Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag im Kirchenjahr - Ewigkeitssonntag / Gedenktag der Entschlafenen, 22.11.2009

Predigt zu Matthäus 25:1-13, verfasst von Frank Fuchs

Von den klugen und törichten Jungfrauen
1 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen.
2 Aber fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug.
3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit.
4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen.
5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.
6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen!
7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig.
8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen.
9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst.
10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen.
11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf!
12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.
13 Darum wachet! Denn ihr wißt weder Tag noch Stunde.

Liebe Gemeinde!

Wer über den Marktplatz in Erfurt zum Dom geht, steigt eine lange steinerne Treppe empor, um zum Eingang des Doms zu gelangen. Dort befindet sich ein sehr großes und beeindruckendes gotisches Portal. Dieser Eingang ist mit 12 Figuren dargestellt. Der Eingang zeigt die fünf klugen und die fünf törichten Jungfrauen, flankiert von zwei weiteren Frauen, die die Ekklesia und die Synagoge darstellen. Die Ekklesia steht natürlich auf der Seite der klugen, die Synagoge auf der Seite der törichten Jungfrauen. Der Zeit entsprechend wurde hier Polemik geübt.

Dass dieses Gleichnis am Eingang eines Doms dargestellt wurde, zeigt, wie wichtig das Gleichnis genommen wurde. Es handelt sich um eine sehr bedeutende Steinmetzarbeit aus dem frühen 14. Jahrhundert. Die Figuren sind sehr lebendig gestaltet. Die fünf klugen Jungfrauen sind aufrecht dargestellt und lächelnd. Ihre Öllampen brennen. Voller Stolz halten sie ihre Lampen vor sich. Sie sind feierlich geschmückt und freuen sich auf die anstehende Hochzeit. Ihre Gesichter und ihre Haltung wirken anmutig und schön.

Dagegen sind die fünf törichten Jungfrauen mit hängenden Köpfen und traurig dargestellt. Ihre Öllampen haben sie noch bei sich. Weil sie aber nicht mehr brennen, halten sie sie nur noch achtlos in der Hand, meistens nach unten geneigt. Ihre Gesichter sind voller Trauer. Ihre Augen sind meistens geschlossen. Zwei halten sich die Hand an das Gesicht. Die Gesichter wirken durch ihr Entsetzen und ihre Traurigkeit schmerzverzerrt. Den törichten Jungfrauen blieb keine Zeit mehr. Als sie endlich das Öl nachgekauft haben, kommen sie zu spät. Die Tür ist bereits verschlossen und der Bräutigam lässt sie nicht herein.

Heute am Ewigkeitssonntag gedenken wir der Verstorbenen in diesem Kirchenjahr. Wer einen lieben Menschen verloren hat, wird sich eher auf der Seite dieser traurigen Jungfrauen fühlen. Wer den Tod eines Verstorbenen beklagt, blickt auch sehr oft auf verpasste Chancen zurück. Die Zeit ist schneller vergangen als gedacht. Sie ließ sich auch nicht aufhalten. Egal ob der Abschied absehbar war oder ganz plötzlich und unerwartet kam, im Rückblick wirkt die Zeit zu kurz.

Am Eingang des Doms soll den Menschen bewusst werden, dass wir uns im Glauben doch eher an die Seite der klugen und frohen Jungfrauen halten sollen. Wenn diese Frauen am Eingang angebracht sind, dann sollen diese Steine auch sprechen. Sie sollen denen, die den Dom betreten, sagen: „Verhaltet euch wie die klugen Jungfrauen, damit es euch nicht am Ende ergeht wie den törichten!"

Heute geht es uns wie denjenigen, die den Dom in Erfurt betreten, die Jungfrauen sehen und das Gleichnis auf sich wirken lassen. Auch wir haben eine Kirche betreten. Nur begegnet uns heute dieses Gleichnis im Wort und nicht am Eingang in steinernen Figuren.

Aber was haben die törichten Jungfrauen eigentlich falsch und was haben die klugen richtig gemacht? Alle Jungfrauen haben Lampen, aber nur die klugen denken daran, genügend Öl mitzunehmen. Alle werden müde und schlafen ein. Als aber um Mitternacht der Bräutigam überraschenderweise kommt, haben nur die klugen Jungfrauen noch ausreichend Öl in ihren Lampen. Dieses Gleichnis zeigt, dass es nicht darum geht, immer wach zu sein. Es kommt nicht etwa darauf an, möglichst wenig zu schlafen. Wer müde ist, soll sogar schlafen. Wer einmal krank ist, weiß ja auch, wie gesund ein guter und tiefer Schlaf ist. Es geht auch nicht einmal darum, im richtigen Moment aufzustehen. Wir wissen, wie wichtig es ist, pünktlich und zur rechten Zeit aufzustehen. Sonst hetzen wir leicht der Zeit hinterher. Darauf kommt es aber hier nicht an. Denn alle Jungfrauen stehen zur mitternächtlichen Stunde auf.

In der Situation, in der nun alles darauf ankommt, in der es gilt, dem Bräutigam entgegenzugehen, scheint sogar das Liebesgebot außer Kraft gesetzt zu sein. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst", heißt es eigentlich. Es wäre jetzt nahe liegend, auch auf die Bitte der fünf törichten Jungfrauen einzugehen und das Öl zu teilen. Aber jetzt verhalten sich die fünf klugen Jungfrauen ganz egoistisch. Sie geben den törichten Jungfrauen nichts ab. Sie bescheiden sie mit dem Rat, selbst zum Kaufmann zu gehen und sich Öl zu kaufen. In dieser Situation wäre es auch töricht zu teilen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein, so ist die Begründung der klugen Jungfrauen. Sicherlich ist in einer schweren Lebenssituation jeder Mensch erst einmal egoistisch. Es gibt ja so etwas wie einen menschlichen Überlebens- und Selbstbehauptungstrieb, der dann einsetzt. Gerade jetzt, wo es ohnehin nicht für alle reichen würde, ist es vernünftiger, sich auf sich selbst zu besinnen.

Es kommt aber alles darauf an, sich vorbereitet zu haben. Auch zu uns sind nun diese Worte gesagt. Im Leben können wir uns tatsächlich vorbereiten. Wir können Gott in unser Leben einbeziehen und ihm jeden Tag in unserem Gebet für unser Leben danken. Wir können aufmerksam sein für die Zeichen, die Gott uns in unserem Leben schenkt.

Wer das macht, der darf sich auch schon mit den klugen Jungfrauen freuen. Sie sind bereits erfasst von der Freude, die Gott uns schenken möchte. Diese Freude besteht darin, dass Gott in unsere Welt kommen möchte. In Jesus Christus hat er es uns gezeigt, dass die Auferstehung das Ziel ist. Wir wissen weder Tag noch Stunde, aber Gott wird kommen und uns die Fülle schenken. Darauf sollen wir vertrauen. Und in diesem Vertrauen können wir auch unsere Verstorbenen geborgen wissen.

Am Ende des Gottesdienstes verlassen wir wieder diese Kirche. Dazu passen die Worte, die wir im Psalm gehört haben: Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit! (Psalm 121,8) Im Hebräischen Text heißt es noch deutlicher „dein Heraustreten" und „dein Eintreten". Dass das Heraustreten zuerst genannt ist, zeigt, dass diese Worte anscheinend im Heiligtum ihren Ursprung haben. Denn das macht nur Sinn, wenn es sich um einen umbauten Raum handelt, in dem das Wort gesagt ist. Ein Heiligtum ist ja ein räumlich gekennzeichneter Raum, der dem Sakralen vorbehalten ist. Wer aus dem Heiligtum oder dem Kirchenraum heraustritt, soll gesegnet sein bis zum Wiedereintritt.

Auch am Ende eines jeden Trauergottesdienstes standen diese Worte. Sie wurden als Segen dem Verstorbenen zugesprochen. Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit! Dieser Segen gilt dem letzten Weg des Verstorbenen. Weil aber der Mensch mehr ist als nur der sterbliche Leib, wird damit auch der Eingang bei Gott gesegnet. Die Seele lässt sich ja in der Bibel auch mit Leben übersetzen. Das Leben soll seinen Weg zu Gott finden. Darum bitten wir mit diesem Segen.

Der behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit. Diese Worte treffen auch das Geschick der klugen Jungfrauen. Sie hatten sich vorbereitet und ihr Ausgang ist gesegnet. Sie haben genügend Öl in ihren Lampen, um sich den Weg auszuleuchten und rechtzeitig da zu sein. Gesegnet ist aber auch ihr Eingang. Sie erreichen den Festsaal und werden vom Bräutigam erwartet.

Liebe Gemeinde! Wer sich vorbereitet hat, braucht nichts zu fürchten. Ausgang und Eingang werden gesegnet sein. Mit dem Gleichnis will Jesus verdeutlichen, was das Himmelreich meint. Am Ende gipfelt das Gleichnis in dem Bild vom hell erleuchteten Festsaal. Nichts Geringeres ist uns verheißen. Wenn wir heute Abendmahl feiern, dann nehmen wir dieses Festmahl bereits vorweg. Wir bereiten uns damit vor und erhalten einen Eindruck von dem, was uns erwartet. Wir erfahren in Brot und Wein die Vergebung unserer Schuld und die Annahme durch Gott. In dieser Zusage sind wir auch mit denen verbunden, die vor uns gegangen sind. So steht das Abendmahl für den Ausgang ins Leben und den Eingang zu Gott, der uns verheißen ist. Gott segne unseren Eingang und Ausgang von nun an bis in Ewigkeit.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Zur liturgischen Gestaltung: Zum Eingang wird der Psalm 121 gelesen. Nach der Predigt wird der Kanon „Ausgang und Eingang" EG 175 gesungen. Wer über die Technik verfügt, kann auch Lichtbilder vom Eingangsportal in Erfurt zeigen. Fotos sowohl der törichten als auch der klugen Jungfrauen an diesem Portal lassen sich über die Bildersuche mit den Suchworten „Jungfrauenportal Erfurt Dom" bei Google finden. Nach dem Lied erfolgt die Verlesung der Verstorbenen im Kirchenjahr. Daran schließt sich die Feier des Heiligen Abendmahls an. Darstellungen der klugen und törichten Jungfrauen am Eingangsportal finden sich außerdem am Freiburger Münster, Magdeburger Dom, Basler Münster und am Straßburger Münster.



Pfarrer Dr. Frank Fuchs

E-Mail: PfarrrerBabenhausenHarreshausen@t-online.de

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