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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Advent, 06.12.2009

Predigt zu Matthäus 25:1-13, verfasst von Ole Juul Hansen

Vor langer Zeit war einmal eine Gruppe von Männern unterwegs, und sie unterhielten sich. Sie waren auf dem Wege in die Großstadt, um gemeinsam eines der großen Feste zu feiern. Und nun gingen sie also dahin und waren gespannt, was sie erleben würden. D.h. einer unter ihnen hatte nicht dieselbe Erwartung wie die anderen. Er wusste, was geschehen würde. Die anderen aber konnten es fast nicht erwarten. Und während sie sich der Stadt näherten, sprachen sie von all dem, was geschehen würde und von ihren Erwartungen. Und da blieb jener Eine plötzlich stehen und zeigte in die Richtung der Stadt, auf den großen Müllabladeplatz, der sich vor den Toren der Stadt befand. Dort, wo man täglich Müll verbrannte. Dort, wo es unaufhörlich brannte. Und die anderen hielten auch an, und sie sahen nun alle den Platz und die Flammen. Und da sagte jener Eine zu den Vielen in der Schar:

            "Schaut hinüber auf den Platz, dort, wo es brennt, dort, wo der Müll verbrannt wird. So geht es dem Menschen, der sein Leben vergeudet, dem Menschen, der sein Leben nicht ordentlich nutzt. Ihr sollt nicht aufbrennen, sondern ihr sollt aufleuchten. Ihr sollt aufleuchten für andere, ihr sollt Leuchtfeuer für andere tragen. So soll euer Leben sein. Andernfalls werdet ihr enden wie der Müll, den man fortschafft und verbrennt."

            Und die anderen standen still, und sie sahen den Ort und sie machten sich ihre Gedanken.

            Die Schar waren die Jünger, und jener Eine, der stehen blieb und die anderen auf den Müllabladeplatz aufmerksam machte, war Jesus. Die Stadt war Jerusalem, und sie waren auf dem Wege dorthin, um Ostern zu feiern. Und der Platz vor der Stadt war Gehenna, so nannte man ihn. Und als diese Männer später anderen von dem Ereignis erzählten, ja, da wurde es in den Ohren der Leute zum Gericht, zum Gericht über Menschen, die ihr Leben vergeuden, zum Gericht über Menschen, die nicht aufleuchten, zum Gericht über diejenigen, die nicht glauben. Und das Gericht wurde zum ewigen Feuer in der Gehenna, in der Hölle, wie sie auch heißt.

            Der Bericht steht nicht in der Bibel. Ich habe ihn von der vor gut 10 Jahren verstorbenen Anna Sophie Seidelin gehört, und er ist zu einer Art Legende geworden, zu einer Wandergeschichte, und die Pointe hat sich unterwegs geändert.

            Jesus sprach nicht von Gericht oder Strafe. Er sprach nicht von einem brennenden Loch in der Erde, das zur Hölle wurde. Nein, er sprach davon, dass jeder von uns die Pflicht hat, ein Licht anzuzünden für andere, dass jeder von uns das Leuchtfeuer mit Freuden tragen soll. Auch wenn es manchmal schwer sein mag. Auch wenn es in unserem Leben so vieles geben mag, was die Flamme und das Leuchtfeuer zum Erlöschen bringt. Jesus sprach davon, dass wir es wagen sollen zu glauben und alles Gute zu erwarten. Auch wenn es oft nahezu unmöglich ist. Und tun wir es nicht und wagen wir es nicht, ja, dann ist unser Leben vergeudet. Dann ist es nicht besser als Müll, der weggeschafft wird.

            Dann ist es wie Brautjungfern, die darauf warten, dass die Hochzeit beginnt, aber kein Öl mehr in ihren Lampen haben. Sie können nicht anderen leuchten. Sie können anderen den Weg zum Fest nicht zeigen.

 

Ich sammle Lichter. Ich sammle gute Worte. Ich sammle Ereignisse, kleine alltägliche Ereignisse, die alle darauf hinweisen, dass das Leben lebenswert ist, auch wenn es oft ein "dennoch" ist. Und ich begegne ihnen täglich.            

            Ich hatte einmal eine gute Freundin. Sie wurde alt, müde und lebensmüde, und sie ist nun tot. Etwas ungeheuer Lebensbejahendes war es, sich an einem späten Nachmittag zu ihr zu setzen und ein Dämmerstündchen mit ihr zu halten und ihrer Lebensweisheit zuzuhören. Sie hatte sich mit vielem herumzuschlagen, es gab reichlich Sorgen, und sie hatte ihren Kummer. Aber dort in der Dämmerung, dort in ihrer gemütlichen Stube, dort vermochte sie immer und jedesmal mit einfachen Worten ihren Glauben auszudrücken, die Geborgenheit auszudrücken, die sie darin fand, dass sie ihren ganzen Kummer und ihre Sorgen in Gottes Hand legen konnte. In ihren alten, runzeligen Händen, in ihren gütigen Augen, die so viel gesehen hatten, in ihrem Herzen, das wider alles Wissen glaubte, dort trug sie ein Licht. Sie trug ein Leuchtfeuer mit Freunden, auch wenn es nur ein flackerndes Lichtlein war. Ich kann sie nicht vergessen, weil sie wie eine der fünf Brautjungfern war, die genug Öl in ihren Lampen hatten. Sie war eine von denen, die Licht aufleuchten lassen.

            Ich bin auch anderen Menschen begegnet, die nie Licht verbreiteten. Menschen, die stattdessen das Licht und die Hoffnung für andere zum Erlöschen bringen. Ich kann mich nicht besonders gut an sie erinnern, weil sie gleichgültig waren.

            Nun will ich mich nicht zum Richter über ihr Leben aufwerfen. Und das heutige Evangelium ist nicht wie Matthäus, der mit scharfen Worten Grenzen aufzeigt. Nein, das Evangelium ist, dass man an eine Begegnung erinnert wird, die man mit einem Menschen gehabt hat, der im Ernst etwas bedeutet hat. Das Evangelium ist, dass es mitten in der Finsternis Menschen gibt, die mit Freuden ein Leuchtfeuer tragen. Ja, das Evangelium ist, sich hier hinzusetzen und ein Dämmerstündchen zu halten und das Licht zu sehen, das angezündet ist. An den Christus zu glauben, der Gottes Licht in die Welt getragen hat. Das Evangelium ist, dass es sinnvoll ist, "dennoch" zu glauben. Das Evangelium ist, sein Leben in Gottes Hände zu legen, zu glauben und es zu wagen, alles Gute zu erwarten.

            Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain war in seiner Jugend Lotse auf dem Mississipi. Und einmal erzählt er, wie man sich verhielt, wenn man mit einem Prahm an einem besonders gefährlichen Riff vorbeikam. Die Motoren wurden abgestellt, und man ließ sich mit dem Strom treiben. Die Lichter wurden ausgemacht. Man konnte nichts sehen. Aber man ließ eine kleine Flamme brennen, die für andere sichtbar war. Der Lotse, der Kapitän und die Besatzung wussten genau: obwohl sie über großes Können verfügten, obwohl sie vieles schafften, obwohl sie viel von Schiffahrt verstanden, ja, so wussten sie, dass es Situationen gab, in denen ihnen ihr Wissen und ihre Stärke nichts nützte, Situationen, in denen man nichts anderes tun konnte als sich vom Strom führen zu lassen - hoffentlich an der Gefahr vorbei.

            Das ist ein Bild dafür, dass man "dennoch" glauben kann. Ein Bild, dass es darum geht zu warten und zu glauben. Zu glauben, dass auf der anderen Seite der Finsternis, auf der anderen Seite des gefährlichen Riffs ein neuer Tag wartet. Und während das alles geschieht, hat man die brennende kleine Flamme.      

            Und allen kann es geschehen, dass wir in die Nähe eines solchen gefährlichen Riffs geraten. Und je älter wir werden, je mehr Erfahrungen wir in und mit unserem Leben machen, desto mehr erfahren wir, dass uns solche gefährlichen Riffe bevorstehen. Und dann ist es lebenswichtig, genug Licht zu haben, damit wenigstens diese kleine Flamme brennen kann, so dass andere sehen können, dass wir, auch wenn wir nicht imstande sind, unser Schiff sicher zu steuern, auch wenn wir nicht imstande sind, aus eigener Kraft die Riffe zu umfahren, - dass wir dennoch dort sind mit dem Glauben, dass wir durchkommen werden.

            Die kleine Flamme trägst du in deinem Herzen. Und die kleine Flamme verlangt Nahrung, sie muss Öl haben, damit sie brennen kann. Und geschieht es, dass dir das Öl ausgeht, geschieht es, dass in deinem Leben so viel passiert, dass dir das Öl für das Licht ausgegangen ist, ja, dann gibt es einen Ort, wo du Öl holen kannst. Dann gibt es einen Ort, wo du Platz finden und hören kannst, dass - wenn auch die Riffe nicht verschwinden - dass einer daist, der mit dir ist und dich hindurchgeleitet.

            Und das ist der Mann, der einmal vor Jerusalem seine Freunde lehrte, was das Leben war und ist. Dieser eine ist Christus. Er ist es, der Öl auf deine Lampe gießt. Er ist es, der dein Herz mit Hoffnung füllt. Er ist es, der will, dass du dort draußen, wo oft Finsternis zwischen Menschen eintritt, - dass du dort ein Leuchtfeuer mit Erwartung und Freude trägst.

            Aber er weiß, dass die Erwartung zerbrechlich ist. Zerbrechlich, verletzlich und gefährdet, so wie sein eigenes Leben es war. Gefährdet wie eine Rose bei Frost. Gefährdet wie eine flackernde Kerze in einem undichten Fenster. Gefährdet wie das Kind, das in einem Stall auf die Welt kommt. Aber sie ist da, und die Erfüllung der Erwartung ist da. Denn er ist auf dem Wege, der Bräutigam kommt.

            Und genau dies wird die Tage gerade jetzt prägen. Und genau dies wird in den Tagen gerade jetzt aufleuchten. Und du bist derjenige, der von hier Mut und Kraft erhält, dort draußen das kleine Licht mit Freude zu tragen.

            Glück und Segen!

Amen



Sognepræst Ole Juul Hansen
Hadsten (Dänemark)
E-Mail: Ojh-juul@post.tele.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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