Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Epiphanias, 10.01.2010

Predigt zu Römer 12:1-2, verfasst von Michael Rambow

Der frühere Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer verließ einmal spätabends kommentarlos eine Sitzung. Er stand einfach auf und ging. Große Ratslosigkeit in der Runde. Fühlte er sich nicht wohl? Hatte er gar einen „Black out"? Man steht doch nicht einfach auf und geht weg. So was tut doch kein normaler Mensch.

„Ich ermahne euch! Stellt euch nicht dieser Welt gleich!" Paulus  warnt die Christen. Heil und Leben hängen nicht daran, was „man" macht oder wie „man" sich normalerweise verhält. Aber was ist schon „normal"? Und wie lebt man richtig?

Für Paulus ist es vernünftig, sich allein auf Gott einzustellen. Gnade statt Leistung. Vergebung statt Rechthaberei. Dienen statt herrschen. Bescheidene Zuverlässigkeit statt rastloses Hin und Her. Zurückhaltung statt Geltungssucht. Weitsichtige Hoffnung statt kurzsichtige Spaßhaftigkeit. Anstoß zum Leben geben statt zusehen, wie man überall gut durchkommt.

Solcher Dienst an Gott ist die vernünftige Alternative dazu einfach alles mitzumachen.

In einer schönen Anekdote warnt Johann Peter Hebel, sich überall anzupassen und dem zu folgen, was andere tun:

„Man muss mit den Wölfen heulen. Das heißt: Wenn man zu unvernünftigen Leuten kommt, muss man auch unvernünftig tun, wie sie. Merke: Nein! Sondern erstens, du sollst dich nicht unter die Wölfe mischen, sondern ihnen aus dem Weg gehen. Zweitens, wenn du ihnen nicht entweichen kannst, so sollst du sagen: „Ich bin ein Mensch und kein Wolf. Ich kann nicht so schön heulen wie ihr." Drittens: Wenn du meinst es sei nimmer anders von ihnen los zu kommen, so will der Hausfreund erlauben, ein- oder zweimal mitzubellen, aber du sollst nicht mit ihnen beißen und anderer Leute Schafe fressen. Sonst kommt zuletzt der Jäger, und du wirst mit ihnen geschossen". (zit. nach Zitate für die Predigt, Hrsg. H.Hamdorf-Ruddies, Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen, 1993, S. 22)

Wer mitmacht, was andere tun oder verlangen kann tödlich enden. Viele opfern Diäten und zweifelhaften Idealen Schönheit und viel Geld, um einem Idealgewicht oder Idealbild ähnlich zu werden.

Und wer zählt die Zerrungen, Prellungen und Stauchungen beim Sport, die manche bereitwillig auf sich nehmen, um fit wie ein Turnschuh zu bleiben? Man muss doch was für sich tun ist eine verbreitete Heilsparole, die gerne geglaubt wird.

Ein anderes Leben entgeht der Gefahr am besten.

Gott schafft Heil. Er sorgt für die Seele. Lass alles aus deinen Händen. Es ist vernünftig, sich den Händen Gottes auszuliefern, schreibt Paulus. Glauben wir ihm? Ist das vernünftig? Für Paulus geht es nicht darum, gut anzukommen, eine gute Figur zu machen, dem Zeitgeist zu entsprechen. Es ist schon alles für dein Leben getan. Du kannst durch nichts dein Leben besser machen, als es nach Gottes Willen schon ist. In der Taufe ist das geschehen. Sei vernünftig. Vertrau dem Segen Gottes.

Am Jahresanfang ist die Hoffnung groß, ganz neu zu leben. Paulus bietet als Formel den „vernünftigen Gottesdienst" und er denkt durchaus dabei nicht an sonntags um 10 Uhr in der Kirche.

Es kann vernünftig sein anstößig zu leben. Es kann unlogisch sein aber der Seele sehr nützlich, darauf zu vertrauen, dass auch die Ecken und Kanten, die einem gegeben sind, nach Gottes Liebe ihren Sinn haben. Es kann vernünftig sein, auf Gottes Heil zu hoffen, statt unruhig mal hier und mal dort nach Heilsversprechungen auszuschauen und mehr oder weniger orientierungslos hinterher zu laufen. Es kann vernünftig sein, mit beiden Händen dem Nächsten zu dienen.

Eine Frau hält es seit Jahren mit ihrem immer kranker werdenden Mann aus. Sie könnte entlastet werden, wenn er ins Heim kommt. Ist das vernünftig? Sie setzt mit Herz und Seele und viel Körperkraft statt dessen ein Zeichen für die Gottesliebe.

Ein Unternehmer spendet für bestimmte Hilfsprojekte. Er könnte das Geld bei sich investieren oder anders gebrauchen in diesen Zeiten. Er handelt gesellschaftlich vernünftig, indem er an seinem Gewinn andere beteiligt.

Es fällt schwer herauszubekommen, was wirklich gut tut. Es ist nicht leicht zu entscheiden, wonach wir uns richten, wohin wir uns wenden.

„Ich habe gelernt, nicht mehr alles einfach mit zu machen", war übrigens die  Erklärung von Horst Seehofer für seinen überraschenden Sitzungsabbruch.

Was das Leben ausmacht liegt nicht darin, was wir schaffen. Leben ist nicht Erfüllung von Forderungen, sondern das sichere Wissen, was mich einmal erwartet. Die Gewissheit, dass Gottes Liebe uns erwartet, öffnet Räume zu erkunden, was vor Gott und den Menschen vernünftig ist.

Wir sind heute immer mehr gefangen in dem Streben, etwas zu tun. Das Heil liegt darin, was wir schaffen. Etwas für die Alten und Jungen und die Kinder und gegen das Elend in der Welt zu tun ist schon beinahe eine Segensformel der Zeit geworden. Niemand bezweifelt, dass die Welt nicht einfach sich selbst überlassen werden darf. Aber wir haben Heil und Leben, wie es noch in dem Adventslied „Macht hoch die Tür" von Christus erwartet wird, fast ausschließlich mittlerweile an Geld und Entwicklung und Projekte und unsere Lösungswege gebunden. Der Himmel auf der Erde steht für die weithin erwartete Rettung und Erlösung.

Paulus hat in seinem Brief an die Römischen Christen stehen: „gebt eure Leiber Gott als Opfer." Das ist anstößig. Das passt aufgeklärten, modernen Menschen 2010 nicht, wenn die Krise drückt und die Ärmel hochgekrempelt werden müssen, um ein schwieriges Jahr zu anzupacken.  Da steckt auch eine Anfrage an eine mittlerweile verbreitete kirchliche Praxis mit drin.

Gott sich selbst mit ganzem Herz und Seele opfern. Das 1. Gebot taucht hier plötzlich auf. „Du sollst keine anderen Götter haben. Du sollst Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen." Gott alles im Leben sein zu lassen ist wichtig. Das Denken und wichtige Lebensdinge sind neu zu sortieren. Wie sieht der Alltag aus, wenn ich mich darauf einstelle, Gott zu dienen mit Gebet und Nachdenken und Dank, bevor es an die anderen Aufgaben geht.

Immer mehr Menschen suchen für eine begrenzte Zeit den besonderen Zeitrhythmus, die Ordnung und die geregelten Tagesabläufe in einem Kloster oder einer Kommunität. „Ich will keine Ablenkung. Ich will Lösungen" begründet ein 48jähriger Geschäftsmann für sich diesen Aufenthalt. Hier muss er nicht funktionieren. Keine überflüssigen Worte. Kein Zwang zur Selbstdarstellung. Es ist nicht einfach, so ganz anders plötzlich mit sich auszukommen. Ich habe viel zu tun heute. Also muss ich viel beten, soll Luther gesagt haben. Weg von den vorgestanzten Abläufen und Formeln, den Gewohnheiten. Es ist vernünftig zu spüren, dass es andere Kräfte gibt, die einen halten.

Kirche ist für mich wichtig, erklärt ein Mann, warum er regelmäßig zum Gottesdienst geht.

Gott hat in Jesus Christus begonnen, Leben und Welt zu verändern. Diese Erfahrung des Glaubens suchen Menschen auch sonntags um 10 Uhr statt Brötchen zu holen und Hunde spazieren zu führen. Vertrauen auf Gottes erneuernde Kraft im Evangelium von Jesus Christus wirft ein anderes Licht auf das Leben. Es ist vernünftig, diese Gottesalternative anzunehmen.

Gott sucht Menschen mit kritischem Abstand und anderem Blick, damit sie in der Welt durch die Kraft des Glaubens ihm und seiner Sache alltäglich dienen. Wer das wagt, lebt nach Gottes Willen vernünftig am Schreibtisch, beim Einkaufen, auf der Straße, mit der Frau und dem Mann und den Kindern und feiert täglich und auch sonntags Gottesdienst Amen.

 



Pastor Michael Rambow

E-Mail: kirche.ramelsloh@gmx.de

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