Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

20. Sonntag nach Trinitatis, 25.10.2009

Predigt zu Matthäus 22:1-14, verfasst von Margrethe Dahlerup Koch

"Weekendavisens" Chefredakteur Anne Knudsen erzählt in einem Kochbuch, wie sie 1971 als junges Mädchen in einem Geschäft einkaufte, in dem es Mikro-Makro-Lebensmittel gab. Als sie nach Hause kam, entdeckte sie, dass die Graupen, die sie gekauft hatte, voller Ungeziefer waren. Sie ging wieder in das Geschäft, um zu beanstanden, was sie bekommen hatte, aber nur, um von dem langhaarigen, leisen und freundlichen jungen Burschen, der sie bediente, die Antwort zu erhalten: "Das zeigt ja gerade, dass die Ware rein ist. Wenn die Tierchen das essen können, können Sie es auch." Und das ist ja eine fromme Argumentation, auf die einem nicht so leicht eine passende Antwort einfällt.

            Das Natürliche ist das Reine und Gute - das Natürliche kann per definitionem nicht verkehrt oder hässlich oder schädlich sein. Das ist eine Einstellung, die man einmal bei fröhlichen, friedliebenden Hippies hat antreffen können.

            "Sie ist so natürlich und geradezu" - auch in unserem Jahrtausend ist das eine Lob. Das kleine Mädchen mit den flachen Schuhen, unkomplizierte Menschen mögen wir, und wir möchten gern selbst so sein wie sie. Und wenn doch nur alle so wären, dann könnten wir uns auch vorstellen, dass das Leben der Menschen miteinander leicht und schmerzlos wäre. Wenn wir doch nur den Mut hätten und wagten, im Verhältnis zueinander wir selbst zu sein.

            Eine derartige Vermutung und ein solches Menschenbild beruht auf dem Glauben, wir alle seien im Grunde gut. Gräbt man tief genug und nimmt alles Böse weg, was sich im Laufe der Zeit angesammelt hat, - die misslungene Erziehung, die man bekommen hat, das Misstrauen gegenüber dem eigenen Fähligkeiten, das einem schlechte Lehrer beigebracht haben, die Angst vor der Liebe, die zerstörte Liebesverhältnisse hinterlassen haben - gräbt man m.a.W. wirklich bis auf den Grund und beseitigt alles, was man verheimlicht, erlogen und maskiert hat, dann gelangt man am Ende zu einem reinen und giftfreien Naturprodukt, das wir "das wahre, unverdünnte, natürliche und deshalb Gute" nennen.

 

Das Gleichnis von heute vom König und seinem Gast, der kommt, wie er gerade ist, verkündet etwas anderes. In dem Gleichnis, das Jesus erzählt, ist der natürliche Mensch der verdammte Mensch. Der ökologische Mensch, dem nichts beigemischt ist, ist hier nicht gut. Er ist verdammt.

            Der Mann ohne Hochzeitsgewand ist der Mensch, so wie wir sind, wenn wir wir selbst sind. Und uns selbst genug.

            Der Mann in dem Gleichnis hat kein Festgewand angelegt. Er ist auf dem Fest, aber er will nicht daran teilnehmen. Ihm soll die Rolle des Zuschauers genügen. Das ist die Verdammnis.

            Die Verdammnis, die keine Drohung der Zukunft ist - etwas, was einmal alle Bösen und Ungläubigen treffen wird, die merkwürdigerweise immer die "die Anderen" sind, nie aber wir selbst. In dem Gleichnis ist die Verdammnis etwas, was hier und jetzt geschieht und Wirklichkeit ist. Die Finsternis draußen wird nicht dereinst sein, sondern sie herrscht jetzt.

            Und die Verdammnis ist das, was sich einstellt, wenn wir das Leben ungeachtet vorübergehen lassen.

            - wenn wir das Heranwachsen der Kinder sich hinter unserem Rücken abspielen lassen, während wir selbst mit unseren eigenen Angelegenheiten voll zu tun hatten - mit der Arbeit, den Sorgen, dem Geld.

            - wenn wir die Liebe absterben lassen, weil Kleinlichkeit und Selbstbezogenheit den Platz beherrschen können, wo die anderen hätten sein sollen.

            - wenn das gesellschaftliche Leben etwas ist, was sich auf dem Bildschirm vollzieht und dem nur lässig zuschauen, weil wir meinen, daran brauchten wir nicht teilzunehmen - es sei denn, es ginge uns ganz persönlich an.

            Überall und jedes Mal, wenn wir uns an uns selbst und an das Unsrige verlieren, enden wir in Gleichgültigkeit - in der Finsternis draußen, wo wir allein sind.

            Die Selbstzufriedenheit und die Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber, das immer Gott und die Anderen sind, das ist die Verdammnis. Hier und jetzt.

            Wie Gott dann zu seiner Zeit richten wird - was Verdammnis ist, wenn die Zeit, unsere Zeit und die Zeit der Welt, einst vergangen ist - das ist allein Gottes Angelegenheit, seine Sorge und seine Verantwortung. Hier gilt das Wort Sören Kierkegaards, dass derjenige, der an der Seligkeit eines anderen Menschen zu zweifeln wagt, Grund hat, an seiner eigenen Seligkeit zu zweifeln.

            Derjenige, der in den Festsaal des Königs eintritt, ist ein königlicher Gast. Das will der Mann im Evangelium aber nicht sein. Ihm soll es genügen, er selbst zu sein. Ihm reicht sein eigenes Gewand. Und er muss es nehmen und davongehen. Denn der König des Gleichnisses verlangt das, was wir für die größte Falschheit ansehen: nämlich dies, dass man nicht man selbst ist. Der König lädt alle ein, bunt gemischt, aber wenn die Leute dann kommen, ja, dann verlangt er Vortäuschung - dass die Gäste etwas anderes anlegen als ihr Eigenes.

            Der natürliche Mensch, der nichts als sich selbst enthält, ist nicht gut. Er ist verdammt. Deshalb mischte sich Gott in die Welt ein. In der Bibel und in dem Lied, das wir gleich singen werden, wird das Bild von der Hochzeit als Bild für das gebraucht, was geschah, als Gott als der Mensch Jesus in die Welt kam - als der Himmel sich tief herabbeugte und die Vergebung der Sünden, die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben in die Menschen küsste.

            Das zu hören ist immer so schwer gewesen - und wird es immer sein. Dass wir verdammt sind - dass wir uns in Gott und ineinander irren, dass unser Leben draußen in der Finsternis endet, wenn wir selbst bestimmen. - Und deshalb müssen wir uns etwas anderes "an-legen" als unser Eigenes. Darin besteht unser Heil und die Erlösung von uns selbst und von unserem eigenen todgeweihten Leben.

            Wenn wir Jesus als den Erlöser bekennen, bekennen wir genau dies. In Jesus nahm Gott unser Leben und unseren Tod auf sich, und legte uns damit das Gewand an, das nötig ist, um mit Gott und miteinander zu leben.

            Man könnte das für überflüssig halten - wie Karen (Tanja) Blixen mit aristokratischer Elegance einmal gesagt hat: "Jesus hätte sich nun die Mühe um meinetwillen sparen können." Sie meinte, Jesus sei ein hervorragendes Vorbild und ein interessanter und weiser Mensch, aber dass sein Leben und sein Tod erlösende Bedeutung für andere als ihn selbst haben sollte, das fand sie sinnlos und lächerlich.

            Und dennoch ist es ja gerade dies, worum es in unserem Gottesdienst geht. Darum werden wir getauft, und darum gehen wir zum Abendmahl.

            Gott nahm alles Unsrige auf sich - unser Leben, unsere Sünden, unsere Schuld, unseren Tod - und schenkte uns dafür das Recht - des Recht der Kindschaft -, um all das Seinige "an-zulegen".

            Wenn wir das Zeichen des Kreuzes empfangen - bei der Taufe, nach dem Abendmahl und nach dem Segen - wird es uns augenfällig. Das Zeichen des Kreuzes wird uns an-getan - uns wird etwas anders als wir selbst und unser Eigenes an-gelegt. Wir haben Christus angezogen, sagt Paulus. Wir erhalten Jesu Leben, Tod und Auferstehung als unser Eigenes.

            Wer davon überzeugt ist, dass er im Grunde seines Herzens gut ist und dass das Leben machbar ist, wenn man sich nur Mühe gibt, hat andere nicht nötig als nur sich selbst. Die anderen sind zur Not unterhaltsame Beiträge, und Gott ist überflüssig. Vielleicht ein interessanter Gedanke und eine spannende Erwägung. Vielleicht ein fremdartiges Gewürz, mit dem man sein Dasein würzen kann, soweit man es angemessen findet. Aber keine Notwendigkeit. Und dann hat Gott aufgehört, Gott zu sein. Und das Leben ist nichts anderes als das, wozu wir es selbst aufblasen können.

            Damit wir nie in diesem Unglauben an uns selbst verdammt sein sollen, hat Gott in der Weihnachtsnacht Hochzeit gefeiert und ist den Menschen gleich geworden. In dem Mann Jesus hat Gott sich unseres Schicksals "an-genommen". "Unser Fleisch und Blut nimmt er auf sich, und er schenkt uns seine Göttlichkeit" - so werden wir zu Weihnachten singen.

            Wir sind das geworden, was wir nicht in uns selbst sind. Wir sind Gottes Kinder geworden.

            Wir sind nicht auf den Platz der Mauerblümchen verwiesen. Wir können leben, wie wir gerüstet sind. Amen

 

Pastorin Margrethe Dahlerup Koch
Tim (Dänemark)
E-Mail: mdk(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier




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