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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Heiligabend, 24.12.2009

Predigt zu Römer 1:1-7, verfasst von Martina Janßen

Predigtlied: „Wisst ihr noch, wie es geschehen?" (EG 52, 1.2)

„Wisst ihr noch, wie es geschehen? Immer werden wir's erzählen: wie wir einst den Stern gesehen mitten in der dunklen Nacht, mitten in der dunklen Nacht. (EG 52,1)"

„Stille war es um die Herde. Und auf einmal war ein Leuchten und ein Singen ob der Erde, dass das Kind geboren sei, dass das Kind geboren sei. (EG 52,2)"

Liebe Gemeinde!

Viel Weihnachtspost in den letzten Tagen und Wochen. Ging Ihnen das auch so? Werbung im Briefkasten zum Beispiel. Freundlich und farbig. „Fröhliche Weihnachten!" Grußworte des Bundespräsidenten im Fernseher. Besinnlich und beruhigend. „Fürchtet euch nicht, unser Land schafft das..." Rundmails an Freunde für die jüngere Generation. Peppig und professionell. Klingeltöne vielleicht auch, laut und lustig. „Merry Christmas, Baby..." Weihnachtsgrüße. Leicht zu erkennen. Die Botschaft springt ins Auge, die Gestaltung schmeichelt dem Herz, passt zu Fernsehprogramm und Kaufhausdekoration.

Weihnachtsgrüße gibt es auch von der Kirche. Das sind die Texte, über die wir predigen. Die ganze Bibel ist ein Brief Gottes an uns - so sagen einige. Daraus werden jedes Jahr neue Abschnitte ausgewählt, passend zum Anlass. Zu Weihnachten gibt es meist besonders schöne. Die Hirten auf dem Felde. Friede auf Erden. Der Stall von Bethlehem. Die Könige und ihr Stern. Dieses Jahr ist das etwas anders. Dieses Jahr stammt unser Weihnachtsgruß aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer. Hören wir.

Lesung: Röm 1,1-7

Hölzern klingt das, oder? So richtige Weihnachtsstimmung kommt da nicht auf. Ein simpler Briefanfang, schwer zu lesen noch dazu. Eine sperrige Weihnachtsbotschaft, aber mit Perlen drin. Mich erinnert das an früher, wo ich als Kind kleine Kostbarkeiten in einem riesigen Karton verpackt habe, mit viel drum rum, damit man suchen muss. Kleine Kostbarkeiten. Bunte Glasmurmeln. Seltene Vogelfedern. Sterne aus Goldfolie - alles versteckt in ganz viel Packpapier und Karton. Sperrige Weihnachtsbotschaften, aber mit Perlen drin. Wie das Kind im Stall, in dem niemand einen König vermuten würde. Wie unser Predigttext heute.

Eine klassische Weihnachtsgeschichte ist das dieses Jahr nicht. Sondern ein Briefanfang. Zu lesen zu jedem Anlass, zu jeder Jahreszeit. Nicht nur zu Weihnachten.  Der Apostel schreibt an seine Gemeinde in Rom. Ein Gruß, ein Hallo. Nicht speziell weihnachtlich, aber auch nicht ganz alltäglich. Kein „Hallo, ich bin's Martina" oder „Sehr geehrter...mit freundlichen Grüßen." Paulus ist da etwas ausführlicher. Sein Name und die Grußformel reichen ihm nicht. Da steht noch mehr.   „Paulus, ein Knecht Christi Jesu..., der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch, und nach dem Geist, der heiligt, eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten." Paulus nennt Christus im gleichen Atemzug mit seinem eigenen Namen.  In der Luft, die Paulus atmet, ist Gott drin. In jedem Atemzug. Davon ist Paulus überzeugt. Seit Gott in die Welt gekommen ist als kleines Kind. Jeden Tag, jede Nacht. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. In der Luft, die wir atmen, ist Gott drin. In jedem Atemzug. Davon muss Paulus reden und erzählen, in jedem Brief, mit jedem Hallo. Statt „Ich bin's",  sagt er „Ich bin's. Und Gott ist mit mir!"  Immer und überall. Nicht nur in der Weihnachtszeit. Dann, wenn die Luft erfüllt ist von Tönen, Düften und Farben aus Kindertagen,  die meisten Menschen freundlicher gucken und die milden Gaben reicher fließen als sonst im Jahr.  Nein -  „Gott ist mit mir!" -Immer und überall. Das Wunder von Weihnachten gehört zu mir wie mein Name. Nicht nur in der Weihnachtszeit. Davon ist Paulus überzeugt: Das Licht von Weihnachten begleitet mich durch mein ganzes Leben, von dieser Gnade lebe ich in meinen schwersten Stunden, dieser Friede umfasst mein Herz in den unruhigsten Nächten.  Paulus erzählt davon. Nicht nur zu Weihnachten. Zu jeder Zeit.

„Wisst ihr noch, wie es geschehen? Immer werden wir's erzählen: wie wir einst den Stern gesehen mitten in der dunklen Nacht, mitten in der dunklen Nacht."

Liebe Gemeinde!

Eine Weihnachtsgeschichte erzählt Paulus uns heute nicht. Zumindest keine klassische. Keine Hirten, keine Könige, kein Stall in Bethlehem, keine großen Augen unter'm Weihnachtsbaum.  Um Weihnachten geht es nicht in unserem Predigttext, sondern darum wie Weihnachten wirkt. Dann, wenn die Kerzen abgebrannt, die Kugeln längst wieder auf dem Dachboden verstaut und die Schokoweihnachtsmänner für die Hälfte zu haben sind. Um Weihnachten geht es nicht, sondern darum wie Weihnachten wirkt. Wenn ich in ein paar Wochen wieder morgens in S-Bahn sitze, wenn sich die Februarnächte endlos ziehen und die fröhlichen Lieder ausgesungen sind. Auch dann gilt: In der Luft, die du atmest, ist Gott drin. In jedem Atemzug. Nicht nur Weihnachten. Dass Paulus daran erinnert, ist gut. Zu schnell kommen wir von der Festtagsstimmung in den Alltag zurück. Manch einer landet wohl auch unsanft. Das kann ernüchternd sein. Oft bleibt ein fader Nachgeschmack. Leib und Seele übersättigt von Keksen, Harmonie und Jingle bell. Das Haltbarkeitsdatum des Weihnachtsgefühls scheint kurz. Was bleibt im Januar? Ist das Leuchten dieser Nacht ein Strohfeuer oder setzt es dein Herz in Flammen Tag und Nacht, Frühling, Sommer, Herbst und Winter?  Gehört das Weihnachtsgefühl auch noch im Januar dazu? Gibt es da im Februar noch einen Schimmer Weihnachtslicht mitten im Alltagsgrau? Selbstverständlich ist das nicht.

Deshalb ruft Paulus uns heute zu: Das kleine Kind im Stall gehört zu uns wie unser Name. Immer und überall. Dieser Stern wirft Licht auf unsere dunkelsten Nächte. Dieses Licht macht unsere kältesten Tage warm.  In der Luft, die wir atmen, ist Gott drin. In jedem Atemzug. Seit Gott in die Welt gekommen ist als kleines Kind.

Chor:

„Wisst ihr noch, wie es geschehen? Immer werden wir's erzählen: wie wir einst den Stern gesehen mitten in der dunklen Nacht, mitten in der dunklen Nacht. (EG 52,1)"

 „Stille war es um die Herde. Und auf einmal war ein Leuchten und ein Singen ob der Erde, dass das Kind geboren sei, dass das Kind geboren sei. (EG 52,2)"

Liebe Gemeinde!

Zu schnell vergessen wir das. Dieses Leuchten und Singen. Dass das Kind geboren ist. Diesen Stern mitten in der dunklen Nacht.  Damit wir das nicht vergessen, feiern wir heute, erzählen von der Freude, sind offen für die Gnade, die die Stille dieser Nacht erfüllt.  Wir brauchen das gegen das Vergessen. Ab und zu verdichtete Zeit. Sternstunden.  Das ist nicht nur mit Weihnachten so. So ist das auch mit Hochzeitstagen. Geburtstagen. Denn oft vergessen wir auch das. Dass wir einander lieben. Dass wir leben. Oft geht das unter im Alltag: „Ich liebe dich! Jede deiner Falten schmückt dich mehr als der strahlendste Diamant, jede deiner Tränen reißt tiefere Wunden in mein Herz als das schärfste Schwert. Ich liebe dich. Seit Jahr und Tag und immer noch". Oft geht das unter im Alltag.  Dass wir einander lieben. Dass wir leben. „Danke, dass ich geboren bin! Danke, dass ich das fühle. Alle Jahre wieder. Sommertage in Licht getaucht. Das Spiel des Windes in meinem Haar. Das Rauschen des Meeres." Damit wir das nicht vergessen, müssen wir das feiern von Zeit zu Zeit, uns das immer wieder vor Augen führen. Weißt du noch, wie es war? Das erst mal- deine Hand in meiner? Wir müssen davon erzählen. Und davon zehren wir. Das verändert den Blick für eine längere Zeit. Genau das tun wir heute. Wir brauchen das gegen das Vergessen. Ab und zu verdichtete Zeit. Sternstunden. Damit wir nicht vergessen. Das, was wir heute feiern, das leuchtet weiter, wenn die Weihnachtskerzen längst niedergebrannt sind, das macht satt an Leib und Seele, wenn alle Kekse längst gegessen sind. In der Luft, die wir atmen,  ist Gott drin. In jedem Atemzug. Davon bin ich überzeugt. Seit Gott in die Welt gekommen ist als kleines Kind. Jeden Tag, jede Nacht. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Ich wünsche mir, dass Sie diese Botschaft von Weihnachten mitnehmen, dann wenn der Juniregen endlos scheint, wenn der Novembernebel sich wie ein Schleier auf die Straßen legt, dann wenn Ihre Tage dunkel, Ihre Nachte unruhig und Ihre Herzen kalt sind. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dann etwas spüren von dem Licht, das sie heute erfüllt.  Vielleicht ein Detail, das Ihre Seele anrührt und auf den Grund Ihres Herzens weiterglimmt wie eine Glut, die immer neu entfacht werden kann. Das Flackern des Kerzenlichts vielleicht, eine Liedstrophe oder ein Blick, eine Berührung...

„Wisst ihr noch, wie es geschehen? Immer werden wir's erzählen: wie wir einst den Stern gesehen mitten in der dunklen Nacht, mitten in der dunklen Nacht."

Liebe Gemeinde!

Ich, Martina, Kind Gottes, eure Pastorin, freue mich euch zu erzählen von der großen Freude, die Gott uns verheißen hat seit ewigen Zeiten, mir und dir, unseren Müttern und Großvätern; ich freue mich, euch zu erzählen von Jesus Christus, unserem Heiland, der uns heute geboren ist, uns Licht zu sein mitten im Dunkel. In der Luft, die wir atmen, ist Gott drin. In jedem Atemzug. Euch davon zu erzählen immer wieder - Frühling, Sommer, Herbst und Winter, freue ich mich, meine Brüder und Schwestern, euch, den Geliebten Gottes und berufenen Heiligen in Estebrügge. Gnade sei mit euch und Frieden von Gott, unseren Vater und dem Herrn Jesus Christus.

AMEN

 

Predigtlied: „Wisst ihr noch, wie es geschehen?" (EG 52, 5.6)

 „Und es sang aus allen Himmelshallen. Ehr sei Gott! Auf Erden Frieden! Allen Menschen Wohlgefallen, Gottes Gnade allem Volk, Gottes Gnade jedem Volk! (EG 52,5)"

„Wisst ihr noch, wie es geschehen? Immer werden wir's erzählen: wie wir einst den Stern gesehen mitten in der dunklen Nacht, mitten in der dunklen Nacht. (EG 52,6)"



Dr. Martina Janßen
Estebrügge
E-Mail: mjansse@gwdg.de

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