Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 11.07.2010

Predigt zu Römer 6:3-8, verfasst von Henning Kiene

Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden, (Römer 6,3-11)

„Das Wort vom Neustart - können Sie es noch glauben?" fragt der Spiegel seiner Onlineausgabe. Die Antwort scheint schon festzustehen. Dem Wort vom Neustart kann und will niemand mehr so richtig vertrauen. Ein gelingender Neuanfang ist zu einem Problem unserer Politik geworden. Es gab einige Neustarts in den Monaten seit der letzten Bundestagswahl und er schien immer ausgefallen zus ein. Das Misstrauen ist groß. Die Kräfte alles immer so weiter zu machen, wie es gerade ist sind groß. Das Wort Neustart ist beschädigt, nicht erst seit der letzten Bundestagswahl.

Wer schenkt einer verkorksten Freundschaft einen Neustart? Wie geht das überhaupt? Ist der zauberhafte Moment vergessen in dem jemand das richtige Wort findet, ausspricht und die versöhnende Geste, die schon lange in der Luft liegt, das Herz erreicht. Neustart, das ist nicht nur Kopf- das ist Herzenssache. Wie beginnt man eine Ehe, die Schieflage erlitten hat, von Neuem? Wunderbarer Tag, an dem ein Zugang, den niemand kannte, sich neu öffnet, und Partner sich in einem bis dahin unbekannten Licht neu erkennen. Neustart öffnet das Herz, die Augen und den Mund gleichermaßen. Er braucht Inspiration.

Das Wort vom Neustart lädt sich schnell mit einer religiösen Note auf. Religion rechnet mit einem Neustart des alten Lebens in ein neues Leben hinein. Christlicher Glaube spricht von Tod und Auferstehung. Ihm geht es aber nicht um ein Einst, sondern um das Jetzt. Christlicher Glaube macht eine Gleichung auf. Christus auf der einen Seite, die Glaubenden auf der anderen Seite, Christus verrechnet den Neustart von der Seite vor der Gleichung hinter die Gleichung und holt sie in die Gegenwart hinein. Es geht um einen Wechsel von ihm zu mir. Das ist Neustart auf christlich, Christus wechselt in Überzeugung, Haltung und Lebensführung in mein Leben hinein. Das ist Glaube und Gnade zugleich.

Ich denke an einen Zuwachs an Vertrauen, der sich in mein Leben hinein verlagert. Es bestätigt, dass etwas möglich ist in deinem Leben, das du selber nicht für möglich hältst. Hoffnung aufbauen, wo andere Hoffnungslosigkeit predigen. Aufbauen, wenn andere nur noch von Abriss reden. Christus stärkt die Möglichkeit zur Veränderung. Es geht um innere Kraftreserven, die sind oft ausgezehrt, sie werden durch eine Art Energiezufuhr aufgeladen. Es geht um ein neues Leben mitten im alten Leben. Während ich das hier sage, spüre ich, wie schmerzhaft Neustart auch sein kann. Selbst wenn alles schlecht ist, was nach Neustart verlangt oder mit Schuld verbunden ist, Trennung auch vom Schlechten fällt schwer. Wer mal mit dem Rauchen aufgehört hat und seine Zigaretten für immer liegen ließ, hat beispielhaft erlebt, wie schwer es ist, das Leben neu zu starten. Neustart im Leben kann viel schwerer werden als die Zigaretten für immer beiseite zu leben. Ein Teil meiner eigenen Person muss sich einer grundlegenden Revision unterziehen. Tod und Auferstehung, wie ein Zweischritt, der manchmal gewagt werden muss. Doch die Kraft für diesen Zweischritt speist sich aus einer Kraftquelle, die in einem ganz Anderen liegt.

Es gibt Momente, da kann ich über die Kräfte, die Menschen freisetzen, vorbehaltlos staunen. Ein Freund aus Jugendtagen war ganz weit unten. Er erinnerte mich an Hiob, alles vergeblich, alles verloren, er vom Leben geschlagen und gezeichnet. Eines Tages kam er mit frischem Hemd und Krawatte zu mir. Wir tranken Kaffee, er erzählte von Verlusten, Enttäuschung, Depression. Er habe in seinem Leben aufgeräumt und langsam wieder Tritt gefasst. Er habe alles neu begonnen: Beruf, Familie und Freundschaften. Nun sei er da angekommen, wo er selber sich nie wieder gesehen hatte, er führe wieder ein ganz normales Leben. Und er sei ein neuer Mensch geworden und es habe immer wieder Hilfe gegeben.

Eine ehemalige Konfirmandin, abgestürzt schon während ihrer Schulzeit, geriet in eine sich zunehmend beschleunigende Negativspirale. Die rief vor Wochen an und fragte, wie das mit der Taufe geht, sie sei Mutter geworden und glücklich auch im Beruf. Da muss es auch für sie einen Moment gegeben habe, in dem ein Neustart möglich war. Sie sprach von einem geschenkten, neuen Leben und bedauerte, dass sie erst so spät die Kurve bekommen habe. In ihrer Lebenswende habe es Unterstützung gegeben, von Menschen und von irgendwo. Irgendwo, da sei wohl Gott für Sie aktiv.

Ist Ihnen schon mal ein Neustart gelungen? Die Komponenten für einen Neustart sind klar: Da ist ein Ende des Alten nötig. Wie bei Christus, der lässt den Tod hinter sich. Ein Neuanfang muss sein. Ein Kraftakt, für den die eigenen Kräfte oftmals nicht reichen. Er braucht eine Energie, die einem geschenkt wird. Das sagen alle, die im Leben neu starten konnten, sie spürten wie ihr Leben belebt wurde. Neustart ist ein Moment, der der Schöpfung gleicht. Es geht um eine Erneuerung. . Vertrauen ist ein Geschenk. Neustart braucht Kraft. Die steckt nur selten allein in meinen Muskeln. Neustart ist immer auch eine Überraschung.



Henning Kiene
Pastor bei dem Verein Andere Zeiten - Initiativen für das Kirchenjahr
E-Mail: h.kiene@anderezeiten.de

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