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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Weihnachtstag, 26.12.2009

Predigt zu Matthäus 10:32-42, verfasst von Erik Fonsbøl

Wenn es uns im Laufe dieser Weihnachtstage gelungen wäre, den berühmten weihnachtlichen Frieden im Schoß der Familie zu finden - Weihnachten ist doch bei uns das große Fest der Feste - ja, dann kann ich jetzt sagen, dass wir heute am 2. Weihnachtstag in der Kirche die Wahrheit darüber erfahren, was die Familie noch wert ist angesichts dieser fanatischen Forderung Jesu, alle Bande aufzugeben - besonders die familiären.

            Jesus ist dabei, seine Jünger in die Dörfer Israels zu schicken. Zu zweit sollen sie von Haus zu Haus gehen. Und sie sollen nichts mitbringen - nicht einmal Wanderstab oder Sandalen, und dann sollen sie anklopfen und darum bitten, eingelassen zu werden, und dort wo sie empfangen werden, sollen sie hineingehen und so lange dort bleiben, wie sie willkommen sind, und sie sollen dafür die frohe Freiheitsbotschaft verkünden und die Kranken heilen. Und wo sie nicht empfangen werden, sollen sie den Staub von ihren Füßen schütteln und das Dorf verlassen.

            Sie sollen also hinausgehen und ein ganz neues Leben für die Menschen verkünden, und es ist nun kurz vor ihrer Abreise, dass ihnen von ihrem Meister selbst so ausführlich Bescheid gestoßen wird, wovon wir eben ein kleines Stückchen gehört haben. Ich kann mir nicht verkneifen, mir vorzustellen, dass einer der Jünger - die ja nicht gerade durch großes Verständnis für das, was Jesus will, brillieren - sich irgend etwas in den Bart gemurmelt hat, dass er gern auf dem Wege mal kurz bei seiner Familie vorbeischauen möchte, um zu sehen, wie es ihr geht - und dann bekommt er stattdessen diese Suada zu hören, dass er dies anstehende Projekt ernst zu nehmen habe - um es vorsichtig auszudrücken - denn es geht nicht um Gemütlichkeit in der Familie, sondern es geht um Leben und Tod.

            Einmal bat einer der kommenden Jünger Jesus um  die Erlaubnis, nach Hause zu gehen und seinen Vater zu begraben - und da bekommt er die Antwort: Lass die Toten ihre Toten begraben - du aber komm und folge du mir!

            Jetzt müsst ihr dies hier also ernst nehmen, wenn ihr mitmachen wollt. Und ihr müsst darauf vorbereitet sein, dass es etwas kosten wird, denn dem, was ihr verkündet, wird widersprochen werden. Ihr werdet bei den Menschen auf heftigen Widerstand stoßen, und deshalb gilt es, auszuhalten und festzuhalten - auch wenn der Preis für eure Verkündigung sehr hoch sein wird.

            Man kann dann doch die Frage stellen, wie das Evangelium der Freiheit und der Liebe die Leute in dem Maße aufbringen kann, dass sie anfangen, die Christen geradezu zu verfolgen und nicht einmal davor zurückzuschrecken, sie mit gutem Gewissen in Gottes Namen umzubringen?

            Und ich glaube, das hat damit zu tun, dass doch die Freude und Freiheit des Evangeliums auf einer Hintansetzung der alten religiösen Traditionen - und nicht zuletzt auf einer Hintansetzung der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse beruht - in erster Linie des hierarchischen Aufbaus der Gesellschaft, wonach der Eine mehr ist als der Andere - der eine Befehle gibt und der Andere gehorcht. Und vielleicht kann man diese Hinschlachtung der familiären Werte besser verstehen, wenn man darin einen Angriff auf diejenige Familienstruktur sieht, in der die ältere Generation souverän das Sagen hat gegenüber der jüngeren und in der die Herren über die Diener bestimmen.

            Die Zwietracht, die Jesus in die Familie pflanzen will, scheint ein Zwiespalt zwischen den Generationen zu sein - Vater - Sohn, Schwiegermutter - Schwiegertochter usw. Weil Jesus die totale Gleichwertigkeit zwischen Menschen verkündet - ohne Rücksicht auf Rang und Stand - Geschlecht und Alter.

            Wenn die Familie den Kern in der Gesellschaftsstruktur ausmacht und gleichsam ein Bild der herrschenden Gesellschaftsordung ist, - oder der Ort, wo wir vor allen Dingen die Struktur der Gesellschaft kennenlernen und sie uns von klein auf eingeimpft wird - ja, dann ist es also genau dieser Kern, den Jesus angreift mit seiner Verkündigung der totalen Gleichberechtigung unter Menschen.

            Und eines ist doch klar, eine solche Verkündigung wird auf den Widerstand derer stoßen, die an der Macht sind. Also in der Familie die Älteren oder in der Gesellschaft die

maßgebenden Kreise. Aber auf diesen Widerstand sollen die Jünger Jesu also vorbereitet sein, und er wird hart sein - und er wird sie möglicherweise das Leben kosten, aber gerade dann sollen sie festbleiben, denn der, der nur will, dass es ihm gut geht, verliert sein Leben, während der, der sein Leben um der Freiheit und der Gleichheit willen verliert, es gewinnen wird.

            Im Leben geht es für Jesus nicht darum, dass es einem gut geht oder dass man ein langes Leben hat, sondern es geht darum, seinen Idealen treu zu sein - seinem Glauben treu - treu bis in den Tod.

            Und das ist es doch, was diejenigen Menschen kennzeichnet, die wir in der Kirche Märtyrer nennen - Menschen, die freiwillig um ihres Glaubens willen in den Tod gegangen sind. Es sind Menschen, die in der katholischen Kirche mehr verehrt werden als hier bei uns, wo wir ihrer an ein paar Tagen des Jahres bloß gedenken - an Allerheiligen oder dann hier am 2. Weihnachtstag - dem Tag des heiligen Stephanus, an dem wir besonders des ersten Märtyrers Stephanus gedenken.

            Aber können wir nicht alle zu diesen starken Persönlichkeiten aufsehen, die auf ihre Weise die Kirche für uns alle mit tragen - für uns alle, die ihre Familie oder ihr gutes, geborgenes und sicheres Leben nicht verlassen wollen oder können und es sich nicht träumen lassen würden, das Ganze um der Verkündigung willen auf's Spiel zu setzen.

            Vielleicht mag der eine oder andere sogar ein stilles Verlangen nach diesem wilden Engagement empfinden, das alles andere beiseite schiebt - vielleicht sogar in erster Linie hier an Weihnachten, wo sich die Rastlosigkeit um den 2. Weihnachtstag herum melden kann. Es mag ja schön sein mit Familienspiel und gemütlichem Beisammensein und dem vielen guten Essen und Trinken und Spaziergängen, - aber irgendwann verspürt man einen Ruf, einen Ruf nach etwas, das unserem Leben innere Substanz und tiefen Sinn verleihen soll als Menschen, die gerne etwas vorhaben wollen - die gern für etwas kämpfen wollen - vielleicht sogar gern in der Erinnerung der Nachwelt haften bleiben wollen mit einer bedeutungsvollen Tat.

            Und ich glaube, es ist der kleine Gottesfunke, der in einem jeden Menschenherz liegt und der uns über das andere Leben zuflüstert - über das Leben, das wir lebten, bevor wir erzogen und indoktriniert wurden - bevor wir uns den vielen Anforderungen von Gesellschaft und Familie unterordneten und uns ihnen anpassten - über das Leben, das nicht in alle die halbherzigen Vorhaben aufgespalten ist, mit denen wir uns zur gleichen Zeit befassen, sondern das von unserem ganzen Herzen getragen ist und deshalb erfüllt und ausgefüllt ist. Das, wovon wir sagen können, dass wir dafür leben.

            Vielleicht ist dieser saftige Text heute für den 2. Weihnachtstag sogar sehr gut, damit wir nicht völlig vergessen, dass das Menschenleben mehr ist als Lächeln und Wohlbehagen, Wohlfahrt und Gesundheit, Ruhe und Friede.

            Vielleicht gab es etwas Wichtiges, was wir hätten sagen oder tun sollen, solange wir es können.

Amen



Propst Erik Fonsbøl
Nørre Åby (Dänemark)
E-Mail: rik@fonsboel.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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