Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

4. Advent, 20.12.2009

Predigt zu Philipper 4:4-7, verfasst von Andreas Schwarz

4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! 5 Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! 6 Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! 7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Liebe Gemeinde;

'siehe, ich verkündige euch große Freude' und grüße euch kurz vor Weihnachten mit diesem weihnachtlichen Gruß. Denn von der Freude hören und reden und singen wir heute. Kaum ein besserer Zeuge wäre dafür geeignet, als Paulus. Nirgends sonst in einer Schrift des Neuen Testamentes ist nämlich so viel von der Freude die Rede, wie in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi. 14-mal in den vier kurzen Kapiteln spricht Paulus von der Freude; entweder darüber dass er sich freut oder darüber, dass seine Gemeinde allen Grund hat, sich zu freuen.

Natürlich wissen wir sehr gut, dass man niemanden zur Freude ermahnen kann, dass man niemandem Freude einreden kann, sondern dass sie ehrlich sein muss, aus einer tiefen Quelle sprudeln muss. Sie ist keine menschliche Tugend, um die wir uns mit in uns wohnenden Fähigkeiten bemühen müssten.

Aber aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper spricht sie immer wieder. Bei so vielen Wiederholungen wird Gemeinde hellhörig werden, es muss um etwas ganz Wichtiges gehen. Auf diesem Weg wird sie auch ansteckend wirken für die Gemeinde. Freude ist so etwas wie die grundlegende Lebenseinstellung des Apostels Paulus. Durch nichts und niemanden ist sie zu beeinträchtigen. Das hat nichts mit einem fröhlichen Charakter zu tun, mit dem jemand gesegnet ist. Natürlich wird man sich darüber freuen und dankbar sein. Sie ist ein Geschenk, das Gott immer wieder Menschen macht. Weil diese Gabe unerwartet und auch unverdient ausgegeben wird, darum ist ihre Kraft so groß. Sie hat eine solch große Kraft, dass die Freude auch im Gefängnis nicht dadurch abhandenkommt, dass sie von der Angst oder der Sorge vertrieben würde. Auch im Gefängnis in Ephesus ist das Herz des Apostels voller Freude.

Geschenke haben den Sinn, Freude zu machen. Bei Kindern können wir Erwachsenen das besonders deutlich sehen. Wir hoffen es bei den Geschenken, die wir ihnen machen; und wenn wir diese Freude spüren, sie ehrlich sehen, dann freuen wir uns mit. Die Freude der Kinder steckt uns an, sie ist uns mindestens genauso wichtig, wie die Freude über Geschenke, die man uns macht.

Freude ist für viele  Menschen ein Merkmal des Weihnachtsfestes. Es ist so etwas wie das entscheidende und bestimmende Wesen des Festes. Mit ganz menschlichen Gedanken und Empfindungen kommen wir tatsächlich dem Sinn des Festes auf die Spur, denn Freude ist das Geschenk, das Gott seinen Menschen macht. Nicht nur zur Weihnachtszeit, aber von da geht es aus. Freude über das Geschenk Jesus Christus. Freude, weil wir einen Herrn haben, der vor allem das will: dass wir uns freuen können, dass die Freude mehr als alles andere unser Leben bestimmt.

'Siehe, ich verkündige euch große Freude!'

Freude, weil uns Menschen damit etwas zugeeignet wird, was wir uns nicht selbst besorgen können.

Eine Welt, in der der Mensch zunächst an sich und sein Leben denken muss, ist eine Welt voller Verzicht, voller Kampf, voller Sorge, voller Krankheit und Tod. Da muss der Mensch sich vor allem sorgen, dass ihm sein Leben gelingt, dass er gesund bleibt, dass sein Glück und sein Erfolg Bestand haben. Und immer begleitet ihn die Furcht, er könne sein Leben verfehlen, er könne am Sinn, den er sich ausdenkt, vorbeileben. Sollte er im Gefängnis landen, krank werden, sterben, bevor er alles ausgekostet hat, was diese Welt bietet, dann hat er verpasst, worum es geht.

Was für eine Freude kann da wachsen?

Sie muss kurzlebig sein, sehr vergänglich, sehr angefochten und immer begleitet von der Sorge und vom Kampf.

Die Freude im Herrn spricht den Menschen dieser Welt mit solch vergänglicher Freude an. Gott weiß nur zu gut, wie wir uns nach Freude sehnen, wie sehr wir wünschen, dass unsere Freude bleibt. Aber unsere Erfahrung lehrt uns, wie schnell andere Tage kommen als solche, über die wir uns freuen. Aus diesem Leben, das nur ein Auf und Ab kennt, eine unberechenbare Folge von Freude und Sorge, ruft uns der Herr selbst heraus. Er beendet die Ausweglosigkeit, die darauf folgt, dass der Mensch zuerst an sich denken muss und am Ende doch stirbt - früher oder später. Er beendet das Gesetz, wonach der Mensch seines Glückes und damit auch seiner Freude eigener Schmied wäre. Er entlastet ihn von vergänglicher Freude, von unentrinnbarer Sünde, die das eigene Leben überschattet und unfrei macht.

Der zur Welt gekommen ist, um Sünde zu vergeben, der weiß, was der Freude im Weg steht und was wir brauchen, um die Freude wirklich im Herzen zu haben: dass die Sorgen uns nicht mehr den Atem nehmen; dass wir frei werden, nicht nur an uns, sondern auch an andere denken zu können, und dass wir die Illusion verlieren, uns alles erkämpfen zu müssen, was sich wirklich lohnt und Freude macht.

Den drei Hürden stellt der Apostel drei Verheißungen entgegen: dem Gefangensein in sich selbst die Güte, die wir allen Menschen kundtun; der Sorge das Gebet und dem Kampf den Frieden.

Weihnachtliche Freudenbotschaft heißt grundsätzlich: den Sorgen und Nöten der Menschen, die ja wahr sind und die uns tatsächlich belasten und einschränken, die wir auch allein nicht los werden, stellt Gott seine Hilfe entgegen. Nicht, dass wir nun etwas könnten und anzupacken hätten, sondern dass er uns beschenkt und so die Freude in uns entzündet. Seine Güte ist es, die uns leben lässt. Wir erfahren am eigenen Leib, dass ein schuldiger Mensch nicht verurteilt, sondern dass ihm verziehen wird. Gott geht mit uns so um. Wir spüren darum etwas davon, dass fremde Not unser Herz erreicht - seien es die Hungernden dieser Welt, die uns in zahlreichen Bildern und Geschichten in einer Spendenaktion im Fernsehen vor Augen gestellt und damit aufs Gewissen gelegt wurden. Sei es ein Notleidender an unserer Haustür, in unserer Nachbarschaft, in unserer Gemeinde. Die Not der Welt hat das Herz Gottes erreicht, darum ist Christus zu uns gekommen. Gott ist gut zu uns, darum strahlt etwas aus von seiner Güte durch uns in diese Welt: Liebe, Vergebung, Nähe, Hilfe, Barmherzigkeit. Die Erfahrung, dass Recht nicht bis ins Letzte durchgefochten werden muss, sondern dass es eine Liebe und eine Freiheit gibt, auf Recht zu verzichten und Gnade vor Recht ergehen zu lassen - das ist unsere Situation vor Gott. Das kann die Welt durch uns Christen hier spüren: Güte!

In all unseren Sorgen, die wir uns machen um unser tägliches Leben, um Beruf und Schule, um Freundschaften, Ehe, Familie, wird uns eine Freude verheißen. Die ersetzt nicht unseren Einsatz, unsere Kraft und unser Bemühen, aber sie nimmt unsere Grenzen ernst, die wir nicht überschreiten. Vieles haben wir nicht in der Hand, können wir nicht. Wir können aber im Gespräch mit unserem Herrn bleiben, der nahe ist, der hört. Damit wir nicht aufhören zu beten, zu bitten, zu betteln, und darin immer auch dankbar bleiben - für alles, was wir schon erfahren haben und für alles, was noch aussteht. Es gibt in unserem Leben keine ausweglose Sackgasse mehr. Selbst der Tod ist nicht mehr Endstation. Die Sorge kann nicht mehr Herr unseres Lebens sein, seit Christus uns nahe gekommen ist. Und er kommt näher mit jedem neuen Tag.

Unser Leben hat seit seinem Advent eine neue Qualität: es wird nicht mehr bestimmt vom Kampf; es gelingt nicht dann, wenn ich möglichst viel erreiche, Erfolg und Glück habe,  mir alles leisten kann und alles genieße. Leben ist nicht vertan, wenn ich scheitere, krank oder behindert bin. Leben hat seine Qualität durch den Frieden Gottes. Der ist höher, als wir denken und uns vorstellen können; er hat einen weiteren Blick, als wir ihn haben. Er sieht über unsere Sorge und unseren Kampf hinaus, er sieht das Leben, das wir ersehnen, auf das wir warten und uns freuen.

Darin werden wir bewahrt, damit wir glauben und vertrauen, gerade in schweren Tagen und Wochen. Wir brauchen diese Bewahrung, damit wir nicht aufgeben und verzweifeln. Der Friede Gottes bewahrt uns, stärkt uns durch die Freudenbotschaft, dass der Herr nahe ist und immer näher kommt. Er wohnt bei uns in seinem Evangelium, in seinem Abendmahl. Das erhält unsere Freude am Leben.

Gott schenke uns diese Freude, die stärker ist als alle Sorge; er mache unsere Herzen weit auf für die Botschaft des Engels auf dem Feld zu den Hirten: 'Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren soll'. Auch uns.

Amen!

Liedvorschläge: Nun jauchzet all, ihr Frommen (EG 9) - In dem Herren freuet euch (EG 359) - Freuet euch im Herrn allewege (EG 239)



Pfarrer Andreas Schwarz
Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Pforzheim
E-Mail: p.andreas.schwarz@gmail.com

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