Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

17. Sonntag nach Trinitatis / Erntedank, 04.10.2009

Predigt zu Matthäus 6:25-34, verfasst von Jürgen Diestel

Liebe Gemeinde,
ich habe vor kurzem eine Geschichte gelesen, die meiner Meinung nach helfen kann, dem heutigen Predigttext näher zu kommen:

Wie im Predigttext aus der Bergpredigt Jesus die Menschen lehrt, so gibt hier ein alter Indianer seine Lebensweisheit an seinen Enkel weiter. In beiden Dialogen geht es um Kräfte, die im Herzen der Menschen miteinander ringen.
"Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust" beschreibt Goethe diesen Zustand in seinem Faust.
Der Indianer in der kurzen Erzählung spricht gar von zwei Wölfen, die in seinem Herzen miteinander kämpfen:

Schweigend saß der alte Indianer mit seinem Enkel am Lagerfeuer. Die Bäume standen wie dunkle Schatten, das Feuer knackte und die Flammen züngelten in den Himmel.
Nach einer langen Weile sagte der Alte: Manchmal fühle ich mich, als ob zwei Wölfe in meinem Herzen miteinander kämpfen. Einer der beiden ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Der andere aber ist liebevoll, sanft und mitfühlend.
"Welcher der beiden wird den Kampf um Dein Herz gewinnen?" fragte der Junge
"Der, den ich füttere," antwortet der Alte.

Auch im Predigttext geht es um zwei zwei Kräfte, die gegensätzlich in den Herzen und Seelen der Menschen wirken. 

Zum Einen beschreibt Jesus ein Bild, das eher zurückhaltend und still in den Herzen der Menschen lebt. Er weist auf das Gute und Schöne in der Schöpfung Gottes hin und auf das Umsorgtsein in Gottes Gnade, das uns frei macht. Der Messias weckt Hoffnung und Sehnsucht auf das Reich Gottes

Auf der anderen Seite sind die zerstörerischen Kräfte der Sorgen, die uns belasten. Wenn sie übermächtig werden, können sie uns fertigmachen, uns alle Freude am Leben rauben.
Jesus sieht in unser Herz und sagt uns im heutigen Predigttext:
Predigt Matth.6,25-34  
25 Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? 27 Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? 28 Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. 30 Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? 31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.

Liebe Gemeinde,
die Welt sehen wir mit unseren Augen, tatsachlich begreifen tun wir sie jedoch mit unseren Herzen. Was Jesus seinen Jüngern verkündet, ist eine Botschaft des reinen Herzens, geboren aus einem reinen Herz, und Jesus lehrt sie aus seinem reinen Herzen heraus.
Selig sind die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott sehen.

Ich denke, Jesus möchte mit seiner Rede gegen unsere Sorgen einen Weg in uns freimachen. Er will bei seinen Zuhörern eine Freiheit des Herzensblicks erschaffen, dass sie die Schönheit der Schöpfung Gottes, das Morgenlicht des nahen Himmelreichs wieder sehen lernen, das so nahe vor ihnen ist, und doch so schwer zu erkennen. Er möchte den Blick freiräumen für den Glanz der Hoffnung und die Ruhe der Geborgenheit in seiner Liebe.

AberSorgen gehören zu unserem Alltag. Vieles ist oft durch Berge von Sorge, Angst und Verzweiflung verstellt.
Doch Jesus sagt: Darum sollt ihr nicht sorgen,
Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.

Wenn unsere Herzen sehen, so wie Jesus sieht, werden wir Frieden, Dankbarkeit und Liebe untereinander finden.

Heute ist Erntedank, Wir freuen uns an der wundervoll geschmückten Kirche, am Überfluss der Ernte. Wir sind dankbar, dass viele unserer Arbeiten nicht umsonst gewesen sind. Sie haben Früchte getragen. Wir sind dankbar, dass wir in Ruhe und Frieden hier zusammenkommen können. Wir sind dankbar, dass in unserem Land keiner hungern muss und keiner ohne ausreichend Kleidung sein muss.
Aber wir haben deswegen nicht weniger Sorgen, die uns belasten, die uns in die Irre führen. Wenn wir uns heute mit Jesus zu einer Bergpredigt treffen könnten, dann würde er andere Sorgen sehen:
Menschen dürfen auf ihrer Arbeitsstelle keine Fehler machen, auch wenn es ihnen mal schlecht geht, haben sie vollen Einsatz zu zeigen, sonst verlieren sie ihren Job.
Wir müssen attraktive, ausgeglichene Partner in unseren Beziehungen sein.
Heutzutage meint man, für seine Kinder müssen optimale Startbedingungen geschaffen werden, sonst wird nichts aus ihnen.
Wir müssen unsere Rechnungen pünktlich bezahlen
Zuhause muss alles sauber und aufgeräumt sein.
Wir müssen soziale Kontakte pflegen, zur Familienangehörigen, zu Freunden und zu Bekannten,
Wir haben Angst zu spät zu kommen und vom Leben bestraft zu werden.
Wir sorgen uns nicht das zu finden, was wir erreichen können. Nicht den richtigen Ausbildungsplatz, den Studienplatz, das richtige Haus, das neue Auto.
Wir ängstigen uns vor Einsamkeit und Alleinsein.
Wir fürchten im Tod alles zu verlieren, was wir mit so viel Mühe zusammenhalten.

Das meiste sind andere Sorgen als damals, eigentlich alles Luxussorgen, aber auch diese Sorgen machen unser Herz schwer und dunkel. Sie verstellen den Blick auf das Wesentliche.
 
Doch Jesus sagt:
Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?
Und er hat recht! Das Leben ist mehr als Sorgen um Nahrung und passende Kleidung.
Das Leben ist Lachen unserer Kinder, das Leben ist reiche Ernte und das Leben ist Liebe unter den Menschen. Darum sind wir hier zusammen und feiern Erntedank. Seht die Früchte, seht die schönen Blumen, hört die Lieder der Vögel und der Menschen. Nicht wir haben sie gemacht! Unser Himmlischer Vater hat das Alles ins Leben gerufen und ernährt uns doch.

Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. 30 Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen?

Aber ist es nicht auch gerechtfertigt dass wir kleingläubig sind?
Was ist mit den Lilien, die auf steinigem Grund wuchsen und vertrockneten, was mit denen, die achtlos zertrampelt wurden, was mit denen, die das Vieh fraß. Die Natur ist doch nicht überall so schön wie eine blühende Blume, sie ist auch grausam und gnadenlos. Was ist mit unserem Leben, wo es scheitert, wo es nicht weitergeht, wo Tod oder Trennung ihr endgültiges Wort gesprochen haben?
Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden.


Müssen sich Jugendliche am Anfang ihres Lebens nicht viel eher auf das konzentrieren und verlassen, was ihnen der Berater auf dem Arbeitsamt sagt?
Investiert in eure Bildung.
Als Unqualifizierte steht ihr am Ende der Kette und rutscht ab.
Seht zu dass Ihr jede Möglichkeit wahrnehmt Euch weiterzubilden.
Ihr müsst flexibel und mobil sein, um auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren.
Krempelt die Ärmel hoch und spuckt in die Hände, Arbeit lohnt sich. Das Wichtigste bei einer Bewerbung ist selbstbewußtes Auftreten und ein ansprechendes Äußeres.
Das sind doch alles Aussagen, die nicht verkehrt sind, aus kluger Marktanalyse erwachsen, logisch, für jeden nachvollziehbar. 
Zweifellos.
Wie merkwürdig sind die Worte, die Jesus dagegen setzt:
Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.
Das erscheint heute wie damals vielen Menschen als nicht wirklichkeitsnah, als unlogisch und nicht tragfähig.
Und Christen geben ja auch zu: Es ist nur anders zu begreifen als mit logischen Verstand, aber tragfähig ist es allemal. 
Denn im Laufe der Zeit ist keine Rede häufiger gedruckt, gelesen, zitiert und intensiv bedacht und diskutiert worden, als die Worte Jesu. Und das Erstaunliche ist, gerade diese Worte Jesu stellen sich letztendlich als wahr und wirksamer heraus. Sie stehen keinesfalls im Widerspruch zur Realität.  Denn sie sind Nahrung für das  menschliche Herz. Ihren Ursprung haben sie in der Liebe des Messias zu seinem Vater im Himmel und zu uns Menschen. und das Ziel liegt in der Hoffnung darauf, in der Gnade des himmlischen Vaters umsorgt und geborgen zu sein. Von dort beziehen sie ihre Wahrheit. 

"Welcher der beiden Wölfe wird den Kampf um Dein Herz gewinnen?" fragt der Indianer junge seinen weisen Großvater.
Auch wir stehen in dem Predigttext vor dieser Frage.
Aber eigentlich haben wir diese Frage schon ein bischen selbst beantwortet.
Wir haben abgestimmt mit den Füßen. Wir haben uns aufgemacht, um gemeinsam dieses Erntedankfest zu feiern. Wir versuchen am Sonntag unsere Sorgen zu hause zu lassen und Gottesdienst zu feiern. Wir sind gekommen, um innezuhalten, zuzuhören, mitzusingen und zu feiern. Alle, die sich aufgemacht haben, haben in ihrem Herzen eine Ahnung, dass hinter der Mühe, die ein jeder Tag mit sich bringt, das  Morgenlicht der Wahrheit von Jesus Christus leuchtet.
Jeder von uns sieht mehr oder weniger deutlich, dass sich über aller Lebensstrategie und besorgniserregender Realität eine für uns nicht fassbare, größere göttliche Wahrheit verbirgt, die Jesus sehen konnte, und von der sein Wort zeugt.
Das soll unsere Hoffnung und unserer Glaube sein. Jesus befreit unseren Blick, er macht  frei für den Glanz der Hoffnung und die Ruhe der Geborgenheit in seiner Liebe. Er will unsere Herzen heil machen.  Wenn unsere Herzen sehen, so wie Jesus sieht, werden wir Frieden und Liebe untereinander finden.
Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen in Jesus Christus, Amen.

Predigtlied: EG 455




Jürgen Diestel

E-Mail: juergendiestel@googlemail.com

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