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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Altjahresabend, 31.12.2009

Predigt zu Römer 8:31b-38, verfasst von Matthias Burger

Vertraute Liturgie

„Same procedure as last year?" „Yes, same procedure as every Year", so wird es heute wieder in vielen Sendern heißen. „Immer gleich" so wünscht es sich Miss Sophie: Silvester zusammen mit ihren Freunden.

Die Freunde sind längst tot. Leider ist ihr Fest eine Illusion, wenn auch eine wunderschöne. Butler James trägt das Seine zur Aufrechterhaltung bei, er nimmt die Rolle der verstorbenen Freunde ein, und trinkt und redet an ihrer Statt. „Same procedure as last Year?" „Yes, same procedure as every Year!".

Wie wohltuend und humorvoll ist diese kleine filmische Episode, und wer möchte nicht an dieser Konstanz partizipieren, indem er sich selbst hinsetzt in den Fernsehsessel, und sich zum x-ten mal Zeit nimmt für das Immergleiche?

Rückblick und Bilanz

Dann träumen wir den schönen Traum, wir könnten das Schöne festhalten. Das ist erlaubt. Und doch ist der Übergang von einem Jahr auf das andere immer ein anderer, die Silvesterparty nicht immer gleich geglückt und erfüllend. Auch der Rückblick auf ein vergangenes Jahr ist jedes Jahr ein anderer. Nichts bleibt gleich, auch wenn wir uns für zwanzig Minuten diesem Traum hingeben können.

Wie sieht es dieses Jahr aus mit der Bilanz? Sind die  Hoffnungen, die wir letztes Jahr noch hatten, erfüllt worden, oder in die Brüche gegangen? Gab es freudige Überraschungen?

Manche haben sich neu verliebt, gehen mit großen Hoffnungen in das Neue Jahr. Andere müssen Verluste menschlicher, vielleicht auch finanzieller Art verschmerzen, beginnen das neue Jahr mit Befürchtungen.

Als Gesellschaft sitzt uns die Krise im Nacken, der gescheiterte Klimagipfel, die unselige Staatsverschuldung. Eher gemischte Gefühle dominieren.

Silvester ist Anlass für die Bilanz, privat und gesellschaftlich. Jede und jeder von uns sitzt hier, mit seinem oder ihrem persönlichen Rückblick im Gepäck. Als Gemeinschaft bewegen uns die Großereignisse. Und mit diesem Rucksack des Vergangenen bewegen wir uns über die Schwelle ins neue Jahr.

Paulus hat auch eine Bilanz im Auge, nicht die Jahresbilanz, sondern die Lebensbilanz. Er blickt zurück, und weiß, wie weh es manchmal tut, die eigene Zeit, sei es ein Jahr, oder das ganze Leben, rückblickend anzusehen und zu bewerten. Manche müssen dabei, weil sie die Realität nicht aushalten, ihre Bilanzen fälschen und schön reden. Es ist immer viel, was wir Menschen auch nicht schaffen, und es ist schlimm zu sehen, welche persönlichen oder gesellschaftlichen Katastrophen Wirklichkeit geworden sind. Aber Bilanzen fälschen: das sind Mächte, die uns von Gottes Liebe trennen wollen, aber es letztlich nicht schaffen, wenn wir Paulus folgen. Hören wir, was er uns heute schreibt:

31b Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?
38 Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.

Es ist heute der Tag, an dem wir gerne nochmals zurückblicken sollen. Es ist aber auch der Tag, an dem wir alles, was missglückt ist, benennen, anschauen, selbst wenn es schmerzt. Dann können wir es abgeben: bei Gott ist es gut aufgehoben. Egal, welches Urteil wir selbst über das letzte Jahr fällen: was vergangen ist, ist bei Gott gut aufgehoben. Geben wir es zurück in seine Hände, denn wir können die Worte des Paulus in uns tragen und ihnen vertrauen: „Nichts kann uns scheiden von Liebe Gottes": Welch ein Trostwort.

Der Bilanz folgt der Ausblick

Was kommt?

Jeder Bilanz folgt ein Ausblick. Zukuntsauguren und Horoskope haben Hochkonjunktur, auch wir versuchen alles zu tun, damit das nächste Jahr auf irgendeine Weise besser wird wie das Vergangene. Wer fasst nicht neue Vorsätze?

Und doch- oder zum Glück- weiß man nicht, ob das was kommt besser ist als das, was ist, ob nicht sogar der private oder berufliche Supergau oder der Lottogewinn bevorsteht.

Aber das Morgen kommt, unausweichlich. Und obwohl wir das Morgen mehr oder weniger detailliert planen müssen, entscheiden, ob nach links oder rechts..., wir können es eigentlich nicht, weil wir nicht einmal genau wissen, was uns die nächste Stunde bringt.

In dieser fundamentalen Unsicherheit sind wir heute im Haus Gottes zusammengekommen: wir möchten als Gemeinschaft, als Familie und Einzelperson in die Zukunft gehen, und uns von Gottes Liebe und Zuwendung stärken lassen. Wir wissen, dass wir die Zukunft planen müssen, und wissen ebenso, dass wir es nicht können. Lassen wir uns heute in dieser Unsicherheit des Überganges der Liebe Gottes vergewissern in seinem Haus. Wir brauchen uns nicht fürchten, nie sind wir allein.

Nicht umsonst können wir die Liebe Gottes heute im Abendmahl schmecken und sehen.

Das letzte Jahr geben wir ab, Schuld wird aufgehoben, Vergebung wird uns zugesprochen, und mit Brot und Wein besiegelt.

Für die Zukunft werden wir gestärkt, Im Abendmahl werden die Trostworte des Paulus gegenständlich: „nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes". Welche tollen Worte für das Morgen! Danke Gott, dass Du uns den Rücken stärkst für das Morgen!

So können wir uns von der Gewissheit des Paulus anstecken lassen, und uns freuen auf das, was kommt. Das weiße Blatt mit der Überschrift 2010 will gefüllt werden, mit lauter bunten Gemälden. Lassen wir die Steine heute zurück, und nehmen morgen unsere Buntstifte zur Hand. Möge Gott uns begleiten auf den Wegen, die vor uns liegen. Amen.



Pfarrer Dr. Matthias Burger
Jettenburg (bei Tübingen)
E-Mail: email@matthiasburger.de

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