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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr, 15.11.2009

Predigt zu Matthäus 22:15-22, verfasst von Morten Fester Thaysen

Über das Verhältnis von Religion und Politik sagt Jesus: Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.

             Was das bedeutet? - ja, darüber wird heute viel Unsinn geredet.

            Manche Menschen schießen gleich los und sagen, es bedeute, dass wir das, was dem Kaiser zugehöre, von dem trennen müssten, was Gott zugehöre. Politik und Religion hätten nichts miteinander zu tun. Politik sei eine öffentliche Angelegenheit, Religion sei aber Privatsache. Politik habe mit dem Leiblichen zu tun, Religion mit dem Geistigen. Deshalb seien diese beiden Größen hundertprozentig voneinander zu trennen. Religion und Politik hätten nichts miteinander zu schaffen. Die so reden, haben allerdings kein bisschen verstanden. Deshalb reden sie Unsinn.

            Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist, sagt Jesus. Die Pointe ist, dass er die beiden Dinge gerade nicht trennen wollte - denn sie lassen sich nicht trennen. Jesus will vielmehr den Kaiser und Gott in ihr rechtes Verhältnis zueinander bringen.

            Und eben dies, Kaiser und Gott ins rechte Verhältnis zueinander zu bringen - oder dies, Politik und Religion ins rechte Verhältnis zueinander stellen zu können, ist überhaupt das Wichtigste, wenn wir mit Politik zu tun haben und wenn wir zur Wahl gehen.

            Gott ist nämlich nicht damit zufrieden, nur dem Privatleben zuzugehören. Gott will das Ganze, und zwar ohne Rücksicht darauf, was manche Politiker über diese Sache behaupten mögen.  Gott will das Leben nach außen und nach innen. Gott will den Leib haben. Er vill die Seele haben. Denn Gott will die Macht über Himmel und Erde haben.

            Denn Gott hat den Himmel geschaffen. Er hat die Erde geschaffen. Er hat den Menschen geschaffen und ihn in seinem Bild geprägt. Und geschaffen mit dem Bild Gottes in sich bedeutet, dass Gott die Macht über uns hat. Es bedeutet, dass wir durch unser Gewissen wissen, was Gott mit uns vorhat. Denn unser Gewissen ist unser Wissen mit Gott.

            Ja, Gott will das Ganze. Wir wissen das. Gott will auch den Kaiser, den König, die Königin haben. Er will die Regierung haben. Er hat ihr die Macht zugeteilt, die über uns ausgeübt werden soll. Deshalb können die Politiker auch nicht nach Gutdünken mit ihr schalten und walten. Denn Gott hat der Regierung nur um einer Sache willen die Macht übertragen - nämlich sich der Schwachen anzunehmen. Politische Macht handelt nämlich nur von einer Sache, - nämlich sich der Schwachen anzunehmen. Und nichts sonst. Deshalb müssen wir auch darum beten, dass die Politiker ihre Macht ordentlich wahrnehmen. Und im Verhältnis zu ihnen gesehen ist die Macht Gottes über allem und in allem in alle Ewigkeit. Also gib Gott, was Gottes ist.

            Was sollen wir dann dem Kaiser geben? Die Politik, die der Kaiser oder die Regierung macht, ist Menschenwerk, nichts weiter. Menschenwerk in einer Welt, die alles andere als eindeutig ist. Denn die Welt ist zweideutig. Sie ist unvollkommen. Sie ist der Vergänglichkeit unterworfen. Wir sehen nur durch einen Spiegel, in einem dunkeln Wort. Und unsere Erkenntnis ist Stückwerk.

            Und die Welt besteht ja nicht geradezu aus lauter vollkommenen menschenfreundlichen wahrheitsliebenden Menschen. Wir brauchen uns nur umzuschauen. Sie besteht aus Menschen wie du und ich, die alles andere tun als den Willen Gottes. Wir sündigen und betrügen und töten drauflos. Wir tun unablässig Dinge, deren Folgen wir nicht durchschauen können. Ist es z.b. böse, dass wir Soldaten nach Afghanistan schicken? Manche sind dieser Meinung. Andere meinen, es sei gut - denn die Soldaten trügen zur Sicherung des Friedens bei, so dass das Land wieder aufgebaut werden könne. Ist böse, was wir den Flüchtlingen hierzulande antun? Manche sind dieser Meinung. Andere meinen, die gegenwärtige Flüchtlingspolitik sie anständig. Wir wissen nur stückweise, was gut und was böse, was richtig und was verkehrt ist. Wir sehen noch durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort.

            In dieser zweideutigen Welt muss Politik gemacht werden um der Schwachen willen. Politischen Auffassungen wird immer etwas Unvollkommenes anhaften. Der Politiker muss immer Worte sagen wie: im Augenblick müssen wir so und so sagen, aber im Blick auf die Zukunft... - und wir müssen doch trotz allem für die Zukunft arbeiten. Und man hat einen Standpunkt nur, bis man einen neuen Standpunkt einnimmt. Aber so muss es wohl sein. Denn Politik ist ein sehr menschliches Handwerk und gelegentlich ein schmutziges Handwerk, das den Bedingungen der Zweideutigkeit unterliegt.

            Ob die Wahrheit also bei den Linken oder bei den Bürgerlichen liegt - das weiß niemand. Wir können nur auf unser Gewissen hören. Darüber ist sich auch der Politiker im Klaren - es sei denn, er glaubt, er könne wie ein Gott das wahre Paradies auf Erden schaffen.

            Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Gott will haben, was er haben will. Und Gott redet jeden Sonntag in unsere zweideutige Welt hinein, so dass wir es hören deutlich können. Gottes Wort ist dafür aber alles andere als zweideutig. Es sagt: Gottes Gnade gegenüber Sündern ist groß. Und du sollst den Herren, deinen Gott und deinen nächsten lieben wie dich selbst. Nun obliegt es dann deiner persönlichen Verantwortung, in dieser zweideutigen Welt so zu handeln, wie es dir dein Gewissen befiehlt. Und du kannst dich dem Handeln nicht entziehen. Ob es aber politisch gesehen in die eine oder die andere Richtung geht - ob es ganz nach links oder ganz nach rechts geht oder irgendwo dazwischen liegt, das herauszufinden, ist deine Verantwortung. Auf jeden Fall verpflichtet dich Gottes Wort auf dein Gewissen. Und du musst handeln. Gib also Gott, was Gottes ist. Gib Gott deinen Glauben und dein Gewissen und gib dann dem Politiker deine Stimme und dein politisches Engagement. Wir müssen die beiden Seiten in das richtige Verhältnis zueinander bringen.

            Der Politiker muss dein Engagement verlangen. Er muss dein Geld verlangen. Er muss deinen Arbeitseinsatz verlangen. Er kann Macht über dich ausüben - denn die Macht ist ihm anvertraut worden, damit den Schwachen geholfen werden kann. Ohne politische Macht würde Krieg aller gegen alle herrschen und der Stärkste schließlich den Sieg davontragen. Bloß ist der Politiker nicht Gott, sondern ein Mensch und nur ein Mensch. Er hat deshalb keine Macht über dein Gewissen. Er hat keine Macht über deine Gedanken, deinen Glauben und deine Rede.

            Viele Politiker hassen eben deshalb das Christentum. Denn wie Gott wollen sie das Ganze haben - deshalb spielen sie sich trotzdem auf und machen sich zu Richtern über Gut und Böse, über Leben und Tod. Und sie wollen mit aller Macht dein Gewissen mit Beschlag belegen - und deine Gedanken und deine Rede. Aber da haben sie sich an die Stelle Gottes gesetzt, und sie müssen abgewählt werden.

            Und dann noch eine kleine Geschichte: Man erzählt, dass Stalin, der wie kein anderer seinem russischen Volk gegenüber Gott spielte, eines Tages beim staatlichen Rundfunk anrief. Er wolle wissen, ob man eine Aufnahme des 23. Klarierkonzertes von Mozart mit der russischen Pianistin Judina habe. Stalin bewunderte sie sehr.

            Man hatte nun keine solche Aufnahme, aber das wagte man nicht zu sagen, denn dann würde man nach Sibirien verschleppt werden. Also sagte man ja - und man würde die Schallplatte am folgenden Tag spielen. Guter Rat war teuer. Es gelang, das Orchester und Judina zuzsammenzutrommeln. Man begann mit der Aufnahme. Es klang schauderhaft. Den Musikern zitterten die Hände, der Dirigent erlitt einen Nervenzusammenbruch. Ein neuer Dirigent wurde herbeigeholt, der aber auch zusammenbrach. Ein dritter Dirigent wurde beschafft - und endlich ging es. Nicht gut, aber es ging. Nur Judina spielt völlig ruhig. Die Schallplatte wurde abgeliefert. Alle waren erleichtert. Stalin bedankte sich brieflich bei Judina und ließ ihr 20.000 Rubel zukommen. Sie antwortete. Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit. Ich werde Tag und Nacht für Sie beten und den Herrn anflehen, dass er Ihnen Ihre schweren Sünden an unserem Volk und unserem Land vergeben möge. Das Geld habe ich für die Renovierung der Kirche gestiftet, der ich angehöre.

            Wurde sie nach Sibirien geschickt? Nein, merkwüdigerweise nicht. Als Stalin nicht lange danach tot aufgefunden wurde, lag genau diese Schallplatte mit Judina auf seinem Plattenspieler. Es war die letzte Platte, die er gehört hatte.

            Judina wagte es, Stalin in die Schranken zu weisen - den Kaiser. Er war ein Mensch und nichts anderes. Ein Mensch, für den sie beten wollte. Gottes Macht besaß er nicht - deshalb hatte Judina auch keine Angst vor Stalin - und deshalb wagte sie auch unbefangen das Nötige zu tun, nämlich dem Kaiser zu geben, was des Kaisers war, und Gott, was Gottes war. Lasst uns ebenso handeln! Amen.



Pastor Morten Fester Thaysen
Varde (Dänemark)
E-Mail: mht(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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