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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Trinitatis, 30.05.2010

Predigt zu Matthäus 28:16-20, verfasst von Erik Fonsbøl

Die sogenannten trinitarischen Spekulationen gehen auf die Kindheit der Kirche im 4. Jahrhundert zurück, auf die Zeit, als man um das rechte Verständnis des Verhältnisses zwischen Gott dem Vater und dem Gottes Sohn gewaltig spekulierte und auch gewaltig kämpfte. Waren sie einander über- und untergeordnet, wie wir das vom Menschenleben her kennen - jedenfalls von den patriarchalischen Gesellschaften, oder handelte es sich um ein anderes Verhältnis. In aller Kürze gesagt, handelte es sich um das andere Verhältnis - d.h. das völlig gleichwertige Verhältnis mit diesen drei Erscheinungsformen ein und desselben Gottes - unser Gott heißt also Vater, Sohn und Heiliger Geist - die drei Namen stellen eine Einheit dar, und davon kommt die Bezeichnung Dreieinigkeit oder Trinitatis. Wie es der Kirchenvater Athanasius fomulierte: Der Vater ist die Quelle, der Sohn ist Gott in seinem Wirken nach außen - und dazu kommt der Geist, der Gottes Werk verwirklicht - die Erlösung des Menschen.

            Warum aber war das so wichtig? Es war wichtig, weil es in Wirklichkeit um die Macht der Kirche ging. Wenn Jesus nicht Gott war, sondern, wie der Gegner des Athanasius, der Presbyter Arius und seine Anhänger behaupteten, eine Art Übermensch, dessen Aufgabe vor allem darin bestand, Menschen Einsicht zu geben, so dass sie sozusagen auf den Wegen Gottes wandeln konnten, dann brauchte man in Wirklichkeit keine Kirche in dem Sinne. Man würde sich mit einer Schule begnügen können, die die Menschen über die Wahrheit belehren und ihnen Einsicht und Erkenntnis vermitteln könnte, so dass sie selbst die Erlösung suchen könnten.

            Denn die Daseinsberechtigung der Kirche beruht auf ihrer erlösenden - und damit also nicht auf ihrer belehrenden Funktion. Die Kirche kann Menschen erlösen durch Taufe und Abendmahl und Vergebung der Sünden, und diese Macht hat die Kirche von Jesus bekommen - eine Macht, die nur Gott allein geben kann - und deshalb ist Jesus Gott.

            Und extra ecclesiam salus nulla est! - außerhalb der Kirche gibt es keine Erlösung, wie man gesagt hat, denn es ist einzig die Kirche, der die Erlösung vermitteln kann - sie kommt nicht durch Einsicht und Erkenntnis - und auch nicht durch eine bestimmte Lebensweise - und schon gar nicht durch andere Religionen oder religiöse Gedanken. Deshalb ist die Kirche die lebensnotwendige Institution in der Welt, denn ohne sie - kein Heil.

            Man kann es eine robuste Marketingstrategie der einen wahren göttlichen Kirche nennen, und den Erfolg kennen wir: eine weltweite Kirche, die nicht so sehr Gelehrsamkeit und Einsicht für Menschen verkündet, sondern dieses exklusive göttliche Patent - dieses Monopol auf die Erlösung, das der Kirche von dem einen wahren dreieinigen Gott gegeben ist!

War das nun gut oder vom Übel? Und wie verhalten wir uns zu den alten Streitigkeiten heute? Persönlich neige ich wohl am ehesten zu der arianischen Auffassung - obgleich Arius ja als Ketzer verurteilt wurde. Und gewiss denke ich so, weil ich ein moderner, globalisierter Mensch bin, dem es schwerfällt, an dieses exklusive Kirchenverständnis zu glauben, welches alles andere vom Heil Gottes ausschließt.

            Ich höre gerne zu, wenn Buddhisten und Moslems und Juden - und insoweit auch Atheisten - sich äußern, ich höre gern allen zu, die mein Leben bereichern können - und so geht es, wie ich glaube, den meisten Menschen.

            Ich gehöre sicher zu denjenigen, die gern die Wahrheit suchen, sie aber - um alles in der Welt - nicht besitzen wollen. Und ich glaube, obwohl die Kirche auch eine phantatische Freiheitsbotschaft hat, so geht es heutzutage nicht an, zu behaupten, sie allein besäße die Wahrheit und das einzige Heil, denn es würde in unserer modernen Welt abstoßend und arrogant klingen - und damit würde es ihrem Sinn völlig widersprechen. Was Menschen vereinen sollte, würde sie vertreiben - wie wir es ja erleben, und vielleicht hat die große Krise der Kirchen in unserem Teil der Welt genau diese Ursache, dass wir als Kirche nicht imstande gewesen sind, die Sprache der Zeit zu sprechen. Und kann es die Kirche nicht, dann verschlägt es nicht, wenn man wie ein Engel predigt - wenn kein einziger Mensch mit dem, was man sagt, etwas verbinden kann.

            Früher ließ war das vielleicht einmal möglich, als die Leute durch Androhung ewiger Verdammnis fertig gemacht werden konnten - heute aber geht es einfach nicht - jedenfalls hier bei uns, und das ist gut so.

            Dialog - Gespräch - ein gemeinsames Suchen nach Gott - Respekt - ja, eine Freude über die Verschiedenheit, weil sie unser Leben bereichert, während die Furcht, draußen zu stehen oder anders zu sein, uns einschränkt - dazu führt Furcht immer, und deshalb bringen Drohungen heutzutage nichts ein. Und schon gar nicht in der Kirche.

            Ich meine, in unserer Kirche muss Platz für alle sein - vielleicht allenfalls mit Ausnahme derer, die nicht alle mit dabeihaben wollen. Und ich bin dieser Meinung, weil die Kirche die Schranken abbauende und allumfassende Liebe zu Menschen signalisieren muss, die Jesus verkündete und für die er lebte und starb - eine in den Augen der Welt eigenartige bedingungslose Freiheit, Anerkennung, Respekt - Liebe zum Menschsein.

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, ist sonderbarerweise zu hören aus dem Munde des höchst machtlosen Menschensohnes - meines gekreuzigten Erlösers. Ich glaube, wir haben hier das "mir" zu betonen, denn es geht nicht um die Allmacht Jesu, sondern um die Ohnmacht der Welt - es geht darum, dass eine unwidersprochene Weltordnung auf den Kopf gestellt ist, so dass die Macht an sich, wie wir sie im Kleinen wie im Großen nur allzu gut kennen - bei anderen und bei uns selbst - auch die Macht der Kirche über die Seelen - bedeutungslos geworden ist angesichts der inneren Ohnmacht der Liebe. Dieser Bruch mit jeglicher anständigen Weltordnung, dass das Leben gar nicht davon handelt, Macht zu erwerben, sondern alles wegzugeben - dass das Leben Liebe ist.

Leben und Lehre, darum könnte es heute an Trinitatis gehen - um das alte Ehepaar in unserer Kirche, das in einem unaufhörlichen Kampf um die Macht lebt. Du sollst dein Glaubensbekenntnis und dein Vaterunser kennen, und wenn du das Evangelium verkünden sollst, dann hast du deine Theologie zu können und die Dreieinigkeit und die Jungfrauengeburt und die Auferstehung erklären zu können. Du hast es zu können! Die rechte Lehre. Die Orthodoxie. Und als die rechte Lehre im 17. Jahrhundet in Dänemark ihre große Zeit hatte, richtete man die Kirchen so ein, wie sie noch heute dastehen, als Schulstuben - natürlicherweise, denn man sollte ja die rechte Lehre lernen.

            Aber was ist Lehre, Mission, Predigt ohne Leben?

            Bestenfalls unglaubwürdig! Es gab einmal eine Zeit, in der man in der Volksschule objektiven Unterricht zu vermitteln hatte - und man tat es genau bis zu dem Zeitpunkt, als man entdeckte, dass es unmöglich war. Es war leer und eben unglaubwürdig, denn es war ohne Leben. Der Mensch hinter den Worten und der rechten objektiven Lehre verschwand im heiligen Namen der Objektivität - es war insofern die Liebe, die man aus dem Unterricht entfernen wollte. Du darfst nicht das lieben, was du unterrichtest, oder in diesem Zusammenhang diejenigen, die du unterrichtest, denn dann wäre der Unterricht alles andere als objektiv.

            Und dasselbe gilt von der Mission, von deren theoretischer Begründung wir heute im sogenannten Missionsbefehl gehört haben - und man kann sie ohne weiteres als Grundlage benutzen, wenn man in alle Welt hinauszieht und Seelen zur wahren Lehre bekehrt - aber das wird dann auch danach, denn was hat ein Mensch davon, wenn man so aufopfernd ist, dass man für seine Sache als Märtyrer im Dienst der Mission stirbt - aber hätte die Liebe nicht? Dann ist es bestenfalls unglaubwürdig - schlimmstenfalls eine Katastrophe für diejenigen, die davon betroffen sind, wie die blutige Geschichte der Mission doch mit aller grausamen Deutlichkeit zeigt. Allzu oft war es der Befehl und nicht die Liebe - die Lehre und nicht das Leben, worum es ging!

Trinitatis - Hokuspokus! Oder was? Der Kirchenvater Augustin sucht die Dreieinigkeit mit Hilfe von Bildern des Menschenlebens oder des Seelenlebens zu erklären: Dreierlei gehört zur Liebe: einer, der liebt, einer, der geliebt wird, und dann die Liebe selbst - aber diese drei sind natürlich untrennbare Ausdrücke ein und derselben Liebe oder Gottes.

            Augustin ist ein Denker - einer der größten, aber er liebt auch, und das berührt seine Predigt, so wie er selbst von Gott und von der Liebe Gottes berührt ist - und dadurch ist seine Rede von Gott nicht bloß Spekulation über die rechte Lehre - in ihr ist Leben - Leben und Liebe. Und so ist Augustin gewissermaßen selbst ein Bild der Dreieinigkeit, weil er nicht nur mitteilt und unterrichtet - nein, er liebt die, die er unterrichtet und denen er verkündet - und alle die anderen - das, was sein Wort lebendig macht - der wohlbekannte Geist der Liebe macht es, er macht sein Wort glaubwürdig.

Auch Gott kann nicht einfach nur befehlen - ja, vielleicht kann er über das Universum und die Schöpfung und alles, was dazu gehört, befehlen - aber nicht über den Menschen. Und das ist seine eigene Schuld, hat er doch den Menschen in seinem eigenen Bild geschaffen, so dass die Liebe in den Menschen derart gepflanzt wurde, dass wir im Ernst nur auf liebevolle Worte hören. Und wenn wir einem Befehl gehorchen, der nicht aus Liebe kommt - dann tun wir es nur aus Furcht, wie wenn wir die Zehn Gebote und das Glaubensbekenntnis auswendig lernen unter den schlimmsten Drohungen für den Fall, dass wir sie nicht beherrschen und nach ihnen leben.

            Und deshalb muss Gottes Wort nicht nur als Befehl der Schöpfung oder des Gesetzes vermittelt werden: Es werde Licht und es komme Ordnung in die Dinge. Hier und jetzt! Du sollste keine anderen Götter haben neben mir! Diesen Worten gehorchen wir nur aus Furcht vor diesem reizbaren Gott, der sich alles mögliche ausdenken kann. Nur das Wort der Liebe vermag Menschen im Ernst zur Umkehr zu bewegen - das Wort des Gottes, der in den Tod ging aus Liebe zu denen, zu denen er spricht, und aus Liebe zu seinem Vater im Himmel, über den er spricht. Der Liebe, die uns erst aufgeht, wenn der heilige Geist der Liebe uns von uns selbst und dem Unsrigen umkehrt und uns für das wahre Wunder des Lebens öffnet. Uns sanft erhebt von unseren besorgten Spekulationen über das Leben und den Tod und die Dreieinigkeit und uns selbst und darüber, was die rechte Lehre sein mag, und uns zeigt..., dass alles Liebe war, ist und sein wird.

Amen



Propst Erik Fonsbøl
Nørre Åby (Dänemark)
E-Mail: erik@fonsboel.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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