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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Epiphanias, 17.01.2010

Predigt zu Römer 12:9-16, verfasst von Katharina Wiefel-Jenner

Ihr Lieben,

eine Rede hat Jesus bei der Hochzeit zu Kana nicht gehalten. Zumindest ist sie uns nicht überliefert. Schade eigentlich! Knapp ist Jesu Gespräch mit Maria. Zu karg ist es in unseren Ohren. Knapp ist auch seine Aufforderung an die Diener, die Wasserkrüge zu füllen. Zu knapp - kaum verstehen wir, worauf Jesus mit seiner Anweisung hinaus will, obwohl doch Marias Hinweis für die Diener auch uns gilt. Wortkarg ist Jesus. Wir hören nichts von dem, was uns doch brennend interessieren würde. Nichts von einem Wort Jesu zum Speisemeister und nichts von einem Wort zum Brautpaar. Wenigstens zur Braut und zum Bräutigam müsste er doch etwas gesagt haben? Einen Glück- und Segenswunsch, einige wegweisende Worte für das Paar, eine kleine Unterweisung für das gemeinsame Leben und wie es gelingen kann. Wenigstens davon sollten wir hören.

Der Evangelist kennt unsere Neugier, dessen dürfen wir gewiss sein. Aber er lässt es einfach nicht zu, dass wir über Jesus wie über einen prominenten Ratgeber nachdenken. Promiklatsch und Beratung haben hier nichts zu suchen, selbst wenn es um eine Hochzeit geht. Der Evangelist lässt sich nicht von unseren Sensationsgelüsten beirren. In Kana geht es um das Geheimnis der Person Jesu. Unsere Neugier auf Jesu Wort gilt es an anderer Stelle zu stillen. Seine Ratschläge für unser Leben können wir lesen, wenn wir ein paar Seiten weiter blättern. Durch die Worte des Apostels hören wir die Glück- und Segenswünsche, die wir aus Kana nicht hören und auch die Hinweise dafür, wie unser Leben in Gottes Augen gelingen wird.

Hört, was der Apostel im Brief an die Gemeinde in Rom im 12. Kapitel dazu schreibt (V. 9-16):

„Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an.

Die  Geschwister-Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.

Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn.

Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.

Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft.

Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht.

Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.

Seid eines Sinnes untereinander. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den Geringen. Haltet euch nicht selbst für klug."

Eine ganze Liste von Ratschlägen hat der Apostel. Man könnte jeden einzelnen Hinweis als Überschrift auf einen eigenen großen Bogen schreiben. Darunter ließe sich im Detail festhalten, wie die praktische Umsetzung aussehen würde.

Der erste Hinweis ist aber noch selbst eine Art Überschrift. „Die Liebe sei ohne Falsch." Die Liebe ist das Leitmotiv. Ohne die Liebe sind alle anderen Ratschläge Leerformeln. Zunächst ist mit dieser Liebe nicht die Liebe zwischen Braut und Bräutigam gemeint und deswegen hören wir vielleicht aus Kana auch nichts Genaueres. Doch auch Mann und Frau werden auf Dauer diese Weise der Liebe brauchen, von der in der Liste des Apostels die Rede ist. Diese Liebe sieht im anderen das Geschenk, das mir Gott gegeben hat, damit ich in ihm oder in ihr erfahre, welche Fülle des Lebens und welchen Reichtum Gott für mich will.  Diese Liebe ist das Bindemittel, eine Art Klebstoff, der die vielen einzelnen Aspekte, die eine Beziehung ausmachen, zu einem Ganzen zusammenfügt, in dem das Leben des anderen immer ein Stück wichtiger genommen wird, als alles andere. Zugegeben - solche Liebe ist anspruchsvoll, aber die Liebe ist schließlich Gottes Gabe und Gott speist uns nicht mit anspruchslosen Kram ab, sondern mit dem Besten das es gibt.

Die Liebe, die für den anderen das Beste und die Fülle des Lebens ersehnt, ist die Überschrift. Alle folgenden Ratschläge sind streng genommen nur einzelne Wege, auf denen sich die Liebe verwirklicht: Hasst das Böse, hängt dem Guten an... Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn. Alles, was Menschen, die zu einer Gemeinschaft gehören, miteinander tun und zueinander sagen, soll sich an diesen Hinweisen orientieren. Jedes Gespräch, jeder Gang, jeder Handschlag, einfach alles.

Allerdings verschließt der Apostel genauso wenig wie Jesus die Augen vor den Realitäten des Lebens. Die innigste Liebe und das größte Glück sind nicht davor gefeit, auszubrennen und zu versiegen. Das betrifft Paare, vielleicht auch das Brautpaar aus Kana, das betrifft Gemeinschaften und Gemeinden. Anstatt des Gemeinsamen schiebt sich das Trennende in den Vordergrund. Nicht mehr die Freude aneinander, sondern die Schmerzen sind der erste Gedanke am Morgen und der letzte vor dem Einschlafen. Keine guten Worte helfen und auch kein Bemühen. Nur ein einziges Mittel bleibt, das beharrliche Gebet. Und da Beharrlichkeit so anstrengend klingt, zeigt uns der Apostel zugleich die Rückseite des beharrlichen Betens. Fröhlich in Hoffnung. Die fröhliche Hoffnung bringt Leichtigkeit in die schweren Gedanken über alle Trübsal, auch in die des beharrlichen Betens. Sie lässt mitten durch Schmerzen und Tränen hindurch das Licht aufscheinen, das alle Gemeinschaft braucht, um nicht auseinander zu brechen. Der Apostel weiß, dass dieses Licht von Ostern her aufstrahlt. Vielleicht hören wir deswegen in Kana noch nichts davon.

Schließlich weiß der Apostel darum, dass keine Gemeinschaft um ihrer selbst willen da ist. Gemeinschaft ist kein Selbstzweck. Keine Gemeinde existiert für sich allein oder ist nur zu Befriedigung eines kuscheligen Gefühls da. Jede Gemeinde Jesu Christi hat den Auftrag, Gott zu loben und dem Nächsten zu dienen. Wie anstrengend das sein kann, wussten die ersten Gemeinden. Deswegen genügten auch Andeutungen. Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft. Aber auch ohne die Andeutungen im Einzelnen zu erläutern, gelten die Hinweise des Apostels weiterhin. Wie sollte eine Gemeinschaft sonst der Gefahr entgehen, eine Privatveranstaltung zu sein? Wie sollte eine Gemeinde sonst zu dem werden, was sie nach Gottes Willen sein soll: Leib Christi. Demut ist dazu nötig, wenn sich die Klugen, Mächtigen und Eleganten dieser Welt lustig machen. Demut, so wie man sie nur von Jesus selbst lernen kann, ist nötig, wenn die Ablehnung in Gewalt umschlägt und wenn es nach menschlichem Ermessen teuer wird, der Gemeinde Jesu Christi anzugehören. Nur Demut schafft es, weiter zu lieben, wo doch alle anderen schon hassen.  Und nur Demut ist dazu in der Lage, gegen die böse Dummheit der Welt nicht mit menschlicher Klugheit aufzutrumpfen. Aber eine Alternative zur liebenden Demut oder zur demütigen Liebe kennt der Apostel nicht - und Jesus auch nicht.

So bleibt uns nichts anderes übrig, als den Worten des Apostels zu trauen. In ihnen hören wir Jesus. Aber warum hat Jesus das nicht dem Brautpaar in Kana direkt gesagt? Wem, wenn nicht Jesus, hätten sie für ihr gemeinsames Leben vertrauen sollen? Wem, wenn nicht dem, der ihnen auf wunderbare Weise die Hochzeit gerettet hat? Wer weiß, vielleicht hat Jesus ja auch tatsächlich mit seinen Segenswünschen für das Paar die Worte gesprochen, die wir im Wortlaut des Apostels kennen. Wer weiß! Der Evangelist schaut und hört auf Jesus. Wenn wir es ihm gleich tun, sitzen wir ganz nahe an Braut und Bräutigam, trinken vom Wunderwein und finden die Liebe, die unser Leben und unsere Gemeinschaft vor Gott und den Menschen gelingen lässt. Amen



Dr. Katharina Wiefel-Jenner
Berlin
E-Mail: wiefel_jenner@hotmail.com

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