Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Epiphanias, 10.01.2010

Predigt zu Römer 12:1-3, verfasst von Mona Rieg

Gnade sei mit euch und Friede, von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Es ist Sonntag, und wir feiern Gottesdienst.

Wie immer Sonntags feiern wir Gottesdienst.

Sonntagsgottesdienst, liturgischer Gottesdienst, Erwachsenengottesdienst - wie immer Sie ihn nennen möchten.

 

Gottesdienst.

Was ist Gottesdienst? Im Lexikon steht: „Gottesdienst ist die christliche Bezeichnung der liturgisch ausgeformten gemeinschaftlichen Gottesverehrung mit den Elementen Anrufung, Lob und Danksagung Gottes, Lesung und Predigt des Wortes Gottes, Bekenntnis des Glaubens und Feier des Abendmahls."

Wenn ich jetzt hier verschiedene Menschen fragen würde, was Gottesdienst ist, dann kämen andere, ganz unterschiedliche Antworten.

Die Eine würde vielleicht sagen: „Er ist eine Kraftquelle für meinen Alltag."

Der Andere, dass der Gottesdienst eine Stunde am Sonntag ist, in der man die Wirklichkeit der Welt hinter sich lassen kann.

Konfirmanden würden vielleicht sagen, dass sie in den Gottesdienst gehen, um einen „Sitzschein" zu erwerben, den sie vielerorts für die Zulassung zur Konfirmation brauchen. Wieder andere beschreiben ihn als eine mittelalterliche, staubtrockene und langweilige Veranstaltung.

Für manche ist Gottesdienst  Ritual oder Christenlehre oder Gotteslob oder Meditation.

Wie auch immer - der Begriff „Gottesdienst" ist das allgemeine Wort für diese christliche Sonntagsveranstaltung, in der wir uns mit Gott beschäftigen.

Die Frage ist, ob „Gottesdienst" so richtig beschrieben ist.

 

Ich biete Ihnen mal eine ganz andere Definition an. Sie ist von Paulus und steht im Römerbrief, im 12. Kapitel:

1)    Weil ihr Gottes Barmherzigkeit erfahren habt, fordere ich euch auf, liebe Schwestern und Brüder, mit Leib und Leben für Gott da zu sein. Seid ein lebendiges Opfer, das Gott gefällt. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.

2)    Nehmt nicht die Forderungen dieser Welt zum Maßstab, sondern lasst euch von Gott verwandeln, damit euer ganzes Denken erneuert wird. Nur dann könnt ihr beurteilen, was Gottes Wille ist, was gut und gottgefällig und vollkommen ist.

 

Gebt euch hin als ein lebendiges, heiliges, gottgefälliges Opfer. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.

Wir als lebendiges Opfer, das Gott gefällt - Das kann sich nicht auf den Sonntag beschränken! Das kann nicht im Wochenrhythmus zwischen 9.30 Uhr und halb 12 geschehen!

Nein. Ein solcher Gottesdienst findet nicht nur am Sonntagmorgen, sondern im ganzen Leben statt. Im Beruf, in der Schule, im Studium, in der Partnerschaft - dann ist Gottesdienst alles, was wir im Namen Gottes tun. Gottesdienst ist dann das, was wir mit Herzen, Mund und Händen tun; wenn wir uns mit Haut und Haaren Gott hingeben.

Gott und Alltag zusammenbringen, das ist Gottesdienst. So sagt es Paulus. Gott in den Alltag hineinzulassen - oder den Alltag in den Dienst Gottes zu stellen...

Ich sehe förmlich, wie manche jetzt denken: „Ja wie - Gottesdienst im Alltag? - Nun rück doch mal raus mit einer Art Bedienungsanleitung!"

Ich sag es gleich: Konkrete Bedienungsanleitung: ist schwierig.

Es gibt Zeiten, wo das relativ leicht gelingt, Gott bewusst als Begleiter im Alltag wahrzunehmen - ihn sozusagen „in den Alltag hinüber zu retten". Nach Veranstaltungen wie Kirchentagen, wo durchweg euphorische Stimmung herrscht, z.B.. Nach Einkehrwochen, wo man Zeit hatte, über den eigenen Glauben und die Beziehung zu Gott nachzudenken. Nach einem Aufenthalt in Taizé. Aber auch in der Gemeinde vor Ort - wenn ein Gespräch zu einem Glaubensgespräch wurde. Wenn man in einer Veranstaltung geradezu körperlich wahrnimmt, dass man in einer Glaubensgemeinschaft ist. Wenn dieser Glaube - der soooo privat ist, auf einmal vertrauensvoll geteilt wird. Wenn Gotteserfahrung stattfindet, wenn Gott erlebt wird. Solche Erfahrungen machen mutig und geborgen und glücklich. Und so manches Mal lösen sie eine tiefe Sehnsucht nach mehr aus. Eine solche Erfahrung gibt einen kleinen Schubs, sich vorzunehmen, das nicht wieder verloren gehen zu lassen. Im Alltag vielleicht sich Zeit zu nehmen für Gott, für ein Gebet oder das Nachdenken über einen Bibeltext. Das ermutigt, mehr Leidenschaft für unseren Glauben zu entwickeln, um diesen Funken, der angefacht wurde nicht wieder zu verlieren.

Und das ist es, was Paulus unter Gottesdienst versteht: Leidenschaftlich leben, mit Hingabe leben, mit Gott leben.

Das können wir phasenweise alleine, aber das können wir auch und vor allem in unseren Gemeinden. Die Gemeinschaft gibt uns Rückhalt und Sicherheit und sie bestärkt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind mit unserem Glauben.

Mit Hingabe leben, in der Gemeinschaft den Alltag zum Gottesdienst machen.

Paulus schreibt - und aufgemerkt: Jetzt kommt so eine Art Bedienungsanleitung! - Paulus schreibt, wie das gelingen kann. Nämlich indem wir unsere Gaben - unsere Begabungen nutzen: Ich lese es einmal vor:

3)    In der Vollmacht, die mir Gott als Apostel gegeben hat, sage ich jedem einzelnen von euch: Schätzt euch nicht höher ein, als euch zukommt. Bleibt bescheiden und maßt euch nicht etwas an, was über die Gaben hinausgeht, die Gott euch geschenkt hat.

4)    Wir haben an einem Leib viele Glieder, die ganz unterschiedliche Funktionen haben.

5)    So ist es mit uns Christen. Gemeinsam bilden wir alle den Leib Christi - die Gemeinde - und jeder einzelne ist auf die anderen angewiesen.

6)    Gott hat jedem von uns in seiner Gnade ganz verschiedene Gaben gegeben.

7)    Hat jemand die Gabe, in Gottes Auftrag prophetisch zu reden, dann soll er es tun, unserem Bekenntnis entsprechend.                                                                            
Wem Gott einen praktischen Dienst übertragen hat, der soll sich gewissenhaft dieser Aufgabe widmen. Wer die Gabe hat, Gottes Wort zu lehren, der gebrauche sie.

8)    Wer andere im Glauben ermutigen kann, der soll diese Gabe nutzen. Wer Bedürftige unterstützt, soll das ohne Eigennutz tun. Wer eine Gemeinde zu leiten hat, soll damit sehr sorgfältig sein. Wer sich um Notleidende kümmert, der soll es gerne tun.

Wir haben alle so unterschiedliche Gaben - und wir können sie miteinander und füreinander im Namen Gottes einsetzen.

·      Für eine Gemeinschaft, die den Glauben des Einzelnen stärkt

·      Für ein Gemeindeleben, in dem Menschen Heimat und Halt finden

·      Für eine geistliche Gemeinschaft, in der der Sinn des Lebens deutlich wird

·      Im missionarischen Bereich, dass andere Menschen von Gott erfahren

·      Wir können zusammen kommen, zusammen spielen und zusammen sein, damit Gott Raum gewinnt in unserem Alltag.

Damit wir uns im Alltag gegen alle Anfechtung unseres Glaubens sicher sein können. Damit wir nicht entmutigt werden davon, dass die Regeln der Welt scheinbar anders lauten. Wir können uns gegenseitig unterstützen, unseren Glauben nicht im Alltag ins Eckchen zu stellen, damit wir gesellschaftskonform funktionieren.

Wir können gemeinsam eine ganze Menge am Reich Gottes bauen.

Wissen Sie, ich habe damals angefangen Theologie zu studieren, weil ich immer diese Sehnsucht hatte, weil ich mehr wollte. Gott begegnen in der Gemeinschaft mit Menschen, denen Gott genauso wichtig ist, wie mir, das wollte ich nicht mal hier, mal dort, nicht nur am Sonntagvormittag.

Ich bin Pfarrerin geworden, weil das immer schon mein Traum von Leben war: Mit anderen Menschen meinen Glauben zu teilen und davon zu erzählen; Platz zu schaffen, damit Gott bei uns wohnen kann; uns zu ergänzen, die Gaben, die Gott uns mit auf den Weg gab zu nutzen im Miteinander in Gottes Namen.

Gemeinsam Glauben zu leben und Gemeinde zu bauen.

Wenn wir das zusammen tun, ob hier  in (Gemeindename) oder andernorts - wenn wir unser Christsein als eine Lebenseinstellung begreifen, dann fügt sich auch unsere Gottesdienstfeier sonntags in der Kirche ein. Ob liturgisch, fetzig, meditativ oder ganz anders - am besten so vielfältig wie möglich. Dann ist Gottesdienst ein Ort, um Kraft zu schöpfen, vor und mit Gott zu feiern und uns von Gott beschenken zu lassen, um gestärkt mit Gott in die neue Woche zu gehen.



Mona Rieg
Am Kaplaneiberg 7
36320 Kirtorf
E-Mail: mrieg@antikater.de

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