Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag im Kirchenjahr - Ewigkeitssonntag / Gedenktag der Entschlafenen, 22.11.2009

Predigt zu Matthäus 25:1-13, verfasst von Paul Geiß

Vorbemerkung:
Natürlich habe ich bei dieser Predigt meine eigene Dorfgemeinde vor Augen, deshalb bedarf sie der persönlichen Bearbeitung. Denn jede Situation ist anders und verlangt eine andere persönliche Verkündigung.
Totensonntag - Ewigkeitssonntag, hier sind der Prediger und die Predigerin ganz persönlich gefordert, man hat selbst eine Menge Beerdigungen miterlebt, vollzogen, das wird ja niemals Routine, auch wenn man immer wieder am offenen Grab steht und seine theologischen Deutungen in gleicher oder ähnlicher Form zuzusprechen gewohnt ist. Die eigene authentische Rede kann diese Predigt vielleicht stimulieren, aber nicht ersetzen. Sie muss deshalb persönlich verantwortet mit eigenen, vielleicht auch stammelnden Worten weitergegeben werden.


Mt. 25, 1 - 13
Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug.
3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. 4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen.
5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! 7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig.
8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen.
9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst.
10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen.
11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wachet! Denn ihr wißt weder Tag noch Stunde.

Liebe Gemeinde,

Totensonntag - Ewigkeitssonntag. Am Ende des Kirchenjahres halten wir inne, gedenken der in diesem Jahr entschlafenen Gemeindeglieder, predigen und hören von den letzten Dingen, dem Ende der Zeit und der Welt im Lichte der Verheißungen Jesu.
Wir begrüßen die vielen Trauernden im Gottesdienst und nehmen Anteil an ihrem Leid.
Das Bild des Menschen, der von Ihnen gegangen ist, wird Sie in diesem Gottesdienst, in dieser Predigt begleiten. Bei der Trauerfeier anläßlich des Trauergottesdienstes haben Sie von der Verheißung gehört, die uns Christen durch den Tod und die Auferstehung Jesu mitgegeben worden ist. Christus spricht im Johannesevangelium: Joh 16,22 Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
Wann wird er uns wiedersehen? Noch zu unseren Lebzeiten oder auch jenseits des Todes? Er ist uns ja vorangegangen.

Mit Verheißungen ist es eine etwas seltsame Sache. Sie werden klar ausgesprochen, uns überliefert, aber dennoch sind sie merkwürdig unscharf.
Wann werden sie sich erfüllen? Wann tritt das ein, was Jesus verheißt, welches sind die genauen Zeichen des Endes und des Beginns der Ewigkeit? Wann wird er uns wiedersehen? Können wir dann auch die Menschen, die wir liebhaben und die von uns gegangen sind, wiedersehen und in welcher Form?
Jesus antwortet mit einem Gleichnis, dem Gleichnis von den klugen und den törichten Frauen, die den Bräutigam begrüßen sollen, wenn er kommt und zum Festsaal einzieht, wo ihn die Braut erwartet.
Es geht in diesem Gleichnis also um ein Fest, nicht um Trauer und Verlust, nicht um Traurigkeit und Verzweiflung, es geht um ein Fest mit einer langen, vielleicht langweiligen Wartezeit vorher. Ein Fest, das die einen feiern können, weil sie warten können und vorbereitet sind, die anderen aber nicht.
Trifft das den Ton dieses Gottesdienstes, in den heute soviele gekommen sind, um ihrer Entschlafenen zu gedenken?
Warten wir es ab. Denn alles hat seine Zeit und seinen Ort. Trauer hat ihren Ort und Freude, Abschied hat seinen Ort und Wiedersehen. Und heute hat das Nachdenken über den Tod und die letzten Dinge hier in diesem Gottesdienst seinen Ort.

Lassen Sie uns gemeinsam eine Strophe singen, die uns mitten hineinführt in diese Situation:
EG 146, 1 »Wachet auf«, ruft uns die Stimmeder Wächter sehr hoch auf der Zinne, »wach auf, du Stadt Jerusalem!
Mitternacht heißt diese Stunde«; sie rufen uns mit hellem Munde: »Wo seid ihr klugen Jungfrauen? Wohlauf, der Bräut'gam kommt, steht auf, die Lampen nehmt! Halleluja!
Macht euch bereit zu der Hochzeit, ihr müsset ihm entgegengehn!

Sie haben gewartet die Frauen, die den Bräutigam begrüssen sollten, es hat lange gedauert. Der Bräutigam wollte schon früher kommen, aber er kam nicht. So haben sie gewartet, die Frauen, mit ihren Lampen, in ihren Festkleidern, aber er kam nicht. Die kleine Schar ist müde geworden, hat gewartet, und schliesslich sind sie alle eingeschlafen.
Hinter der Müdigkeit verbirgt sich Traurigkeit: Er hat versprochen zu kommen und ist noch nicht da. Was soll das, warum hält er sich nicht an seine Zusagen?
Viele erwarten gar nichts mehr, manche haben das Warten aufgegeben. Dabei ist unser ganzes Leben immer wieder durchzogen vom Warten, von dem, was schon da ist und dem, was noch kommen soll. Von dem, der schon da ist, gekommen ist, und dem, der noch kommen soll. Und jetzt ist er da, der Bräutigam, die Wächter rufen es, der Zug mit dem Bräutigam ist eingetroffen, der Jubel und das verheißene Fest, es kann beginnen. Wie weggefegt scheint die Traurigkeit.

Und doch, der Jammer beginnt erneut. Einige Frauen stellen fest, sie haben nicht genug Vorrat an Lampenöl mit in die Wartezeit genommen. Das Licht geht aus, die Lampen verlöschen, sie können nicht jubeln und feiern.
„Könnt Ihr uns nicht etwas abgeben?" Die bange Frage wird mit einem „Nein" beantwortet. Da bitten einige und andere antworten vielleicht auch mit bangem Herzen: „Nein". Sich verweigern erfordert Kraft und Energie, die hat nicht jeder. Aber das Fest ist wichtiger, die Feier soll glänzend begangen werden, und dazu braucht man sein eigenes Licht.

Für einige ist es zu spät, sie konnten sich auf die Wartezeit nicht einrichten, sie waren nicht vorbereitet. Sie haben in ihrer Spannung und in ihrer Erwartung nachgelassen. Sie bleiben aussen vor.
Wer warten kann, wird belohnt. Wer warten kann auch über den Tod hinaus, der wird belohnt. Das ist die Botschaft dieses Tages: „Wartet, wachet, denn ihr wisst nicht Zeit noch Stunde, zu der der Herr kommen wird", um im Gleichnis zu bleiben: „zu der der Bräutigam kommt".
Warten auf die Ankunft des Bräutigams, warten auf die Wiederkunft Jesu, warten auf das Ende von Zeit und Welt, das verlangt von uns allen Demut und Geduld, Vorbereitung und eine andauernde innere Spannung.
Und: Das Fest lohnt den Aufwand. Das sollten sich alle Christen sagen
In wunderbarer Musik ist diese Wiederkunft Christi schon vorweggenommen worden, in Johann Sebastian Bachs Vertonung dieses Liedes, in Johannes Brahms Vertonung des Verses aus dem Johannesevangelium in seinem Requiem mit dem überirdischen Sopran über dem vollen Orchester: Ich will Euch wiedersehen und Euer Herz soll sich freuen und Eure Freude soll niemand von Euch nehmen.

Auch in der zweiten Strophe klingt der Jubel schon mit: EG 147, 2, :
Zion hört die Wächter singen, das Herz tut ihr vor Freude springen, sie wachet und steht eilend auf.
Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig, von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig, ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.
Nun komm, du werte Kron, Herr Jesu, Gottes Sohn! Hosianna! Wir folgen all zum Freudensaal und halten mit das Abendmahl.


Verklungen ist das Lied, verklungen dieser Vers. Unser Herz will dem Jubel nicht so recht trauen. Wir sind noch bei der Trauer, bei der Erschütterung, die der Tod in uns hinterlassen hat.
Als Pfarrer musste ich an vielen Gräbern stehen und Gottes Trost weitersagen, obwohl mir doch auch manches Mal schwer ums Herz war. Die Trauernden waren manchmal so tief in ihr Leid verstrickt, dass sie kaum etwas erreichen konnte.
Nicht alle, bei manchen war auch eine verhaltene Erleichterung zu spüren: Endlich durfte der Vater, die Mutter einschlafen nach langer quälender Pflege.
Aber der Blick geht nach vorne. Die klugen Frauen haben vorgesorgt, das Fest des Endes von Zeit und Welt hat begonnen, der Brätigam ist da. Wer nicht vorbereitet war, bleibt zurück.  - Es scheint also doch ein „zu spät" zu geben, ich mag es mir gar nicht ausmalen.  -
Jetzt jedoch soll der brausende Jubel gar nicht verstummen:
Vielleicht schaffen wir es ja doch ein wenig oder mehr miteinzustimmen:
EG 147, 3. Gloria sei dir gesungen mit Menschen- und mit Engelzungen, mit Harfen und mit Zimbeln schön.
Von zwölf Perlen sind die Tore, an deiner Stadt; wir stehn im Chore der Engel hoch um deinen Thron.
Kein Aug hat je gespürt, kein Ohr hat mehr gehört solche Freude. Des jauchzen wir und singen dir das Halleluja für und für.


Dieses Lied, es ist wie eine Art jubelndes, schluchzendes Stammeln angesichts des Endes. Die Wartezeit ist vorbei, Zeit und Welt, sie sind zu Ende, Assoziationen aus dem Lied klingen zusammen mit dem Gleichnis und nun am Ende taucht sie auf, die mythische Stadt Jerusalem, deren Tore geschmückt mit gewaltigen Perlen glänzen.
Da möchte doch jeder einstimmen, wenn auch unter Tränen.
Und auch dazu wird etwas im Neuen Testament gesagt: In der Offenbarung des Johannes hat es der Seher, der Visionär auf der Insel Patmos aufgeschrieben:(Offb. 21, 3-5a)
Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;
und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!
Wahrscheinlich kann man nur so reden vom Ende, von Tod und Ewigkeit, stammelnd, singend, in Gleichnissen, mit merkwürdig unscharfen Verheissungen, die dennoch Trost schenken.
AMEN.



Pfarrer Paul Geiß
Jugenheim
E-Mail: geiss.ev.kirche@t-online.de

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