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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Weihnachtstag, 25.12.2009

Predigt zu Titus 3:3-7, verfasst von Stefan Henrich

Der Predigttext steht im Brief des Paulus an Titus im 3 Kapitel:

3,4 Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, 5 machte er uns selig - nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit - durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist, 6 den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland, 7 damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unsrer Hoffnung.

Liebe Gemeinde,

strahlt die Freude der Weihnacht auf in diesem einen langen Satz, den Paulus geschrieben hat an Titus?

Doch, die Freude strahlt herüber, auch wenn sie nicht so anschaulich daher kommt wie in der Geschichte von Jesu Geburt. Dort waren es ja Engel und Hirten, der Stall und das weite Feld, Maria und Joseph und dann das Kind in Windeln gewickelt, die uns so richtig schön das Wunder der Weihnacht rüberbrachten.

Gott wird Mensch, das Geheimnis jener Nacht haben wir gefeiert, der Wirkung dessen sinnen wir heute am ersten Feiertag nach, angeregt durch diesen eher verschachtelten langen Satz. Der aber hat es in sich.

Wir geraten in den Blickpunkt des Interesses als die Menschen, die wir sind in aller unserer Unterschiedlichkeit.

Paulus wagt zu behaupten, dass Gott uns selig macht.

Alleine dieses eine Wort bedarf schon der Erklärung. Was ist das: selig?

Die beste Anschauung dafür ist in meinen Augen immer noch die, wenn Kinder vor der verschlossenen Tür im dunklen Flur vorm Weihnachtszimmer stehen, und dann ist von drinnen die Weihnachtsglocke zu hören und die Tür öffnet sich, vom Dunkel geht es ins Licht. Kerzen brennen und die Kugeln am Weihnachtsbaum geben Lichtreflexe, darunter liegen noch gut verpackt die Geschenke. Seligkeit ist wie mit Händen zu greifen, wenn Vorfreude eingeholt wird von der Erfüllung.

Glücklich ist, wer solche Momente erinnert oder erlebt.

Seligkeit ganz anders: Die Liebe zum Partner erfüllt sich in Kuss und Umarmung. Liebe wird Vertrauen und zwei können miteinander leben und miteinander gehen durch dick und dünn, spüren den Veränderungen nach und wissen, du hältst mich und ich dich, und mit dir einschlafen und mit zerzausten Haaren aufwachen und sich freuen und leiden mit dir, wieder und wieder selige Momente erleben. Auch der ist selig zu nennen, wer das erlebt, und nicht immer nur das Scheitern von Beziehungen.

Wir konnten schönes Fest der Goldenen Hochzeit hier in der Kirche feiern am Tag vor dem 4. Advent.

Selig ist sicher auch manch einer, wenn jetzt die Festtage mit der ganzen sie umgebenden Aufregung gewesen sind und Ruhe einkehrt. Endlich das lang gewünschte Buch lesen, den heiß ersehnten Film sehen, endlich freie Tage, spazieren gehen und einander besuchen können, nicht besuchen müssen, endlich Ruhe.

Momente von Seligkeit, der eine oder die andere hat sie erlebt oder fiebert ihnen entgegen. Allerdings auch sind da viele, denen die Enttäuschungen des Lebens alle Seligkeit ausgetrieben haben.

Paulus sagt es dennoch: Gott hat uns selig gemacht, nicht um unserer Werke und Verdienste willen, nicht weil wir so toll und gerecht und verständnisvoll wären, sondern alleine aufgrund seiner Barmherzigkeit.

Gott will unser Seelenheil, will unsere Seligkeit, deshalb erschien er uns mit Freundlichkeit und Menschenliebe.

Weihnachten klingt an, Gottes Licht leuchtet in der Nacht. Engel künden davon, Gott kommt so nahe, wie es nur geht. Gott wird Mensch. Der Gottessohn liegt in der Krippe im Stall zu Bethlehem.

Das ist der tiefste Grund für unsere Seligkeit, wir sind nicht „Gottverloren" sondern „Gottgerettet".

Lebenssonne geht auf mitten im kalten Winter, es ist ein Ros entsprungen und freue dich, o Christenheit.

Paulus betrachtet das Kommen Gottes in dieser Welt von rückwärts her. Bei uns setzt er an, er spricht von der Taufe, von dem Bad der Wiedergeburt und von der Erneuerung durch den heiligen Geist! Das malt er erinnernd und zukunftsverheißend zugleich vors Auge. Über dir ist die Liebe Jesu ausgegossen, reichlich ausgegossen, so sagt er und noch mal: durch Jesu Gnade sind wir gerecht geworden, damit wir Erben des ewigen Lebens würden nach unserer Hoffnung.

Liebe Gemeinde, den langen Satz habe ich noch einmal durchbuchstabiert, wie Pralinenschachtelkonfekt sind die einzelnen Seligkeiten da herauszupulen.

Du getauft,
du gerecht gesprochen,
du erlöst durch unseren Heiland,
du selig,
du hast Hoffnung und du bist Erbe des Lebens Jesu, sein Geist erneuert dich.

Weihnachtliche Freude ist das, die taugen soll fürs ganze Leben.

Allerdings, wir wissen auch, wie das mit der Seligkeit leicht ist. Schnell gekommen, schnell verflogen. Im Bild gesprochen: nicht lange, dann werden die heute noch grünen schönen Weihnachtsbaume als dürre Gerippe ihre Nadeln abgeworfen haben. Kugeln in der Kiste, und Lametta in der Tonne...!

Ob es unserer Seligkeit ähnlich ergehen wird?

Ich habe ein wunderschönes Stück aus der Literatur gefunden, welches den möglichen Wandel der Seligkeit auf den Punkt bringt. Es ist ein Stück aus Alexis Sorbas, einem Roman von Nikos Kantzantakis, verfilmt mit Anthony Quinn:

Alexis Sorbas lebt auf Kreta, (dahin schreibt im übrigen auch Paulus seinen Brief an Titus). Alexis Sorbas ist in seinem Leben von einer großen Idee beseelt, baut sich unter riesigem Einsatz mit Mühsal, Lust und Kraft was auf, eine große Seilbahn, und als die dann steht, und die erste Fahrt den Berg hinunter geht, da kracht alles zusammen.

Man könnte im Meer versinken!

Alexis Sorbas aber tanzt, er lacht und er feiert ein Riesenfest. Irgendwann vorher oder nachher unterhält Sorbas sich mit seinem Freund über Weihnachten:

„Die Sterne leuchteten, groß wie Engel, über der schneeweißen Kuppel der Kirche, die Milchstraße ergoss sich von einem Ende des Himmels zum ändern, ein grüner Stern funkelte wie ein Smaragd über uns.

»Glaubst du«, sagte Sorbas, »dass Gott Mensch wurde und in einem Stall zur Welt kam?«

»Darauf kann man schwer etwas antworten, Sorbas. Ich glaube es und glaube es auch nicht. Und du?«

»Was soll ich dir sagen! Wie soll sich da einer auskennen? Als ich noch ein kleiner Bengel war und meine Großmutter mir Märchen erzählte, hielt ich alles für Unsinn. Und doch zitterte ich und lachte und weinte, als ob ich es glaubte. Als mir dann der Bart wuchs, warf ich alle diese Märchen zum alten Eisen und machte mich sogar lustig darüber. Aber jetzt, auf meine alten Tage, bin ich wie ein Kind geworden und glaube wieder daran... Was für ein komisches Geschöpf ist doch der Mensch!«"

Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, Gott?

So fragt einer in den Psalmen und die Antwort, die er findet lautet: 

Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.

Ins Weihnachtliche gewendet, müsste die Antwort so lauten:

Du, Gott, hast dich so niedrig gemacht in der Nacht von Betlehem, dass du unser Leben und Leiden auf dich genommen hast. So tief und so nah bist du gekommen, dass du uns trägst und bewahrst, du sprichst uns gerecht und hebst uns empor zu deiner Ehre. Deine Herrlichkeit umstrahlt uns, du schenkst Hoffnung und Glauben.

Du bleibst nah, auch wenn wir uns entfernen, du bist Heiland, Retter und Erlöser.

Darin, liebe Gemeinde, liegt unsere Seligkeit, das wollen wir festhalten und nicht mit den Kerzen runter brennen lassen.

Amen



Pastor Stefan Henrich
Flensburg/Viöl
E-Mail: Henrich-Vioel@web.de

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