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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Heiligabend, 24.12.2009

Predigt zu Römer 1:1-7, verfasst von Reinhard Brandt

Der Abschnitt für die Predigt heute ist der Anfang eines Briefes. Der Apostel Paulus hat ihn an die Gemeinde in Rom geschrieben. Eine hoch konzentrierte Briefbotschaft ist dies - konzentriert wie: vielleicht wie ein Brühwürfel! Der soll aufgelöst werden, damit es uns wohl bekomme.

Doch zuerst konzentriert Römer 1, 1-7:

1 Paulus, ein Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert, zu predigen das Evangelium Gottes,
2 das er zuvor verheißen hat durch seine Propheten in der heiligen Schrift,
3 von seinem Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch,
4 und nach dem Geist, der heiligt, eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten.
5 Durch ihn haben wir empfangen Gnade und Apostelamt, in seinem Namen den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden,
6 zu denen auch ihr gehört, die ihr berufen seid von Jesus Christus.
7 An alle Geliebten Gottes und berufenen Heiligen in Rom: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Konzentriert, aber klar, liebe Schwestern und Brüder: Dies ist ein Abschnitt zum Nachdenken über die Christgeburt: Paulus schreibt von Gott und „seinem Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch; und nach dem Geist ... eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten."

Χριστός

Hoch konzentriert ist dieses Evangelium. Die ganze Geschichte steckt darin, die wir gerade als Lesung gehört haben: die Erzählung von Maria und Josef, vom Stall in Bethlehem, von der Geburt, von den Hirten! All dies ist zusammengefasst und konzentriert in dem einen Satz: „geboren aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch".

Dazu die anderen Geschichten:

·     von der Huldigung für den neugeborenen König durch die Sterndeuter aus dem Morgenland;

·     von der Konkurrenz, die der Despot Herodes fürchtet und die er grausam bekämpft (die Geschichte vom Kindermord zu Bethlehem);

·     selbst jene seltsam anmutenden Stammbäume mit dem ausführlichen Rückgriff bis auf König David!

All dies ist zusammengefasst und konzentriert in dem einen Satz: „ist geboren aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch".

„Nach dem Fleisch" - das heißt: ein Mensch, seine Eltern, deren Fleisch und Blut! Und zugleich voll Hoheit: die Hirten richten ihre Hoffnung auf ihn, die Weisen huldigen ihm mit Königsgeschenken! Hoch gespannt ist die Hoffnung auf den Messias, doch sie ist auch menschlich zu verstehen: „nach dem Fleisch".

Dazu „nach dem Geist": „nach dem Geist ... eingesetzt ... als Sohn Gottes in Kraft von den Toten".

Und wieder ist es eine lange Reihe von Erzählungen, die mit diesen wenigen Worten in Erinnerung gerufen werden, die ganze Lebensgeschichte:

·     „nach dem Geist" - die Taufe des jungen Mannes am Jordan: wie der Geist Gottes auf ihn kam.

·     „von den Toten" - die Erinnerung an den ganzen Weg, den das Leben dieses Kindes nahm, bis zur Hinrichtung am Kreuz, vor den Toren Jerusalems;

·     „eingesetzt als Sohn Gottes ... durch die Auferstehung" - dadurch nun vom Geist beglaubigt und bekräftigt: dieser ist wirklich Gottes Sohn, der Tod kann ihn nicht halten;

·     „eingesetzt in Kraft" - dieser eine ist der Herr über alle Welt, über Himmel und Erde!

Also das Weihnachtsevangelium und Jesu Lebensgeschichte und Karfreitag und Ostern hoch verdichtet, konzentriert in vier Zeilen, in einem Satz. Paulus schreibt von Gott und „seinem Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch, und nach dem Geist ... eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten."

Χριστός

Das ganze Evangelium konzentriert in einem Satz! Doch mögen Sie Brühwürfel, liebe Hausfrauen, liebe Hobbyköche, liebe Schwestern und Brüder?

Natürlich: frische, gerade ausgekochte Fleischbrühe ist viel besser. Trotzdem sind Brühwürfel eine tolle Erfindung. Die Kraft und den Geschmack des Fleisches haben sie konzentriert in sich. Über weite Strecken hinweg können Brühwürfel transportiert werden. Und man kann sie aufheben, über Monate, über Jahre hin.

Genau dazu braucht der Apostel Paulus das konzentrierte Evangelium! Nach Rom, 2.000 km weit weg, schreibt er seinen Brief. Er schreibt an eine Gemeinde, an Leute, von denen die allermeisten ihn nicht kennen. Denen muss er sich vorstellen, vor denen muss er sich in aller Kürze ausweisen: wer er ist, der ihnen diesen Brief schreibt.

Eben das leistet die Briefformel am Anfang mit ihrem Rückgriff auf das ganze Leben Jesu: „Paulus, ein Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert, zu predigen das Evangelium Gottes ... von seinem Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch, und nach dem Geist ... eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten."

Gut vorzustellen sind solche Situationen, in denen sich einer in Kürze ausweisen, legitimieren muss über den Abstand von Raum und Zeit hinweg: Wer ist der Pfarrer, der vor Ihnen auf der Kanzel steht? Wenn jemand neu ist, fragt man neugierig. Doch auch bei Altgedienten stellt sich die Frage: Wer ist er denn? „Eigentlich"?

Jedenfalls, wie er auch heißt, er kommt, um zu predigen „das Evangelium Gottes ... von seinem Sohn Jesus Christus", Geburt und Passion und Tod und Auferstehung.

Χριστός

Trotzdem, liebe Hausfrauen, verehrte Weihnachtsköche, alle hier, trotzdem die Frage: Mögen Sie Brühwürfel?

Brühwürfel sind nützlich, praktisch und gut, aber niemand würde auf den Gedanken kommen, einen pur zu genießen, ihn in den Mund zu stecken und zu lutschen wie einen Bonbon.

Nein, der Brühwürfel verlangt danach, aufgelöst zu werden in heißem Wasser, zu kräftiger Suppe mit Gemüse und Einlage; oder zu feiner sämiger Soße, neu abgeschmeckt: auf dass es wohl bekomme!

Eben so ist es mit dem Gruß und der Christusformel des Apostels Paulus. Hoch konzentriertes Evangelium ist es, über Raum und Zeit aufbewahrt. Doch es verlangt, danach, heute neu aufgelöst zu werden in Erfahrungen, in unsere Erfahrungen, wenn wir Weihnachten feiern.

Χριστός

Wieder aufgelöste Erfahrungen zum Christfest: das sind nicht zuletzt die Lieder, die wir heute singen, die vielen von Ihnen vertraut sein mögen.

„Ich steh an deiner Krippen hier" [EG 37] haben wir vorhin gesungen - das ist so eine Erfahrung: an der Krippe zu stehen, mit allem, was wir sind und haben und mitbringen, „Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut", alles, was wir von Gott mitbekommen haben: dies dankbar zur Krippe zurückzubringen: „Ich komme, bring und schenke Dir, was Du mir hast gegeben".

Oder eine andere Strophe dieses Liedes, in der die Tiefe der Erfahrung anklingt und die Weite, wenn das Herz offen und weit wird am Weihnachtsabend: „O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen!"

Alle Jahre wieder singen wir diese Lieder und sind dabei doch andere. Wir bringen die Erfahrungen des vergangenen Jahres mit, sicher verschiedene, gemischte Erfahrungen. Welche Erfahrungen klingen bei Ihnen in diesen Liedern an?

Ein anderes Lied wollen wir nach der Predigt singen [EG 23]: „Gelobet seist du, Jesu Christ, dass du Mensch geboren bist"

Auch in diesem Lied geht es um Erfahrungen, die Menschen machen, etwa wenn sie an diesem Abend traurig sind oder ängstlich, wenn sie sich vor Streit oder Einsamkeit fürchten. Fast sprichwörtlich ist das „Jammertal". Das weihnachtliche Gegenbild dazu ist der festlich geschmückten Saal. Davon singen wir: „... und führt uns aus dem Jammertal, macht uns zu Erben in seim Saal".

So werden wir einbezogen in das weihnachtliche Geschehen mit unseren Erfahrungen, wie sie eben sind. Gleich noch einmal derselbe Gedanke in anderen Worten: „Er ist auf Erden kommen arm, dass er unser sich erbarm und in dem Himmel mache reich und seinen lieben Engeln gleich."

Trösten und stärken mögen uns diese weihnachtlichen Lieder und uns mit unseren Erfahrungen hinein nehmen in das Geschehen der Christgeburt.

Χριστός

Was passiert, wenn das Konzentrat aus dem Paulusbrief so flüssig wird in unseren Erfahrungen heute?

Genau das, was Paulus will: Es wird das Evangelium Gottes gepredigt! Menschen aus allen Völkern werden in das Heilsgeschehen mit hinein genommen!

„An alle Geliebten Gottes" schreibt Paulus, an die „berufenen Heiligen in Rom" und überall und in ###. Paulus grüßt mit einem weihnachtlichen Gruß, ähnlich wie damals der Gesang der Engel auf den Hirtenfeldern, nur im Brief konzentriert über Raum und Zeit hinweg. Das sei auch mein Gruß zu unserem Weihnachtsfest in diesem Jahr:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Amen.

 

Anmerkungen:

*         vorausgesetzt ist die Lesung von Lk. 2,1-20

*         Lied vor der Predigt EG 37, mindestens die Strophen 1.2.4.9; Lied nach der Predigt EG 23,1-7

*         In der Auslegung wurde Vers 2 nicht eigens aufgegriffen, und zwar nicht aus grundsätzlichen, sondern nur aus homiletischen Gründen, weil damit eine weitere Ebene, eine weitere „Reihe von Geschichten" zu nennen gewesen wäre - was möglich, aber eine weitere Komplexitätssteigerung in einer ohnehin schon komplexen Auslegung gewesen wäre.



Dekan Dr. Reinhard Brandt
Weißenburg
E-Mail: reinhard.brandt@elkb.de

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