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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Weihnachten, 03.01.2010

Predigt zu 1. Johannes 5:11-13, verfasst von Sybille Reh

Liebe Gemeinde,

Weihnachten ist vorbei, im Kirchenjahr noch nicht ganz, aber doch gefühlt. Jetzt können wir uns hier die Frage stellen, was eigentlich von Weihnachten bleibt, wenn die Weihnachtsbäume abgeschmückt sind.

Marie Luise Kaschnitz hat in einer Geschichte eine zukünftige Welt beschrieben, in der es gar kein Weihnachten mehr gibt. Ein kleiner Junge findet aber in einer Kiste mit Resten aus längst vergangenen Zeiten einen alten Weihnachtsstern. Erstaunt fragt er „Was ist das?" „Ein Stern" sagt die Mutter". „Kann nicht sein", sagt das Kind, „Sterne sind rund, nicht spitz!" Da kommt die Mutter nicht darum herum, dem Jungen zu erklären, was für ein Fest Weihnachten war, erzählt vom Weihnachtsbaum und vom Singen der Weihnachtslieder. Der Junge meint, das müsse ein schönes Fest gewesen sein. „Nein, es war ein langweiliges Fest", sagt die Mutter, „alle waren froh, wenn es endlich vorbei war." Die Mutter denkt an das Weihnachtsfest, die Erwartungen die damit verbunden waren, die Freude, die Enttäuschungen und die Schuldgefühle und denkt: „Nie wieder!" (Marie Luise Kaschnitz: Was war das für ein Fest?)

Liebe Gemeinde, ich kann mir vorstellen, dass es bei Ihnen einige gibt, die zwar Weihnachten nicht ganz abschaffen wollen, aber doch jetzt erst mal erleichtert sagen: „Geschafft!" Auch wenn Weihnachten ein Fest der Freude sein soll, so ist es doch immer für einige ein Angsttermin. Nicht alle wollen ein Familienfest. Nach  Trennungen in Familien, nach einem Familienkrach etc., gibt es Menschen, die nicht wissen, wie sie Weihnachten verbringen sollen. Die Erwartungen an dieses Fest sind auch besonders hoch. Nicht umsonst bieten Familienberatungsstellen Sondersprechstunden zwischen den Jahren an.

Und doch, die meisten freuen sich auf Weihnachten, trotz, oder wegen allem, was dazugehört.

Weihnachten ist nicht nur ein Familienfest, es ist auch ein religiöses Fest. In Amerika, zumindest in den großen Städten an der West- und Ostküste, gilt es deswegen inzwischen als politisch unkorrekt, im öffentlichen Raum „Frohe Weihnachten" zu wünschen. Man könnte ja jemanden beleidigen, der einer anderen Religion angehört. Stattdessen wünscht man nur  „Fröhliche Feiertage", und lässt offen, welche Feiertage man meint. Selbst die Werbung der Kaufhäuser und die aus den Lautsprechern dröhnenden Weihnachtslieder wurden entsprechend abgeändert. Man kann auch kein „Frohes neues Jahr" wünschen, denn der Jahreswechsel findet für Chinesen, Juden und Muslime nicht am 1. Januar statt, so dass es bei einem frohen „Kalenderwechsel" bleiben muss.

Solche Rücksichtnahme ist in Deutschland überflüssig. Ein Weihnachtsbaum, Weihnachtsdekoration und Weihnachtsgeschenke finden sich auch bei fast allen atheistischen Familien und bei einigen Muslimen. Auch die Geburt eines Kindes zu feiern finden die meisten Nicht-Christen hierzulande nicht anstößig. Man betrachtet einfach das Wunder der Geburt an sich, das Jesuskind als Menschenkind, redet vielleicht noch von der Geburt des Propheten Isa, und kann mitfeiern.

Ein Kommentar aus einem Internetforum: "Weihnachten (und die Zeit drum) ist das schönste und gemütliche Fest des Jahres. Fest der Liebe oder Geburt Jesus hin oder her, das sind schöne Tage, voller Freude, Überraschungen und Wiedersehen mit lieben Leuten. Warum sollte ich, nur weil ich nicht an den kleinen Jesus glaube, nicht mitfeiern sollen? Seltsamer Gedanke!" (aus http://www.gutefrage.net/frage/was-ist-weihnachten-fuer-die-leute-die-keinen-glauben-haben)

Der alte Witz, in dem das Kind fragt: „Mama, feiern die Christen eigentlich auch Weihnachten?" trifft immer noch zu. Zumal nach einer Umfrage aus dem Jahr  2002 mehr als ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland nicht weiß, warum Weihnachten überhaupt gefeiert wird (http://www.iconkids.com/deutsch/download/presse/2002/2002_3.pdf).

Liebe Gemeinde, dass Weihnachten auch von Menschen, die „nicht an den kleinen Jesus glauben", gefeiert wird, stört uns eigentlich wenig. Schlimmer wäre es doch, wenn diese besondere Ruhe, die sich in den Weihnachtsfeiertagen (leider nicht davor) im Lande ausbreitet, fehlen würde und das Leben an den Weihnachtsfeiertagen außerhalb der Kirche weiterginge wie immer. Es ist doch schön, wenn möglichst viele mitfeiern, auch wenn sich manch ein Pastor fragt, wo denn alle die Leute, die Heiligabend plötzlich die Kirche bevölkern, eigentlich herkommen und wohin sie nach dem 24. Dezember wieder verschwinden.

Liebe Gemeinde, jetzt haben wir den 3. Januar, und wir sind wieder mehr oder weniger unter uns. Und jetzt möchte ich etwas über die Frage nachdenken, was uns Weihnachten außer Spekulatius, Weihnachtsferien und dem neuen i-pod und dem Wiedersehen mit Verwandten noch gebracht hat. Was ist vom Weihnachtsfest eigentlich geblieben, wenn der Weihnachtsbaum abschmückt ist und die Geschenke umgetauscht oder weggeräumt sind?

An dieser Stelle setzt der Predigttext für den heutigen Sonntag ein:

1. Johannes 5, 11-13

11 Das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn.

12 Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht

13 Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.

 

Das sind Sätze aus einer Zeit, lange bevor Weihnachten als Fest gefeiert wurde. Die ersten Christen kannten den Geburtstag Jesu nicht, auch wenn die Überlieferung der Geburtsgeschichten im Lukasevangelium und im Matthäusevangelium davon zeugt, wie wichtig es bereits diesen beiden Evangelisten war, die Umstände der Geburt Jesu zu schildern. Das Osterfest war das zentrale Fest der ersten Christen.

Der erste Johannesbrief, aus dem diese Worte stammen, ist nicht wirklich ein Brief, denn es fehlen Anrede und Grüße. Auch der Autor dieser Worte wird nicht genannt, da aber Inhalt und Wortwahl dem Johannesevangelium sehr ähneln, wird er nach alter Tradition demselben Autor zugeschrieben, auch die moderne Wissenschaft geht davon aus, dass, selbst wenn es verschieden Autoren sein sollten, sie doch etwas miteinander zu tun gehabt haben müssen. Im Johannesevangelium und im ersten Johannesbrief werden keine Geschichten über die Geburt Jesu erzählt. Und doch: die Worte aus dem ersten Johannesbrief passen recht gut in die Zeit zwischen Weihnachten und Epiphanias, dem Fest der Geburt Jesus und dem Fest der Erscheinung Jesu in unserer Welt als Herrscher.

Der Autor will uns darauf aufmerksam machen, was uns Jesus gebracht hat. Er nennt das, was uns Jesus gebracht hat schlicht das „ewige Leben." Dieses ewige Leben wird in der Bibel selten beschrieben, es ist einfach das Gegenteil von allem was uns hier belastet: Krankheit, Leiden, Schuld und Tod.

In der Bibel beginnt der Tod übrigens nicht erst, wenn der Mensch medizinisch tot ist. Ein Mensch kann auch mitten im Leben bereits tot oder dem Tode nah sein, wenn er keine Beziehung zu Gott und seinen Mitmenschen mehr hat.

Ein Bild für den Tod ist die Geschichte vom verschlossenen Paradies. Im Paradies ist der Baum des Lebens, aber er ist für Menschen unerreichbar, weil das Tor verschlossen ist und durch die Cherubim, die Engel mit dem Flammenschwert bewacht werden. Erst t Jesus derjenige, der uns  Menschen wieder Zugang zum Paradies und zum Leben verschafft. Darum heißt es im Kirchenlied: „Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradies, der Cherub steht nicht mehr davor, Gott sei Lob Ehr und Preis."

Das Leben hat uns Jesus gebracht. Also ist es für uns möglich, es zu suchen und zu finden. Es ist nicht genau beschrieben, was es ist, also kann es jeder dort suchen, wo es auf dem Abschnitt seines Lebensweges, auf dem er oder sie steht, zu finden ist. Jemand, der am Ende seines Lebens steht, der das Ende vielleicht schon spürt, der denkt an das ewige Leben nach dem Tod, an die Auferstehung der Toten. Und er oder sie kann hoffentlich daran glauben, dass uns Jesus nicht nur das Leben sondern auch die Erlösung vom Leiden versprochen hat. Doch ein Mensch, der noch mitten im Leben steht, aber leidet, der wird nicht einfach darauf vertröstet, dass es irgendwann, im Jenseits, vielleicht besser sein könnte. Da es in der Bibel die Vorstellung gibt, dass wir auch mitten im Leben vom Tod umfangen sein können, können wir auch mitten im Leben auferstehen. (Vielleicht, indem wir eine alte Freundschaft erneuern, einen alten Familienstreit beenden, oder neue Freunde finden. Denn Einsamkeit und Tod sind nah beieinander.)

Es ist Jesus, der das Leben neu bringt, das Leben, das so schwer zu beschreiben ist, das Leben, das einfach das Gegenteil von dem ist, was uns von Gott und anderen Menschen trennt.

Und dieses Leben, das Jesus bringt, zeichenhaft sichtbar in den Weihnachtskerzen und bald auch in den länger werdenden Tagen, das überdauert das Weihnachtsfest.

In der Geschichte von Marie-Luise Kaschnitz, die ich am Anfang erzählt habe, will die Mutter die Erinnerung an das Weihnachtsfest auslöschen, indem sie ihr Kind auffordert, den letzten Weihnachtsstern in den Müllschlucker zu werfen. Aber auch aus der Tiefe des Müllschluckers kann der kleine Junge noch immer das Leuchten des Sternes erkennen.

Das Leben, liebe Gemeinde, und das Licht des Lebens bleiben auch nach Weihnachten, liebe Gemeine. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das Leuchten immer erkennen können.



Pfarrerin Sybille Reh
Strausberg
E-Mail: sreh[at)gmx.de

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