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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

14. Sonntag nach Trinitatis, 13.09.2009

Predigt zu Lukas 17:11-19, verfasst von Margrethe Dahlerup Koch

Das Dänische ist in mancherlei Hinsicht eine undankbare Sprache. Es ist undankbar zu lernen. Und es ist in dem Sinne undankbar, dass uns viele der kleinen höflichen Dankbarkeitsformeln fehlen, von denen es z.B. im Englischen, im Deutschen und im Französischen so viele gibt. Wir sagen "tak" (danke) - "selv tak" (nichts zu danken), "mange tak" (vielen Dank), "farvel tak" (auf Wiedersehen und danke), "tak i lige maade" (danke gleichfalls) - aber wir haben nicht die großen Variationsmöglichkeiten und Nuancen. 

             Und wir können der Meinung sein, dass die anderen, vielleicht vor allem Engländer und Amerikaner, auch ein bisschen übertreiben und überschwänglich sind mit all ihren Ausdrücken von Dankbarkeit. Wir finden die reine, ungeschminkte Ware am besten: Das kurze Wort mit seinen drei Buchstaben kann ohne Weiteres unsere gewöhnliche kleine dänische, höfliche Dankbarkeit ausdrücken.

             Aber das Wort "tak" enthält mehr als Höflichkeit. Es ist eines der allerersten Wörter, die wir unseren Kindern beibringen. Und dabei geht es nicht nur darum, dass wir Kindern gern gute Manieren beibringen wollen. Wenn Eltern stundenlang Spielzeug und Rosinen und Zwiebäcke zwischen sich und ihrem Kind hin- und herreichen und dabei jedesmal begeistert "tak" sagen, dann ist das mehr als Höflichkeitstraining. Das Wort "tak" umfasst auch die Anerkennung, dass eine Verbindung zwischen uns besteht. Die Freude der Eltern über das erste "tak" des Kindes hat damit zu tun. "Tak" zu sagen ist dasselbe, wie wenn man sagt: "Ich habe dich und das, was du mir gibst, gesehen. Du hast Bedeutung für mich. Es ist nicht selbstverständlich, dass du hier bist und mir gibst, was du geben willst und kannst."

             Aber Kinder werden meist nicht viel älter, bevor sie entdecken, dass in dem Wort "tak" auch noch etwas anderes steckt als die Freude darüber, dass wir miteinenader zu tun haben. Darin kann auch ein demütigendes Machtverhältnis stecken. "Das Schlimmste beim Geschenkekriegen ist, dass man dann anrufen und danke sagen muss", sagte der Achtjährige. Wie jeder weiß, der sich noch ein bisschen an die Zeit seiner Kindheit erinnern kann, geht es hier um Schüchternheit und um das Gefühl, dass ein erzwungener Dank einen in einer untergeordneten Stellung festhält: In gewisser Weise hat es seinen Preis, wenn man ein Geschenk bekommt. Man schuldet Dankbarkeit. Man fühlte sich gerade so reich an all dem, dessen glücklicher Besitzer man geworden ist, und dann soll man plötzlich daran denken, wer der gute Geber ist, dem man das alles verdankt.

             Vielleicht hören wir auch deshalb damit auf, danke zu sagen, wenn wir erwachsen werden und unser eigener Herr sind. Vielleicht entschlüpft uns das Wort manchmal noch, aber wir unternehmen in der Praxis alles Mögliche, um das Demütigende des Dankesagens von uns abzuschütteln. Und wir tun das, indem wir immer versuchen, uns zu revanchieren. In Dankesschuld zu geraten ist etwas vom Schlimmsten, was wir uns vorstellen können. Dank ist bekanntlich nur ein dürftiges Wort, und wir mögen nicht als Dürftige dastehen.

             Aber Vergelten ist etwas völlig anderes als Dank. Wenn man versucht, anstatt zu danken sich zu revanchieren, dann ist das gleichsam der Versuch, die Bedeutung des anderen Menschen für einen von sich abzuschütteln. Sich von dem anderen zu befreien.

             Vergelten ist Ausdruck von Macht. Der Dank ist Ausdruck des Glaubens.

             Dank ist der Ausdruck des Glaubens, und das ist die Verkündigung des Evangeliums von heute. "Dein Glaube hat dir geholfen", sagt Jesus zu dem Samariter, der zurückkommt, um ihm zu danken. Jesus sagt nicht: "Deine Höflichkeit oder deine guten Manieren oder deine gute Erziehung haben dich erlöst." Er sagt:  "Dein Glaube hat dich erlöst."

             Die Geschichte spielt im Grenzland, im Grenzland zwischen Samaria und Galiläa, zwischen Wüste und Zivilisation. Sie spielt im Grenzland zwischen Leben und Tod. Dort haben die Aussätzigen sich herumgetrieben mit ihrem abstoßenden Aussehen, ihren offenen Wunden und ihren weithin sichtbaren Warnsignalen, von Gesellschaft und Familie verstoßen. Denn sie stecken an, und aus Rücksicht auf den allgemeinen Gesundheitszustand darf kein Gesunder in ihre Nähe kommen, und sie dürfen sich keinem gesunden Menschen nähern. Deshalb rufen sie Jesus aus der Ferne an: "Erbarme dich unser!"

             Und Jesus schickt sie zu den Priestern, dem Krankenhauswesen und den Sozialämtern der damaligen Zeit, damit sie ein Attest bekomm, dass sie rein sind und wieder gleichberechtigt mit allen anderen am Leben von Gesellschaft und Familie teilnehmen können.

             Auf das Wort Jesu hin gehen alle 10. Alle 10 glauben ihm auf sein Wort hin. Und alle 10 werden rein. Sie können in die Welt der Reinen zurückkehren und ihre alten Plätze in der Gesellschaft wieder einnehmen. Sie halten die Zeremonie ein, die ihnen das jüdische Gesetz auferlegt, und danach leben sie wieder wie vorher.

             So handeln die 9. Der Zehnte aber tut als erstes etwas anderes. Denn als er geheilt wurde, erlebte er etwas, was er mit einer religiösen Zeremonie nicht vergelten kann. Dazu gehört etwas anderes und mehr. Er muss zu Jesus zurückgehen, um Gott zu danken. Nicht weil der Samariter ein anständiger Junge ist, der nicht vergisst, was seine Mutter ihm einst beigebracht hat. Nicht um zu vergelten. Sondern weil er Gott erlebt und erfahren hat - als denjenigen, der einen Menschen sieht und ihm Bedeutung und Wert beilegt. Er hat erlebt und erfahren, dass Gott in seinem Leben Bedeutung hat.

             Zu Gott beten ist kein Handel. Das Gebet verändert Gott nicht. Aber das Gebet verwandelt uns. Denn wenn man betet, legt man das, was man nicht vermag, von sich und legt es stattdessen in Gottes Hände, der gesagt hat, dass er Macht hat.

             Ebenso verwandelt auch der Dank Gott nicht. Alle 10 Aussätzigen wurden ja geheilt, auch die 9, die nicht zu Jesus zurückgehen. Wir können beleidigt unsere Freigebigkeit zügeln, wenn wir nie Dank erfahren. Aber das ist offenbar keine Möglichkeit bei Gott. Er gibt und heilt, ohne Rücksicht darauf, ob er dafür Dank erhält.

             Der Dank verwandelt Gott nicht. Aber der Dank verwandelt den, der dankt.

             Denn Dank ist, gleichwie Gebet, Ausdruck des Glaubens. Des Glaubens, von dem Jesus sagt, dass er den Samariter erlöst hat - d.h. ihn nicht gesund gemacht, sondern erlöst hat.

             Das Wort Erlösung bedeutet auf Dänisch befreit werden. D.h. ohne die Fessel sein, die das Kennzeichen des Knechts war. Der Dank des Samariters ist Ausdruck des Glaubens, der ihn frei gemacht hat. Zuvor war er Knecht seiner Krankheit und seiner Herkunft: Er war Samariter, und deshalb galt er den Juden als Abschaum. Und diese Tatsache bestimmte seinen Wert, und sie entschied, wie er sich selbst sehen konnte.

             Jetzt ist er erlöst. Er ist frei und nicht mehr gebunden und bestimmt durch sich selbst und das Seine, und er ist frei, weil er durch Gott gebunden und bestimmt ist und von ihm seinen Wert erhält.

             Der Samariter sieht seine tiefe Abhängigkeit von dem Gott, der Leben und Gesundheit schenkt. Und er sieht, dass diese Abhängigkeit nicht bedeutet, dass er kleingemacht und als unterlegen angesehen wird, so wie wenn ein Kind gezwungen wird, für ein Geschenk danke zu sagen. Im Gegenteil. Die Abhängigkeit von Gott gibt ihm Bedeutung und Wert. Die Abhängigkeit von Gott bedeutet Stärke, Freiheit und Würde.

             Gott gibt nicht, um Dankbarkeit und Macht zu erhalten. Die Macht besitzt er ja bereits.            

             Gott gibt Stärke, Erlösung, Freiheit und neue Luft in der Lunge.

             Damit wir leben und weitergeben können, was wir erhalten haben. Dies ist es, was die Geschichte von Jesus verkündet. Dies ist es, woran der Glaube glaubt.

             Als Jesu Geschwister, als Kinder Gottes, die mit seinem Heiligen Geist getauft sind, haben wir die Vollmacht erhalten, das weiterzugeben, wovon wir selbst leben. Wir haben von Gott Vollmacht erhalten, zu geben - zu vergeben, neue Hoffnung und neuen Lebensmut weiterzureichen.

             Der Dank des Samariters ist kein höfliches Vergelten, sondern Glaube. Glaube daran, dass Gott etwas mit ihm will. Der Samariter glaubt, dass der sein Leben wieder geschenkt bekommen hat, weil Gott etwas mit ihm will und ihn zu etwas gebrauchen will. Und Jesus gibt diesem Glauben Recht, wenn er sagt: "Steh auf und gehe hin." Steh auf - aufersteh von den Toten, von dem Alten, von dem, was missglückt und zerbrochen ist. Steh auf - aufersteh von deiner Gebundenheit an dich selbst und das Deine, und lebe dein Leben, das Gott dir genau dafür geschenkt hat. Amen.



Pastorin Margrethe Dahlerup Koch
Tim (Dänemark)
E-Mail: mdk(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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