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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 01.08.2010

Predigt zu Lukas 12:32-48, verfasst von Morten Fester Thaysen

Im Kino wurde ein amerikanischer Film aus dem Jahre 2004 gezeigt. King Arthur.

            Die Geschichte spielt im fünften Jahrhundert, als die Römer über den größten Teil Europas herrschen. Irgendwo im Osten und weit weg begegnen wir einem kriegerischen Stamm, der gezwungen ist, für die Römer Kriegsdienst zu leisten. Sie sollen nach England. Zusammen mit Lucius Artorius Castus, um südlich der Hadrianischen Mauer, die zwischen England und Schottland verläuft, die Römer und ihre Besitzungen zu schützen.

            Die Zeit vergeht, und nach 15 Jahren haben die Krieger ihre Pflicht getan und nun sollen sie die versprochene Freiheit erlangen. Glauben sie! Nur eine kleinere Unternehmung steht noch aus - nach Schottland, um einen Knaben zu retten, der zum Papst ausersehen ist.

            Es ist eine reine Selbstmordaktion. Die Sachsen verbreiten Tod und Zerstörung. Aber Lucius Artorius Castus tut seine Pflicht, er nimmt den Kampf auf und besiegt alle Feinde - und wird zum König ausgerufen, König Arthur.

            Der Film trieft nur so von durch Nebel verschleierten Naturszenen und blutigen Schlachten mit Massen von Kriegern, mit Grauen, Gräuel, Gewalt, Blut und Tod.

            Mittendrin gibt es selbstverständlich eine Botschaft. Der Kampf König Arthurs hat in Wirklichkeit einen Sinn. Er ist doch kein Lustmörder! Sein Kampf ist nämlich, wie wir erfahren, von den Vorstellungen des verketzerten Mönchs Pelagius über den freien Willen geprägt. Der Mensch ist gut und deshalb im Stande, das Gute zu tun. Er hat einen freien Willen. Darin sind sich alle Menschen gleich, sagt Pelagius. Das Ideal ist Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Deshalb muss man gegen alle die Bande kämpfen, der Menschen binden können. Religion, Politik, Militärdienst. Man muss für die Freiheit kämpfen. Und das tut Arthur wie gesagt. Man bekommt fast Tränen in die Augen.

            Das alles klingt so schön. Es ist ja auch ein Hollywoodfilm. Zwar hören wir die katholische Kirche fauchen, der Mönch Pelagius schaffe die Gnade ab. Er habe sie nicht nötig. Wenn der Wille frei sei, hätten wir einfach tun können, was wir tun sollen, solange wir die Zeit dazu hätten. Aber da Pelagius der Held ist, hat die Sache mit der Gnade keine rechte Bedeutung.

            So weit der Film und König Arthur. Er passt ganz ausgezeichnet zu dem festen Glauben unserer Zeit, dass wir gute Menschen sind, dass wir imstande sind, das Gute zu tun. Die Gnade Gottes und die Rede davon, dass wir Sünder sind, haben wir nicht nötig. Wir vermögen selbst das Gute und wir sind selbst das Gute. Wir haben den Ernst nicht begriffen. Und das ist in Wirklichkeit weit hergeholt. Denn die meisten Menschen sind doch in dieser Welt im Namen des Guten erschlagen worden.

            Zum Beispiel die Französische Revolution! Man glaubte an das Gute und wollte eine Gesellschaft schaffen, die auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit baute. Es wurde viele Worte gemacht. Der Glaube an die Gnade Gottes wurde verboten - noch ehe nur ein Jahr um war, floss auf den Straßen das Blut in Strömen. Tausende wurden auf der Guillotine enthauptet.

            Zum Beispiel die Sowjetunion! Lenin, Marx und Stalin waren wohlmeinende Menschen, wenn sie sagten, sie könnten die gute Gesellschaft schaffen, in der alle frei und gleich wären. Auch sie machten die Kirchen zu. Sie ließen Gott abdanken und verboten im Übrigen jegliche Rede von seiner Gnade. Man geht davon aus, dass diese drei Herren den Tod von 80 Millionen Menschen verschuldet haben.

            Zum Beispiel Maos China, das so viele hierzulande bis noch vor wenigen Jahren so sehr bewunderten! Mao glaubte auch daran, dass der Mensch das Gute tun könne. Er schaffte die Gnade ab und führte stattdessen den großen Sprung nach vorn ein. Das kostede dann um die 40 Millionen Menschen das Leben.

            Wir könnten so fortfahren. Wir haben die Gräuel noch nicht begriffen, die im Namen des Guten verübt worden sind. Und wir haben auch wohl die letzten Gräuel noch nicht erlebt. Die Sache ist die: wo die Gnade abgeschafft ist, da tragen wir die Verantwortung für die Liebe, die Gnade und das Gute. Und sind wir selbst für die Gnade und das Gute verantwortlich, dann wird das Leben zu einem Kampf aller gegen alle. Die Gnade und das Gute werden mit Sicherheit als Erstes flöten gehen. Das Leben wird sich bald darauf konzentrieren, wer die besten Plätze bekommt, die besten Arbeitsplätze, die schönsten Frauen und die größten Häuser. Das Leben zeichnet sich nicht durch Freiheit aus, sondern es geht um Macht.

            Wie gesagt: das lehrt uns die Geschichte.

            Und Jesus lehrt es uns im heutigen Text.

            Er erzählt uns ein Gleichnis von einem Diener und seinem Herrn. Der Herr reist fort und setzt seinen Diener als Verwalter aller seiner Güter ein. Aber dann hat der Diener die Idee, er selbst könne der Herr sein. Die Aussicht, dass der Herr zurückkommen könnte, ist ihm egal, und er bläst sich auf. Er kann das Haus des Herrn in Besitz nehmen, und er tut es.

            Am Anfang geht es sicher ausgezeichnet - aber dann beginnt er, die Knechte und Mägde zu schlagen, er fängt an zu essen und zu trinken und sich voll zu saufen...

            Was sagt nun Jesus dazu? Ja, er sagt nichts davon, dass wir etwas dagegen unternehmen müssten. Denn er weiß ja, dass wir es nicht können - darum geht es ja gerade. Jesus sagt vielmehr die Wahrheit. Er sagt, dass wir nie etwas anderes sind als Menschen, die, wenn wir die Macht dazu hätten, alles zu einem Kampf aller gegen alle machen würden. Wir sind treulos und faul, und wir sind wie der Diener, der den Willen seines Herrn sehr wohl kannte, aber nicht danach handelte. So ist das eben. Wir sind also kein König Arthur. Wir haben keinen freien Willen, das Gute zu tun. Denn hätten wir ihn, würden wir doch heute in dem Paradies leben, von dem die Menschheit so oft geträumt hat. Aber das ist nicht der Fall! Wir sind alle todkrank. Und wir haben alle den Arzt nötig.

            Und da spricht Jesus von der Gnade. Fürchte dich nicht, du kleine Herde, sagt er, denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben, trotz allem. Er ist auch unser Vater. Uns will er das Reich geben. Als ein Geschenk. Deshalb sollen wir uns nicht fürchten. Gott hat sich für uns entschieden.

            Wir können versuchen, das reine Paradies zu schaffen - aber es ist nichts wert - die Gnade, die Liebe und der Friede können niemals etwas sein, wofür wir uns entscheiden, aus dem einfachen Grunde, dass Gott beschlossen hat, uns das Reich zu geben. Wie gesagt, es ist ein Geschenk - denn im Reich Gottes ist alles Geschenk. Da ist alles Gnade. Da ist Vergebung, Liebe, Auferstehung von den Toten. Das Reich Gottes ist eine Liebesmacht und eine Kraft, die in uns und zwischen uns arbeitet und uns überwindet.

            Das Reich wurde gegründet, als Christus unter uns wandelte. Jetzt drängt es hervor. Jetzt breitet es sich aus. Jetzt wird dort Leben geschaffen, wo zuvor Tod war. Wir wurden in der Taufe mitgerissen. Gott wirkt in uns, wie er alles in allem wirkt - ganz konkret z.B. im Bauern, der erntet, im Bäcker, der backt, in der Mutter, die ihrem Kind das Brot gibt, und so weiter. Gott wirkt alles in allem, wirkt in allem, was wir tagtäglich tun. Und in allem, was wir tun, gibt er uns alles aus Gnade - unsichtbar und unverstehbar und heimlich geschieht es, und doch - wenn Christus wiederkommt, ist die Arbeit getan. Fürchtet euch also nicht. Er ist bei uns alle Tage bis an der Welt Ende. Unser Vater, der beschlossen hat, uns das Reich zu geben.

            Nun könnten wir einwenden: wir merken und sehen es doch nicht. Nein, eben, wir merken und sehen es nicht. Gerade jetzt sehen wir nur durch einen Spiegel in einem dunklen Wort. Deshalb sollen wir warten und wachen, wie Jesus sagt. Wir sollen eben nicht nervös sein und die Macht an uns reißen und versuchen, das Paradies zu schaffen. Wir sollen warten und wachen. Wir sollen sein wie Menschen, die darauf warten, wann ihr Herr von der Hochzeit aufbrechen wird, so dass wir ihm gleich die Tür öffnen können, wenn er kommt und anklopft. So sollen wir sein. Warten und wachen - in der Gewissheit, dass wir in Gottes Entschluss ruhen, dass wir das Reich haben sollen.

            Ja, bedeutet das, dass wir mit den Händen im Schoß nur dasitzen sollen, so wie wenn man auf den Zug wartet? Natürlich nicht!

            Wir sollen uns aufmachen. Warten und wachen heißt, der Erde treu sein - in der Hoffnung auf die Gnade Gottes allein. Wir sollen uns eben nicht in eine bessere Welt als die, die wir haben, wegträumen.

            Wir sollen warten und wachen in der Welt, in der wir jetzt leben. Wir sollen unser Leben jetzt vollauf gebrauchen. Wir sollen unserer Arbeit nachgehen. Unsere Kräfte ausnutzen. Unsere Kämpfe kämpfen. Und von jedem, der viel bekommen hat, wird viel gefordert werden. Und von demjenigen, der viel bekommen hat, wird desto viel mehr verlangt werden. Wir alle haben unser Leben bekommen, um es zu hüten.

            Wir sollen warten und wachen - und hoffen, der Herr kommt jeden Augenblick zurück...

            Bis dahin ist keine Minute vergebens - denn allezeit halten wir das Leben unseres Nächsten in unserer Hand. Und was wir an unserem Nächsten tun, lässt sich nie widerrufen. Wir stehen ihm hier und jetzt von Angesicht zu Angesicht gegenüber und haben zu handeln. Nicht morgen und nicht übermorgen oder wenn wir einmal Zeit haben. Nein. Jetzt gilt es. Auf diese Weise leben wir allezeit hier und jetzt, weil wir nicht wissen, ob wir überhaupt mehr Zeit bekommen, irgendetwas zu tun.

            Bist du auf deinen Nächsten aufmerksam - deine Kinder, deinen Ehepartner, deine alten Eltern? Besuchst du den Einsamen, gibst du dem Hungrigen zu essen und dem Durstigen zu trinken? Tröstest du den Schwachen, kämpfst du gegen das Unrecht?

            Tust du das? Nutzt du die Zeit, die du bekommen hast?

            Du hast die Verantwortung. Jedes unüberlegte Wort oder jede ungerechte Tat bekommt sein Urteil, denn darin trägst du das Leben deines Nächsten. So ist es, denn Christus kommt jeden Augenblick wieder

            Aber fürchte dich nicht, denn unser Vater hat seinen Entschluss gefasst. Daran sollen wir uns jetzt halten.

            Wenn du also treulos und faul gewesen bist, hast du deine Schläge zu Recht bekommen, und warst du treu, sollst du dennoch keine Belohnung aus dem Grund erwarten, denn, nicht wahr: Ein jeder, dem viel gegeben ist, von dem wird man auch viel verlangen - und derjenige, dem viel anvertraut ist, von dem soll man desto mehr verlangen.

            Jetzt wartet dein Leben auf dich. Aufgaben liegen ganz in der Nähe, hier vor der Kirchentür, und sie begegnen dir an allen Tagen der Woche - ja, jeden Augenblick. Und wie du damit fertig wirst, ist noch nicht entschieden - vielleicht hast du zu wenig geliebt, aber du hast noch Zeit, viel zu lieben, vielleicht war deine Treue wertlos, aber du hast noch Zeit, treu zu sein. Das ist alles noch unentschieden; solange wir leben, besteht Hoffnung. Aber was das Reich Gottes angeht, so ist diese Entscheidung gefallen.

            Unser Vater hat beschlossen, uns das Reich zu geben. Uns, die wir träge und treulos sind. Wir, die wir so viel für uns selbst und für andere verdorben haben. Wir, die wir uns darüber im Klaren sind, dass wir uns nicht wie König Arthur erlauben können, an einen freien Willen zu glauben. Wir haben einfach zu viele Schwierigkeiten. Ja, er hat beschlossen, dass wir sein Reich haben sollen - und das steht fest.

            Sein Reich ist zu uns unterwegs. Er hat beschlossen, es uns zu geben. Man kann aus Freude darüber nur weinen.

            Sein Reich kommt. Sein Wille geschieht. Das Reich Jesu Christi kommt auf Gnaden des Reiches Gottes.

            Fürchte dich also nicht - wache und warte in Freude!

Amen



Pastor Morten Fester Thaysen
Varde (Dänemark)
E-Mail: mht@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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