Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2010

Predigt zu Matthäus 2:1-12, verfasst von Else Hviid

Heute ist (bei uns in Dänemark) der Dreikönigssonntag. Manche Leute können nicht abwarten, aber es gibt keinen Grund, es nicht genau zu nehmen und die wichtigen Dinge in aller Eile zu erledigen. Weihnachten ist erst heute vorbei, und wir richten den Blick nach vorn, ja, nach oben.

            Wir befinden uns nämlich in der Zeit der Epiphanie, der Erscheinung des Herrn, d.h. in der Zeit des Kirchenjahres, in der wir sehen, wie Gott seine Herrlichkeit in seinem Sohn Jesus Christus zeigt.

            Heute wird uns eine wichtige Frage gestellt, über die wir ja dann den Rest des Jahres nachdenken können.

            Wenn Gott uns nun in Jesus seine Herrlichkeit zeigt, was tust du dann? Was sagst du dann?

            Ja, wir tun zweierlei.

            Entweder konsultieren wir unseren Verstand und stellen die Frage: Worum geht es hier? Kann es so sein? Wie hängt das zusammen? Oder wir reagieren unmittelbar - gefühlsmäßig und religiös und fallen auf die Knie vor dem, was wir sehen und hören, und geben uns reiner Verwunderung hin.

            Und das sind zwei durchaus legitime Weisen, auf Gott zu reagieren.

Hiob [Lesung: Hiob 28,12-28] vertritt den ersten, den intellektuellen Zugang.

            Wo wohnt die Weisheit? fragt Hiob. Woher kommt sie? Wo wohnt die Einsicht?

            Wenn wir das nur wüssten, denken wir vielleicht, dann hätten wir Weisheit und Einsicht. Dann fiele uns das Verstehen leichter. Wir würden leichter uns selbst, einander, den Sinn des Lebens verstehen. Und Gott.

            Das ist Hiobs Verstand, sein kühler Intellekt, sein energischer Wille, die Sache mit Gott zu verstehen, der ihn zu der Frage treibt. Aber Gott gibt ihm keine Antwort, die ihn unmittelbar befriedigte. Er lässt es Hiob nach und nach erfahren. Die Weisheit stammt von Gott, wohnt bei Gott und lässt sich bei Gott finden. Das ist die Erfahrung Hiobs. Sie befindet sich also nicht bei Hiob selbst in dem Sinne, dass er sie besäße, die Einsicht, dass er sie greifbar hätte, so dass er sie sehen könnte, sie halten, sie vollauf kennen, formen oder lenken könnte. Sie ist bei Gott und dort muss man sie suchen. Und das tut Hiob. In seiner langen Auseinandersetzung mit Gott, in seinem Rufen und Schreien und in seinen Anklagen ist Hiob auf den Ort hin gerichtet, an dem sich die Weisheit und die Einsicht findet, er ist zu Gott hingewandt.

            Dem verstandesgelenkten Fragen Hiobs stehen die drei weisen Männer gegenüber. die die religiöse Hingabe vertreten. Sie sehen den Stern, folgen ihm und sehen das Kind bei seiner Mutter Maria, und ihre Freude war sehr groß, erzählt Matthäus.

            Waren sie weise? Ja, so wird  es doch erzählt. Hatten sie Weisheit? Ja, sie hatten sie doch. Sie hatten vom Beginn ihrer Reise an ihre Gesichter, ihre Zukunft dem Ort zugewandt, wo die Weisheit und die Einsicht sind, sie hatten sich Gott zugewandt.

            In der Nacherzählung der Geschichte von den heiligen drei Königen von der Pastorin Gunda Jörgensen wird dieser Zug fein hervorgehoben, wie die drei Weisen unausgesetzt zu dem Stern aufsehen, ihre Gesichter dem Stern zuwenden. Als sie nach Jerusalem kommen und in das Gewimmel um die Volkszählung eintreten, sind sie gezwungen hinzuschauen, wo sie gehen, sie sehen nach unten und verlieren den Stern aus den Augen - und landen bei dem falschen König, bei König Herodes.

            Erst als sie die Stadt wieder verlassen und wieder hinaufsehen, können sie ihre Augen wieder auf den Stern richten. Sie kommen weiter und gelangen endlich zu einem kleinen Kind bei seiner Mutter, in einem Stall! Hier fallen sie auf die Knie, beten das Kind an und reichen ihre Geschenke dar.

            Wir können eine solche Erzählung nur mit Verwunderung hören. Jedenfalls können wir sie kaum mit unserem Verstand in Einklang bringen. Wir müssen uns wundern, verwundern.

            Als Pfarrer verwendet man einen großen Teil seiner Zeit darauf, das Christentum zu erklären. Viele Menschen stellen Fragen, und die ersten Fragen sind meistens die intellektuellen Fragen. Oder die ersten Bemühungen richten sich darauf, Menschen beizubringen, dass man sich auch zum Christentum intellektuell verhalten kann und soll. Und darüber hinaus auch für die Verwunderung ein bisschen Platz machen.

            Sie blieben lange genug, um sich zu verwundern über das, was sie sahen und erlebten, die weisen Männer, und deshalb gibt es diese Erzählung noch immer bei uns, und sie schafft Platz, damit uns dieselbe Verwunderung erreichen und am Dreikönigsfest und hoffentlich einige Zeit darüber hinaus erfüllen kann.

            Weihnachten können wir jetzt wegpacken, den Schmuck und die Bäume, aber die Verwunderung mag noch etwas andauern. Verwunderung geht nämlich nicht so einfach vorbei. So wie das beim Erstaunen der Fall ist. Die beiden Empfindungen sind miteinander verwandt und doch sehr verschieden.

            Erstaunt sind wir gegenüber dem Neuen, dem Unerwarteten, dem Sensationellen. Wir mögen es gern, in Erstaunen zu geraten, wir finden, dass das Erstaunen uns aufrüttelt, uns zum Einhalten bringt. Wir möchten gern ununterbrochen in Erstaunen versetzt und überrascht werden, und sollen wir aus unseren Häusern gelockt werden, dann muss das mit Ereignissen geschehen, die dazu im Stande sind - uns zu erstaunen, zu überraschen. Nun ist aber der Haken dabei, dass ein Erstaunen schnell vergeht. Es ist bald vergessen, und deshalb müssen diejenigen, die etwas von uns wollen, immerzu neue Ereignisse erfinden, die uns in Erstaunen versetzen können.

            Verwunderung dagegen empfinden wir gegenüber dem Banalen oder dem Elementaren - etwa gegenüber der Geburt eines Kindes, dem Verliebtsein, dem Tod, der Natur oder dem Wechsel der Jahreszeiten. Mit solcherlei Verwunderung können wir eigentlich nirgendwo hingehen, es sei denn ganz einfach in die Kirche.

            In der Kirche finden wir Zeit und Raum für die Verwunderung. Die großen Überraschungen gibt es hier nicht, wohl aber Raum und Zeit für Verwunderung.

            So ist es auch heute. Die Verwunderung und Freude der Weisen über das kleine Kind steckt uns an, ja, wir erkennen sie geradezu wieder, und wir freuen uns mit ihnen. Wir verwundern uns und freuen uns darüber, dass Gott sich wirklich hat geboren werden lassen, sich wirklich durch einen Menschen kennenlernen lässt, dessen Macht und Stärke anderer Art ist als diejenge, die wir von Herodes kennen. Wir verwundern uns und freuen uns darüber, dass unser Blick wieder auf eine ganz andere Wirklichkeit gelenkt wird. Nämlich Gottes Wirklichkeit.

Nun ist es nicht so, dass Intellekt und Gefühl zwei verschiedene und unvereinbare Seiten unseres Zugangs zum Religiösen wären. Es kann gewiss so sein, aber die beiden Seiten können und sollten miteinander vereint werden. Das geschieht beispielsweise bei Hiob. Er wendet sich an seinen Schöpfer und fragt. Das ist Angang und Ende aller Weisheit. Es mag sein, dass er keine zufriedenstellenden Antworten auf seine vielen Fragen bekommt, aber er sieht die Ordnung und die Schönheit, die alles Geschaffene kennzeichnet, er singt seine Bewunderung und seine heilige Furcht vor der Großartigkeit. Er singt es hinaus und bezeugt damit die abgrundtiefe Weisheit des Geschaffenen. Er er bewundert und preist es.

            Nur Gott weiß den Weg zu ihr, er allein kennt ihre Stätte, denn er sieht die Enden der Erde und schaut alles, was unter dem Himmel ist. Als er dem Wind sein Gewicht gegeben und dem Wasser sein Maß gesetzt, als er dem Regen ein Gesetz  gegeben hat und dem Blitz und Donner den Weg: damals schon sah er die Weisheit und verkündigte sie, bereitete sie und ergründete sie.

            Hiob, der nach der Weisheit fragt, wird selbst zu einem weisen Mann, denn den weisen Menschen erkennt man daran - wie Grundtvig sagt -, dass sein Herz tief und wunderbar ist und dass es ein "Himmelsspiegel auf Erden" sein kann.

            Wir sollten "Der Himmel, Herr, sage deine Ehre" singen, um uns darin zu üben weise zu sein, wir sollten wie Hiob unser eigenes Wesen in ein Verhältnis zur kosmischen Ordnung, zu allem von Gott Geschaffenen bringen.

            Weisheit ist wie Hiob und die Weisen der Herrlichkeit Gottes zugewandt sein. Und dann ist Weisheit die Fähigkeit, das Werk der Schöpfung zu bewundern und zu preisen. Weise ist es daher auch, dass eine Predigt nach dänischer Liturgie mit einem Lobpreis endet.

Amen




Pastorin Else Hviid
London
E-Mail: ehviid@googlemail.com

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


(zurück zum Seitenanfang)