Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

16. Sonntag nach Trinitatis, 27.09.2009

Predigt zu Lukas 7:11-17, verfasst von Else Hviid

Es ist Herbst, und wir Erwachsenen bemerken die Verwandlung in der Natur, die die Jahreszeit hervorruft. Wir gehen dem Herbst entgegen, wir rüsten uns, die Natur verfallen und absterben zu sehen, und wir wissen, wir werden uns nach ihrem Erwachen zum Frühjahr sehnen, wenn die Sonne sie zu neuem Leben erweckt.

             Wir haben dies Gefühl von Vergehen und Wiedererwachen in uns, und dennoch rüttelt es so stark in uns, wenn wir Lukas' Erzählung von dem verstorbenen Jüngling hören, der wieder zum Leben erweckt wird. Wir möchten dem widersprechen. So etwas kann doch nicht wahr sein. Die Natur kann absterben und wieder erwachen, aber unsere Sprache verwickelt sich in Widersprüche, wenn wir sagen, ein Toter werde wieder lebendig. Ist man tot, dann ist man tot. Und Leben ist dann unmöglich.

             Wir denken vom Leben zum Tode, denn so kennen wir das Leben. Hier im Evangelium wird wider alle Erfahrung vom Tod zum Leben gesprochen.

             Es ist auch die Jahreszeit, in der die Konfirmanden beginnen, zum Gottesdienst zu kommen. Vielleicht ist es das erste Mal, und am 16. Sonntag nach Trinitatis ist keine Rede von einer sanften Einführung in die großen Erzählungen des Christentums. Die Konfirmanden werden - hart und brutal - dem Schwersten, dem Sonderbarsten ausgesetzt - und dem Wichtigsten im Christentum.

             Es geht um den Tod und die Auferstehung.

             Nicht nur Tod, Herbst und Vergehen, sondern Tod und Auferstehung. Von diesem ersten Sonntag im Herbst gehen ein par rote Fäden zum ersten Sonntag im Frühlung, nämlich zu Ostern.

             Und vielleicht ist es in Wirklichkeit gar nicht schlecht, wenn man dort beginnt, wo einen der Schuh drückt.

             Und er drückt ja genau da. Ich sprach neulich mit Jonas. Er ist 12 Jahre alt. Er wollte gern mit mir über den Tod sprechen, der ihn zur Zeit tagaus tagein beschäftigt. Er kann an nichts anderes denken. Er kann nicht stillsitzen, weder in der Schule noch zu Hause oder sonstwo, weil er immer daran denken muss. Der aktuelle Anlass unseres Gesprächs war, dass er am Abend vorher im Kino "Fluch der Karibik" (Pirates of the Caribbean 3) gesehen hatte. Er hatte sich auf den Film gefreut, aber als der Film mit einer Hinrichtung begann, bei der u.a. ein Junge seines Alters erhängt wird, stockte Jonas der Atem.

             Er hat große Angst.

             Ihm wird ganz kalt um die Brust, sagt er, wenn er an den Tod denkt. Er bekommt Angst, denn "wie sieht es dort aus? Wie ist es dort?" Das möchte er gern wissen. Er hat Angst, dass da nur ein schwarzes Loch ist, dass da einfach nichts ist. Und er möchte wissen, woran ich glaube. "Glaubst Du, dass es Gott gibt?", fragt er.

             Ich konnte ihm ja nicht alle Fragen beantworten. Aber ich konnte ihm sagen, dass er nicht der einzige Junge war, der so dachte. Dass uns, wenn wir 12 oder 13 Jahre alt werden, im Ernst aufgeht, dass wir einmal sterben müssen. Und wir merken dann, wie uns ganz kalt wird, wenn wir daran denken. Ganz kalt um die Brust. Für ein Kind eine starke Formulierung.

             Ich sagte, dass alle anständigen Menschen so vom Tod denken und Angst haben. Was wäre, wenn es nicht so wäre? Wenn es uns egal wäre?

             Der Tod ist doch der größte und letzte Feind des Lebens. Das meinen wir, das meinen Menschen - auch wenn manche von uns sicher wissen, dass der Tod als eine Befreiung kommen kann - das ändert nichts daran, dass wir an den Tod als Feind denken. Dass er uns von dem trennt, was wir lieb haben, vom Leben und von denen, die wir lieben, von unseren Eltern, unseren Kindern und Freunden.

             Und wie sieht es dort aus, im Tod? Ja, darüber konnte ich nichts sagen, das weiss ich nicht. Aber ich konnte sagen, dass ich ganz sicher bin, dass da nicht einfach nur Nichts ist, sondern dass da etwas ist. Dass Gott dort ist. Ich glaube, da ist jemand, der mich erwartet, einer, der mich kennt und mich rufen wird.

             Wie kann ich das wissen? Ich habe dies Wissen vom Christentum, u.a. von der Erzählung hier, über Jesus und den Jüngling zu Nain.

             Es ist natürlich eine völlig unmögliche Geschichte, intensiv und dramatisch, ja geradezu abstoßend.

             Aber ich beobachte zweierlei.

             Zum Ersten die Solidarität in der Erzählung. Sie gibt uns darin Recht, dass es traurig ist, wenn einer stirbt, den wir lieben. Jesus gibt uns Recht darin, dass der Tod ein Feind ist. Jesus hat Mitleid mit der Mutter, steht da, und er tröstet sie: Weine nicht!

             Zum Zweiten bemerke ich, dass es offenbar wirkt, wenn Jesus ruft.

             Steh auf, sagt Jesus. Und der junge Mann richtete sich auf.

             Dann ist es einerlei mit Tod und Leichengeruch. Dann kann sich der Tote aufrichten und in das Leben hinausgehen, das ihn erwartet.

             Wie ist das möglich? Ja, darüber wissen wir nichts, wir verstehen es einfach nicht. Und wir sollen es sicher auch gar nicht verstehen. Vielleicht sollen wir uns nur wundern. Darüber, dass der junge Mann, später Jesus selbst und wir einmal von Gott gerufen werden, weil der Tod nicht ein Ort ist, an dem wir allein und auf ewig sein müssen.

             Das sind große Worte. Und sie werfen genauso viele Fragen auf, wie sie beantworten. Mindestens.

             Aber stell deine Fragen, um Gottes willen!

             Frage, ob Gott existiert, wie es aussieht, wenn wir sterben, frage nach dem Glauben, nach Leben und Tod, nach Gott und Menschen, nach dem Sinn des Ganzen. Fragt eure Eltern, euren Pastor. Fragt Jesus selbst. Geht an den Text heran und kommt in den Gottesdienst.

             Und dann wird er uns Antwort geben, Christus, wie wir ihn auch nennen, nach der Auferstehung. Manchmal antwortet er also etwas merkwürdig und nicht ganz so klar, wie wir es uns wünschen mögen. Aber die Antworten werden von der Güte Gottes handeln, dass wir das geschenkt bekommen, was wir selbst nicht nehmen können. Das Leben. Amen.



Pastorin Else Hviid
London
E-Mail: ehviid(a)googlemail.com

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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