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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

8. Sonntag nach Trinitatis, 25.07.2010

Predigt zu Matthäus 7:15-21, verfasst von Erik Fonsbøl

Ich habe gehört, dass man vielerorts die Kirche zwischen Pfingsten und Erntezeit zugemacht hat. Das könnte geschehen sein, weil Sommer war oder weil sowieso niemand in die Kirche kam - und es mag sein, dass wir uns die Sache noch einmal überlegen sollten. Aber ein Grund könnte auch der sein, dass die Texte des Sommers alles andere als Ferienlektüre sind. Jedenfalls hier in unserer zweiten Textreihe. Wir bekommen die eine strenge und nicht zuletzt anspruchsvolle Ermahnung nach der anderen, ein wahrer Christ zu sein, und es gibt wohl kaum viele Menschen, die den Forderungen entsprechen können, die Jesus an seine Jünger und damit auch an uns stellt.

            Letzten Sonntag war es die Forderung der Nachfolge - die Aufforderung, nicht um sein Leben zu fürchten. Der Jünger steht nicht über seinem Meister, und er kann nur froh sein, wenn es ihm genauso geht, wie es Jesus erging.

            Vor zwei Wochen war es die Forderung, alles, was man besitzt, zu verkaufen und sich von seinem Reichtum zu trennen und Christus zu folgen genauso nackt, wie man zur Welt gekommen ist.

            Vor drei Wochen hörten wir wiederum, dass derjenige, der sein Leben retten will, es verlieren wird, dass aber derjenige, der sein Leben um Jesu Christi willen hingeben will, es gewinnen wird.

            Und vor vier Wochen hörten wie die Forderung, seine Feinde zu lieben und für die, die einen verfolgen, zu beten.

            Und heute hören wir, dass es nicht genügt, so zu tun, wäre man Christ, und unablässig "Herr, Herr" zu sagen, wenn man nicht tut, was Gott will. Nehmt euch in Acht vor den falschen Propheten, heißt es kurz vorher - nehmt euch in Acht vor Heuchlern, die nur dem Namen nach, niemals aber in Wirklichkeit Christen sein wollen.

            Ich kenne nicht die Begründung für diese Sammlung starker Texte hier in der Zeit des Sommers, aber nach ein paar Sonntagen kann man als Pastor eigentlich gut einige Ferientage gebrauchen, um wegzukommen von diesen weitgehenden und in meinen Augen unerfüllbaren Forderungen, die mir bloß ein schlechtes Gewissen machen, weil ich ein so schlechter Christ - und noch dazu ein so schlechter christlicher Verkündiger bin. Und nächsten Sonntag sollen wir dann - man glaubt es kaum - vom Unterschied zwischen dem guten und aufmerksamen Diener und dem faulen und untreuen Diener hören, welch letzterer in Stücke gehauen oder wenigstens ordentlich verprügelt werden soll (vgl. Lukas 12,32-48).

            Und in 14 Tagen verdammt Jesus schließlich diejenigen, die nicht hören wollen, was er sagt. Es wird dem Land der Sodomer erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als ihnen (Matthäus 11,16-24).

            Aber dann mache ich dann auch Ferien!

            Warum aber tun die Evangelisten das? Es ist doch keine gute Reklame, die Leute auf diese Art und Weise fortzujagen mit Androhung von Strafe und Gericht und schlechtem Gewissen, wenn man dem Meister nicht hundertprozentig durch Entbehrung, Kreuz und Tod um des Evangeliums willen folgt.

            Irgendwie gibt das in den Augen recht vieler Menschen keinen Sinn, und man könnte versucht sein, die Forderungen eben als unerfüllbar oder direkt als sinnlos  abzulehnen und sich damit vom Christentum überhaupt loszusagen. Einfach weil wir es nicht ernst zu nehmen vermögen angesichts unseres eigenen Lebens und der Art und Weise, wie wir dieses Leben hier und heute leben möchten.

            Aber bevor wir das tun, müssen wir überlegen, womit wir es eigentlich zu tun haben. Vielleicht begehen wir ja den Fehler, den so viele begangen haben und begehen, wenn es sich um diese feinen alten Bibeltexte aus dem Nahen Osten handelt - nämlich dass wir sie allzu buchstäblich auffassen. Und ich sage das nicht, um die Forderungen leichter nehmen zu können, sondern um diese in gewisser Weiste absurden Forderungen tatsächlich ernst nehmen zu können.

            Ich kann die Bibel nämlich nicht ernst nehmen, wenn ich sie buchstäblich verstehen soll! Und ich glaube, dass es niemals die Absicht der Verfasser oder, wenn man so will, Gottes, gewesen ist, dass die Bibel von Anfang bis Ende buchstäblich zu lesen wäre.

            Andererseits glaube ich daran, dass die Bibel Gottes Wort an mich enthält. Aber ich muss schon selbst etwas dafür tun.

            Das wäre nun Stoff für eine ganze theologische Abhandlung, stattdessen wollen wir hier die Frage stellen, was mit diesen radikalen Forderungen Jesu geschieht, wenn wir sie nicht einfach buchstäblich auffassen, aber doch ernst nehmen.

            Zur Zeit habe ich eine Reihe von Hochzeiten, und ich erlebe dabei jedes Mal das wunderbare Versprechen, das die Brautleute einander geben, nämlich dass sie einander lieben und ehren wollen, was immer geschehen mag, bis der Tod sie scheidet. Und sie wissen sehr wohl, dass dies den allerwenigsten beschieden ist, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Und wenn man das Versprechen wörtlich nähme, müssten die meisten Menschen  aufgeben - und zwar nicht nur wegen Ehescheidung, sondern schon wegen eines jeden Tages, den sie ohne Liebe leben.

            Aber ich glaube auch nicht, dass einem solchen Versprechen damit gedient wäre, dass man es für bare Münze nimmt, wenn man vermeiden will, dass es zu Leid und Niederlagen führt. Und trotzdem steht es als ein Leitstern für das innige Verhältnis zweier Menschen zueinander. Unerfüllbar, aber dennoch ernst als Ausdruck unserer Hoffnung, unserer Sehnsucht. Und daran haben wir nichts zu ändern.

            Und dasselbe gilt von den christlichen Forderungen. Sie stehen in den Texten, zweifellos, aber sie können doch auch als der Leitstern aufgefasst werden, nach dem wir unseren Weg zu gehen haben, den wir aber natürlich nie erreichen können. So ist das eben mit Sternen. Und wenn wir dennoch zu ihnen zu gelangen suchen, dann erinnert unser Handeln vor allem an den griechischen Helden Ikaros, der sich Flügel zulegte und damit zur Sonnen fliegen wollte, sich aber natürlich dabei ganz gewaltig verbrannte und jämmerlich ins Meer stürzte; denn zur Sonne fliegen kann man nicht.

            Und du kannst auch dein Leben nicht so leben, wie Jesus es tat. Aber ebenso, wie du das Licht der Sonne benutzen kannst, um dich darin zu tummeln, oder wie du dich des Nachts durch das Licht der Sterne geleiten lassen kannst, so kannst du wohl auch Jesu Leben benutzen, um dich in dessen Licht zu tummeln. Anstatt die Forderungen als zwingende, unerfüllbare Notwendigkeit zu erleben, begreifst du sie dann als ideelle Forderungen, die du gewiss bedenken und von denen du gewiss lernen kannst und nach denen du obendrein deinen Weg gehen kannst - zu deren Erfüllung du aber niemals gelangen kannst, denn das liegt überhaupt nicht in deiner Macht.

            Christus nachzufolgen ist eine wahre und wirkliche Forderung an alle Christen - aber das bedeutet nicht, dass man Christus nachahmen soll. Denn das kann keiner. Jedenfalls nicht, ohne sich ganz gewaltig die Finger und die Engelsflügel zu verbrennen.

            Vielleicht kommt an dieser Stelle auch die Heuchelei ins Spiel, wenn man behauptet, so zu leben oder wenigstens leben zu wollen, als wäre man ein Heiliger - dieser Meinung waren seiner Zeit viele sogenannte Fromme - zu leben, als kennte man den Weg und als besäße man die Wahrheit - in aller Regel im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen. Nicht alle, die sich Christen oder Heilige nennen oder die Heilige genannt werden, werden in das Reich Gottes kommen. Sondern nur der, der den Willen Gottes tut.

            Und was wäre das dann? Ja, es ist vielleicht dies, dass man wagt, sich frei und unbekümmert im Leben zu tummeln - und andere es ebenso tun lässt. Gerade, weil wir diesen unseren Leitstern haben.

            Wir sollen nicht Christus sein, aber wir sollen im Licht seines Lebens leben - von seinem Tod und seiner Auferstehung. Wir sollen leben als die freien Menschen, die zu sein wir geschaffen sind. Und das ist genau dasselbe wie sein Haus auf den lebendigen Felsen zu bauen. Im Vertrauen auf den unvergänglichen Stern, der unser Menschenleben erleuchtet, der sich aber nie - nie unseres Lebens bemächtigt.

            Du kannst die Bibel oder insoweit auch den Koran buchstäblich lesen, und du kannst danach handeln. Aber damit kommt man nicht weit! Und es ergibt keinen menschlichen Sinn. Im Gegenteil, es kostet, wie alle mit Ausnahme verblendeter Menschen heute sehen können, Blut, Schweiß und Tränen in Strömen, wenn die Bibel oder der Koran von heiligen und orthodoxen Menschen gelebt werden soll. Bestenfalls kommt dabei Heuchelei heraus - schlimmstenfalls der Untergang der Menschlichkeit und der Freiheit.

            Und siehe da, dann geht es an, die eine scharfe und anspruchsvolle und unmögliche Forderung nach der anderen zu lesen und zu hören. Denn sicherlich ist sie wahr, aber sie ist auch bereits von dem erfüllt, der sie stellt. Von Christus - meinem Herrn und Gott. Und mich hinterlässt er als einen freien Menschen unter der strahlenden Sonne Gottes, wo ich mich nun als Kind Gottes tummeln kann - als aller Dinge Erbe. Wo ich frei den falschen Weg einschlagen kann und verkehrt handeln und aller Welt gegenüber versagen kann - und doch lässt er sein Licht auf mich fallen - das ewige Licht der Wahrheit und der Liebe - und er kann gar nicht anders. Sind wir untreu, bleibt er doch treu - gezwungen von der Liebe, die nie etwas anderes dafür fordert als höchstens unsere strahlenden dankbaren Kinderaugen.

            Und deshalb sind unsere Gottesdiente bei weitem nicht so sehr Anleitung und Befehl von irgendwas - wie sie Lobgesang sind für den Gott des Lebens und der Liebe. Ein Danklied für das Leben in all seiner bunten Mannigfaltigkeit, für das Leben unter der strahlenden Sommersonne Gottes.

Amen



Propst Erik Fonsbøl
Nørre Åby (Dänemark)
E-Mail: erik@fonsboel.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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