Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Weihnachten, 27.12.2009

Predigt zu 1. Johannes 1:1-4, verfasst von Bert Hitzegrad

1 Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens -

2 und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist -,

3 was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.

4 Und das schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen sei.

Gott segne dieses sein Wort an uns und lass es auch durch uns zu einem Segen werden!

Liebe Gemeinde, heute am „dritten Weihnachtstag"!

Die „Weihnachtsbäckerei" gehört dazu, „Alle Jahre wieder" und natürlich „Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit?". Wenn wir kurz vor Weihnachten im Kindergarten einen Gottesdienst feiern, ist die Vorfreude ist riesig. Aber auch die Spannung - und jeder der drei-vier-fünfjährigen möchte am liebsten noch einmal seine Wunschliste an den Weihnachtsmann  vorstellen. Mit dabei ist auch die Weihnachtskrippe mit Ochs und Esel, Hirten, Königen, den Engeln und natürlich auch Maria und Joseph. Gemeinsam erzählen wir die Geschichte. Die Kinder stellen die Figuren dorthin, wo sie hingehören. In den ärmlichen Stall, auf den steinigen Weg von Nazareth nach Bethlehem ...Und wo ist das Kind? Das Kind ist noch unterwegs. Es wird von Hand zu Hand gereicht. Jeder der kleinen Gottesdienstteilnehmer darf es einen Augenblick in die Hand nehmen, betasten, begreifen, ein wenig hin- und herwiegen, schützend die Hände um die kleine Figur legen und dann weiterreichen, zum nächsten und weiter und weiter. Bis es dann im Stall ankommt. Bis es dann in der Krippe liegt und von Maria und Josef, den hölzernen Figuren, liebevoll betrachtet wird, und die Schar der Besucher scheinbar noch etwas dichter heranrückt an das Kind in der Krippe.

Weihnachten - da gibt es etwas zu sehen, zu hören und zu riechen. Weihnachten, da gibt es es etwas zu bestaunen, zu betasten und zu be-greifen. Da wird der oftmals ferne Gott zum Greifen nahe. Vielleicht macht ja gerade das den Zauber dieser Zeit aus, dass die Geschichte von Weihnachten eine Botschaft für alle Sinne ist. Da übertritt Gott sogar sein eigenes Gebot, kein Bild zu machen, und er schenkt uns ein Bild seiner Liebe. Da ist von so viel Hoffnung die Rede, dass ganze Wälder gerodet werden, um das Tannengrün in die Häuser zu holen. Da wird Kuchenteig gewickelt wie die Windeln eines Kindes. Rosinen, Mandeln und Sukkade sind wie ein Schatz darin verborgen und warten, bis dann der Stollen zu Weihnachten feierlich angeschnitten wird und die Freude über das Kind sogar den Gaumen kitzelt.

Ist es das, was Weihnachten zum Fest der Feste macht?

Worte wie „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit ..." (Joh 1, 14) werden verständlich. „Die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes" (Titus 3,4), die Menschen wirklich selig, ja glücklich macht, ist mit allen Sinnen zu spüren. Das „helle Licht", das Jesaja zu finsteren Zeiten sieht (Jes 9,1), leuchtet in dieser Zeit millionenfach. Und wenn wir heute im Predigttext hören, „das Leben ist erschienen", dann hat der eine oder andere mit blühenden Kirschzweigen das Leben im Wohnzimmer vor Augen, weil rechtzeitig am Barbaratag, am 4. Dezember, die toten Äste ins warme Wohnzimmer geholt wurden, um zu Weihnachten als Barbarazweige blühendes Leben zu bringen ... Wer Augen hat zu sehen, der erahnt die große Botschaft, die dahintersteht. Wer seine Sinne noch richtig nutzen kann, erlebt ein Feuerwerk der vielfältigen Herrlichkeit Gottes. Wer noch genießen kann, lässt sich die Weihnachtsbotschaft mit mancher Süßigkeit auf der Zunge zergehen.

Weihnachten - das Fest der Feste. Weil es das Fest des Lebens ist. Das Fest des neugeborenen Lebens. Das Fest wiederentdeckter Freude, das Fest neuer Lebensperspektiven.

„Ein Kind ist geboren, das Leben ist neu erschienen." So lautetet die schlichte Botschaft an die noch schlichteren Hirten. „Setzt euch in Bewegung. Hört, seht, begreift, was dort geschehen ist. Berührt und streichelt es mit euren eigenen Händen, und glaubt diesem Kinde, und vertraut diesem König, und lasst euch verwandeln von ihm in all eurer Armseligkeit und in den Schatten des Todes, und stellt euch hinein in den Schein des Lichtes und lasst Gottes Herrlichkeit in euren Gesichtern widerspiegeln, und stimmt mit ein in den Lobgesang der Engel, in die Melodie des neuen, gesegneten Lebens!"

Und tatsächlich. Sie haben sich auf den Weg gemacht, um dieses neugeborene Kind zu sehen, es zu bestaunen, das Wunder in diesem Stall zu begreifen.

Es bleibt bis heute ein Wunder - jedes Kind, das geboren wird, ist solch ein Wunder und für die allermeisten Eltern ein Grund zur Freude und zur Dankbarkeit. Und auch ein greifbarer Hinweis auf einen Schöpfergott, der Leben schafft, der Leben schenkt und segnet und erhält.

Heute sind es nicht Engel oder Sterne, die die Geburt öffentlich machen. Eine Anzeige in der Zeitung, eine liebevoll gestaltete Karte, mit dem ersten Photo des Erdenbürgers oder sogar mit dem Abdruck seines Fußes. „Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für Leon hinein in diese Welt." Eltern werden ganz kreativ, wenn sie ihre Freude kundmachen. „Wir sind dankbar, wir freuen uns über Anna-Lena" mag es da ganz schlicht heißen. Oder: „Marie ist geboren - 2997 Gramm verändern die Welt". Oder fast weihnachtlich: „Ein Stern geht auf am Firmament, da huschen leise Schritte durch den Wind, und als der neue Tag beginnt, liegt in der Wiege euer Kinder - wir freuen uns über Lenja!"

Das Leben wird begrüßt, die Freude bekommt einen Ausdruck. Das ist zu Weihnachten so, das ist bei den meisten Geburten so, das verbindet Menschen, Frauen und Männer, die Mütter und Väter werden auf dieser ganzen Welt. Vielleicht ist dieses Fest der Feste ja deshalb auch so bewegend und so anrührend, weil es Menschen überall miteinander verbindet - mit der Botschaft, die allen gilt, in der Freude, die überall Menschen bis heute erleben und die immer wieder Menschen verändert.

Doch Weihnachten ist irgendwann auch wieder vorbei. Vielleicht ist dem einen oder anderen der heutige dritte Weihnachtstag schon zu viel. Zu viel Freude, zu viel Essen, zu viel Zeit füreinander ist auch gefährlich. Die Schiedungsanwälte sollen gerade nach Weihnachten viel zu tun bekommen. Irgendwann schmeckt der beste Lebkuchen nicht mehr und der Tannenbaum, der Baum der Hoffnung, fängt an zu nadeln. „Gleich nach dem 27. kommt der wieder raus, dann ist Weihnachten vorbei!" sagte unsere Nachbarin. Wie schade! Ist denn dann auch die Freude am Ende, dieses neue Leben, das erschienen ist, das nicht nur drei-vier Tage Glückseligkeit bringen will, sondern das ewig ist ...?

Aber schon jetzt weiß ich auch, dass, wenn ich morgen die Tageszeitung aufschlage, wie gewohnt von hinten nach vorn, bei den Familienanzeigen beginnend, zurück zu den Schlagzeilen über Weihnachtskonsum und Wirtschaftsrekorde ... Wenn ich dann nach den Geburtsanzeigen suche - und hoffentlich werde ich welche finden -, dann werden daneben auch die Anzeigen mit dem Trauerrand sein. Anzeigen, in denen der Tod eines Menschen beklagt wird. Leben und Tod nebeneinander, Freud und Leid eng verbunden, Licht und Schatten, die offenbar nicht zu trennen sind.

Weihnachten ist nicht für alle das Fest der Freude und der Liebe. Nicht jeder kann so kindlich-naiv nach der Freude Gottes greifen wie die Kinder im Kindergarten nach der hölzernen Figur des Jesuskindes. Weihnachten lässt nicht nur die Herzen glühen und die Augen strahlen, sondern auch mancher Mund öffnet sich fragend und klagend: „Wo ist er, dieser Gott, in meinem Leben?" Kein „O du fröhliche" und kein „Ihr Kinderlein kommet", weil die Kinder nicht mehr kommen, die Alten vergessen haben und weil sich das „Freue dich, o Christenheit" allein nicht gut singen lässt.

„Von Gott und den Menschen vergessen!" Das Vertrauen in diese gute Botschaft und in die Freude von damals dahin. Keine Gemeinschaft, sondern Einsamkeit und Isolation. „Wenn doch endlich erst Weihnachten zu Ende wäre und das Einkaufen im Supermarkt wieder möglich ist, dann gibt es wenigstens eine, die zu mir sagt: ‘Guten Tag'. Und vielleicht bekomme ich auch noch ein Lächeln von ihr, auch wenn sie arbeiten muss, nun zwischen den Feiertagen. Vielleicht schaut sie mich sogar an, wenn ich ihr sage, ich habe die 99,- Cent für das abgepackte Brot passend ..." Weihnachten endlich vorbei?

Dabei will Weihnachten einen Anfangspunkt setzten wie das Leben, das mit der Geburt eines Kindes beginnt. Dabei macht Weihnachten Mut, gerade denen, die im Abseits stehen, heranzutreten, und mit den schlichten, vielleicht sogar stinkenden Hirten in der ersten Reihe zu stehen bei dem Kind in der Krippe. Dabei will Weihnachten die Freude spürbar machen, wie das unverhoffte Lächeln in der Anonymität. Dabei will Weihnachten einen Hauch von Ewigkeit versprühen in dieser Zeit, wie der Duft von Sternenplätzchen mit viel Zimt, der irgendwo in fernen Welten Zuhause ist. 

Schafft Weihnachten das? Schaffen wir es, diese Freude zu verkünden, zu dieser Gemeinschaft einzuladen, diesen Hauch der Ewigkeit in unseren Gottesdiensten, in unserem Miteinander spürbar und sichtbar zu machen?

An wen müssten wir das kleine Kind in der Krippe weiterreichen, so wie die Kindergartenkinder, damit jemand spürt, dass dieses Kind nicht nur die Welt verändert hat, sondern auch sein kleines Leben mit so großem Kummer und so großer Traurigkeit?

Das Kind ist nicht Kind geblieben. Weihnachten ist irgendwann vorbei. Der Alltag kehrt ein. Irgendwann ist dann Karfreitag, und wir feiern das Osterfest.

Das Kind wird die Grenzen menschlichen Lebens spüren, die Einsamkeit, die Gewalt, den Hass, der Menschen trennt. Aber es wird immer wieder Grenzen abbauen. Menschen aus ihrer Isolation befreien, Seelen und Körper heilen, falsche Wege aufdecken und Sünden vergeben. Das Kind wird seinen dornigen Weg, der im Stall auf pieksigem Stroh beginnt, nicht verlassen. Es wird die Dornenkrone tragen. Und das harte Holz der Krippe wird es am Kreuz des Todes wieder spüren. Geburt und Tod, Freude und Trauer, Glück und Klage - das Leben, unser Leben spiegelt sich in seinem Leben wieder. Und doch gibt es ein Mehr an Hoffnung, mehr als das Grün des Tannenbaumes, der seine Nadeln verliert, ein Mehr an Freude und Glück, mehr als ein Kind, das geboren wird und das doch sterben wird, weil es eine Freude und ein Glück auf Zeit ist. Dieses Kind bringt ein Mehr als diese Zeit in diese Welt. Es ist die Ewigkeit Gottes, die im irdischen Stall erscheint und die am Ostermorgen weithin strahlt.

Weihnachten ist nur der Anfang. Ein schöner, ein so freudiger Anfang. „Wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und erschienen ist." Weihnachten ist ein Anfang. Aber es kommt noch mehr. Für uns und für alle, die auf ein Licht in ihrem Leben warten. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus zum ewigen Leben. Amen.



Pastor Bert Hitzegrad
Cadenberge
E-Mail: BHitzegrad@aol.com

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