hier nicht nur den üblichen Zehnten auf die Einkünfte, sondern er zahlt den Zehnten auch auf das, was er erwirbt. Der Hintergrund für dieses vorbildliche Handeln ist der Versuch, das Unvermögen der anderen, die in ihrer Frömmigkeitspraxis vielleicht nachlässig sind, auszugleichen. Damit steht erst mal der Pharisäer mit seiner wirklich beachtlichen und vom Grundsatz her nur zu bewundernden Frömmigkeitspraxis im Mittelpunkt. Es ist der tiefste Herzenswunsch des Pharisäers, sein ganzes Leben nach Gottes Willen auszurichten. Er hat Lust am Gesetz des Herrn, wie es im ersten Psalm heißt.
Ich kann nur mit größtem Respekt auf die ernsthafte und engagierte Frömmigkeit des Pharisäers schauen. Stünde ich so vor Gott, ich stünde gut.

Trotzdem läuft etwas grundlegend schief.
Als erstes erfahren wir etwas über sein Menschenbild. Er hält die anderen Leute für Räuber, Betrüger und Ehebrecher. Sein geistliches Engagement führt nicht zu einem liebevoll, barmherzigen Blick auf die anderen, sondern letztlich zur Verachtung. Gleichzeitig ist er so begeistert und geblendet von seiner eigenen Leistung, dass er völlig übersieht, dass er auf die Güte und Gnade des heiligen und großen Gottes angewiesen bleibt. Seine eigene Bedürftigkeit und Unzulänglichkeit, die durch keine Leistung zu beseitigen ist, gerät ihm aus dem Blick. Denn im Blick hat er den riesigen Unterschied, der ihn von der zweiten Person im Tempel trennt, dem Zöllner. Der war gesellschaftlich so ziemlich das Letzte im alten Israel. Zöllner standen im Dienst der heidnischen, römischen Besatzungsmacht, die die Zollstationen an den Meistbietenden verpachtete. Das System verleitete dazu, in die eigene Tasche zu wirtschaften. So wurden Zöllner verachtet und gehasst und standen auf einer Stufe mit Dieben und Räubern. Vielleicht zu vergleichen mit Informanten der Stasi oder unredlichen Bankern.
Der Zöllner spürt natürlich seine eigene Unzulänglichkeit. Im Grunde genommen weiß er selbst, dass sein Leben falsch läuft, dass er seine Gesinnung verkauft hat. Seinen Mitmenschen gegenüber kann er das vielleicht durch seinen Reichtum überspielen, aber vor Gott zählt das nicht. So steht er nun ganz hinten und wagt nicht, seine Augen aufzuheben. Bußwillig schlägt er sich an die eigene Brust und spricht den einzigen Satz, der ihm bleibt. „Gott sei mir Sünder gnädig."

„Und dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener."
Jesu Urteil ist eindeutig. Und damit auch seine Botschaft an uns.
So mit sich zufrieden und so fertig mit allen anderen dürfen Jesu Jünger auf keinen Fall werden. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden. Wir würden bei Gott keine Anerkennung finden, sondern zu denen gehören, die sich selbst erhöhen und von Gott erniedrigt werden.

Was heißt das für uns?
Eine Haltung der Demut, die um die eigene Unzulänglichkeit weiß, steht uns gut zu Gesicht. Denn Demut ist das Bewusstsein des unendlichen Zurückbleibens hinter der erstrebten Vollkommenheit. Demut verleiht uns einen liebevollen und barmherzigen Blick auf uns selbst und die anderen. Ich denke, es lohnt sich um Demut zu bitten, denn Demut ist ein wesentlicher Schlüssel zum Gelingen des eigenen Berufes und vor allen Dingen auch des Zusammenlebens in der Gemeinde. Selig, wer sich vor Untergebenen so demütig benimmt, wie wenn er vor seinen Oberen und Herren stünde, sagt schon Franz von Assisi
„Der Welt Schlüssel heißt Demut, ohne ihn ist alles Klopfen, Horchen, Spähen umsonst", mahnt Christian Morgenstern und wendet sich damit an den forschenden, die Welt analysierenden und damit auch beherrschenden Menschen, dessen vernünftige Grundhaltung von Demut geprägt sein sollte.

Wenn wir auf den Wochenspruch aus dem 1. Petrusbrief hören: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade", dann erscheint Demut  fast als ein Geheimnis des Gelingens all unserer Bemühungen. Wo diese Zutat fehlt, ist gewissermaßen das Ganze Gericht verdorben, wenn alle anderen Zutaten auch noch so gut ausgewählt sind. Dem sicher um des Gleichnisses willen von Jesus etwas zugespitzt gezeichneten Pharisäer nutzt all sein vorbildliches Tun gar nichts, wenn es nicht von einer Haltung der Demut getragen bleibt, Gott und den Menschen gegenüber.



Superintendent Peter Taeger
Rudolstadt
E-Mail: Peter_Taeger@gmx.de

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