Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 24.01.2010

Predigt zu 2. Korinther 4:6-10, verfasst von Wilhelm v. der Recke

I.      Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zu Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
Mit diesen Worten beginnt der Predigttext aus dem zweiten Brief des Paulus an die Korinther im 4. Kapitel. Manchem von uns sind diese Worte vertraut und lieb.

(Wiederholung des Verses 6) - Ein sprachliches Feuerwerk! Verdichtet, geheimnisvoll und schön wie Poesie. Es nicht leicht, den Gedankengang nachzubuchstabieren. Aber auch ohne das erreichen uns die Worte. Man spürt etwas von der Wärme, man ahnt das Licht:
Gott hat einen hellen Schein in unser Herzen gegeben. Das ist mehr, als zu Weihnachten gesagt wird. Nicht nur im Stall von Bethlehem geht dieses Licht auf - nein, auch in unserem Innersten, in unserem Herzen. Gott macht es da hell. So hell, dass dieser Schein auch nach draußen dringt.

Große Worte. Aber hören wir zunächst den ganzen Abschnitt ...

II.        Hier ist die Rede davon, dass Gott sich zugänglich macht. Wir machen ihn nicht ausfindig, er lässt sich finden: Er Im Angesicht des Jesus von Nazareth kann man ihn erkennen - in der Art wie Jesus auf die Menschen zugegangen ist, wie er mit ihnen geredet und ihnen geholfen hat; wie er gelebt und gelitten hat und schließlich gestorben ist. Mit diesem Jesus identifiziert sich Gott. Er ist unverwechselbar. Es ist seine überwältigende Herrlichkeit, seine Göttlichkeit, die bei diesem Menschen aufleuchtet.
Das Licht, das damals den Hirten, den Weisen, den Jüngern und Jüngerinnen Jesu aufgegangen ist, das geht heute uns auf: In unserem Herzen wird es hell. Der Heilige Geist wirkt in uns.

Mit anderen Worten: hier ist von Offenbarung die Rede, im Großen und im Kleinen. - Wer redet heute noch von Offenbarung? Gibt es so etwas? Kann es das wirklich geben? Wir erleben die Welt als geschlossenes System, in dem alles nach gut erforschten Regeln und Gesetzen abläuft. So etwas wie Offenbarung ist darin nicht vorgesehen. Aber wir Christen haben eine Offenbarungsreligion, so wie Juden und Moslems. Wir glauben, dass Gott nicht in diesem geschlossenen System zu finden ist. Er steht darüber. Er wirkt in diese Welt und in unser Leben hinein, ohne dass wir erklären könnten, wie. Wir können nicht einmal eindeutig nachweisen, dass es geschieht, auch wenn es glaubhaft bezeugt wird. Wäre Gott ein Teil oder das Ganze dieses Systems, er würde die Bezeichnung „Gott" nicht verdienen. - Man kann das irrational nennen, aber der Verstand, die Ratio, hat seine Grenzen, manchmal erstaunlich enge Grenzen. Gerade wo es im menschlichen Miteinander ums Wesentliche geht, kann man das immer wieder erfahren.

Wenn wir von Offenbarung reden, dann von einer Erkenntnis, über die wir nicht verfügen. Weder mit Hilfe der exakten Wissenschaften, noch durch Meditationsübungen ist uns diese Erkenntnis zugänglich. Weder durch philosophische Spekulation, noch durch langjährige Erfahrung oder besondere Begabung. Wenn Gott sich nicht selbst zu erkennen gibt, werden wir ihn nicht finden - weder in uns selbst noch in der Natur noch auf irgendwelchen Sternen; weder innen noch außen, weder oben noch unten.

III.      Von Goethe stammt das Wort: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen." Lange vor ihm hat Luther sehr viel nüchterner darüber gedacht. Er beschreibt, was mit solchen Strebern passiert: „Es war einmal ein frommer Mann, der wollte schon in diesem Leben in den Himmel kommen. Darum übte er sich ständig in den Werken der Frömmigkeit und Selbstverleugnung. Er stieg auf der Stufenleiter der Vollkommenheit immer höher empor, bis er eines Tages mit seinem Haupte in den Himmel ragte. Aber er war sehr enttäuscht: Der Himmel war dunkel, leer und kalt. Denn Gott lag auf Erden in einer Krippe."

Gott lässt sich gerade dort finden, wo wir ihn am wenigsten erwarten. Nicht dort, wo wir das Große und Gute, das Wahre und Schöne vermuten. Häufig eher am entgegen gesetzten Ort:

Ø    Nicht im königlichen Schlafgemach des Palastes von Jerusalem, sondern im Stall von Bethlehem.

Ø    Nicht auf dem hohen Thron des Kaisers in Rom, sondern hoch oben am Kreuz.

Ø    Nicht im Munde der Klugen und Weisen, sondern dem der unmündigen Kinder und der Verwirrten.

Ø    Er lässt sich nicht finden von so ausgewiesenen Experten wie den Pharisäern und Schriftgelehrten, sondern von ungebildeten Fischern, von zwielichtigen Gestalten wie Zolleinnehmern und leichten Mädchen.

Ø    Nicht bei den Erfolgreichen und Bewunderten, sondern bei den Leidenden, den Versagern, bei denen, die mit leeren Händen kommen.

Ø    Nicht unbedingt in einem kultivierten Wohlstandsparadies wie bei uns, sondern in den Slums von Sao Paolo und Nairobi; vielleicht in diesen Tagen gerade in Port-au-Prince.

Kein Wunder, dass man ihm das hierzulande übel nimmt. Gott hat bei uns keine gute Presse. Man lächelt über die Wege und Mittel, die er gewählt hat, um sich zu erschließen - zu sentimental die Krippe, zu barbarisch das Kreuz.

Verdrehte Welt! Gott stellt sie auf den Kopf. Aber vielleicht ist das heilsam, um uns Menschen klar zu machen, wie die Dinge stehen: Gott ist nicht die Krönung von all dem, was wir Menschen für gut und erstrebenswert halten. Nein, er ist der ganz Andere, der Fremde, der Unverfügbare, der in kein System passt: Gott ist Gott und der Mensch ist Mensch.
Es ist ein Glücksfall, dass Gott überhaupt Interesse an uns zeigt. Dass er sich zu erkennen gibt - wenn auch auf seine Weise. Dass er sich uns zuwendet und uns aus unserem Schlamassel heraushelfen will - aber auch das anders, als wir uns das gerne ausmalen.

IV.      Gott offenbart sich. Er gibt sich zu erkennen - aber nicht direkt, nicht von Angesicht zu Angesicht. Schon von Mose wissen wir, dass kein Mensch Gottes Gegenüber aushält. Gott gibt sich in dem Menschen Jesus zu erkennen - sein Angesicht spiegelt Gottes Herrlichkeit wider. Damals und heute. Heute dienen wir ihm als Mittelsmänner und Mittelsfrauen: wir weisen auf diesen Jesus hin. Er gibt sich durch uns zu erkennen: In unserem Herzen entzündet Gott sein Licht. Wenn wir es geschehen lassen, wenn wir dem Licht nichts in den Weg stellen, dann fällt es auf Jesus. So kann er auch von anderen als der Christus, der Messias erkannt werden. So leuchtet die Herrlichkeit Gottes über ihm auf.

„Lampenputzer ist mein Vater im Berliner Stadttheater", heißt es in einem Gassenhauer aus früheren Zeiten. Wenn wir unsere Aufgabe gut machen, dann als Lampenputzer, als Beleuchter. Das Licht, das uns aufgegangen ist, lassen wir ungehindert auf Jesus fallen. Mit unserem Tun und Lassen rücken wir ihn ins rechte Licht.

[[1]Es könnte so einfach sein, aber wir bringen es immer wieder durcheinander. Wir meinen, das Licht kommt aus unserem Herzen, dann ist es ja auch unser Licht und dann kann etwas davon ruhig auf uns selbst zurückfallen: Was für tolle Typen sind wir doch! Vorbildliche Christen, gute Prediger, wertvolle Glieder von Gesellschaft und Kirche. Wenn wir uns ein bisschen herausstellen, dann dient das doch nur der Sache.

Paulus hat am eigenen Leib erfahren, wie herumziehende Prediger und Wunderheiler ihm die Show stahlen. Das kränkte ihn. Vor allem aber erbitterte es ihn, wie leichtgläubig seine Gemeinden waren und auf solche Leute hereinfielen, die das Evangelium verfälschten und das Blaue vom Himmel versprachen. Sie stellten sich selbst in das rechte Licht und nicht Christus. - Paulus dagegen betont, dass wir diesen göttlichen Schatz nur in irdischen, unscheinbaren, zerbrechlichen Gefäßen haben. Und er denkt dabei durchaus an sich. Er ist kein Strahlemann, er kann sich nicht gut verkaufen und er will es auch nicht. Ihm geht es einzig und allein um die Sache, den uns anvertrauten göttlichen Schatz. Ihm geht es um Christus. Und dessen Gegenwart erfährt er gerade in aller Mühsal, Enttäuschung und Gefahr.]

V.        Wenn wir Christus verkündigen, bezeugen wir, dass Gott da ist. Er ist da - das ist unendlich mehr, als nur zu behaupten, dass es ihn gibt. Er ist da, in Christus ist er da. Er ist für uns da. Bei uns und unter uns. Und weil er da ist, finden wir einen ungeahnten Sinn für unser Leben, ein Gefühl von Heimat mitten im in einer chaotischen Welt. Wir wissen, wo wir hingehören.

Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zu Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
In den letzten Tagen konnte man es erleben, wie der graue Winterhimmel schwer auf der Landschaft lastete. Manchmal, am Ende eines solchen Tages, stand unvermittelt ein orangerot flirrender Sonnenball hinter den kahlen Stämmen eines fernen Gehölzes und tauchte die verschneite Landschaft in ein überirdisch warmes Licht.



[1]  Wem die Predigt zu lang ist, der könnte diesen Teil weglassen.



Pastor Wilhelm v. der Recke
Bremen
E-Mail: wilhelm.v.der.recke@t-online.de

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