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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

12. Sonntag nach Trinitatis, 22.08.2010

Predigt zu Matthäus 12:31-42, verfasst von Margrethe Dahlerup Koch

"Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben." Ja, ja, das wissen wir doch.  Christentum, das hat etwas damit zu tun, dass man vergeben soll, die andere Backe hinhalten und einander lieben soll, so wie Gott Menschen vergibt und sie liebt. Und haftet dem nicht irgendetwas Irritierendes an? Ist es nicht allzu leicht? Zu gleichgültig. Irgendwie zu albern.

            Simon Wiesenthal erzählt die Geschichte von einem KZ-Kommandanten, auf dem Sterbebett darum bittet, mit einem Juden sprechen zu dürfen. Der Jude kommt, und der Sterbende bittet ihn um Vergebung für die Verbrechen, die er an den Juden begangen hat. Und der Jude lehnt das ab. Er lehnt es ab, erstens weil er es nicht tun kann. Alles andere wäre eine Verhöhnung der Opfer und ihrer Leiden. Es hieße, mit der Bosheit Spott zu treiben.

             Zweitens aber lehnt es der Jude ab, dem Sterbenden zu vergeben, weil er es nicht will. Er will den Sterbenden in der Schuld festhalten. Er soll nicht davonkommen. Der Lagerkommandant soll nicht anders sterben denn als der Feind und der Verbrecher, der er ist.

            Wiesenthal stellt mit seiner Geschichte u.a. die Frage, was Christen in dieser Lage getan hätten. Priester und andere meldeten sich sofort nach dem Kriege, sagt Wiesenthal, und riefen die Welt auf, den Nazis zu verzeihen. Leuten, die eine selbst empfangene Ohrfeige niemals verziehen hätten, sagt Wiesenthal, fiel es offenbar nicht schwer, im Namen von Millionen unschuldig Ermordeter zu vergeben.

            Und wir können ja nun überlegen, was wir selbst getan hätten, wenn wir an der Stelle des Juden gewesen wären. Und vielleicht vor allem überlegen, was wir tun? Vergeben wir unseren Schuldigern, so wie wir im Vaterunser beten?

            Aber mit dem Evangelium von heute im Ohr besteht kein Zweifel, was Jesus darüber sagt, was Gott tut. "Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben." Weil die Gewaltspirale der Rache sonst alles Leben mit sich in ihren alles vernichtenden Strudel zieht.

            Es gibt Verbrechen und Übergriffe, die wir nicht vergeben können und für die wir keine Vergebung voneinander bekommen können. Zu verlangen, dass ein Opfer seinem Büttel vergeben soll, dazu hat niemand das Recht. Menschen können Leiden ausgesetzt sein, die sie weder vergeben können noch wollen. Und nur sie wissen, wie grauenhaft es ist, mit dem Unverzeihlichen leben zu müssen.

            Und genau dies wird im Christentum ernst genommen. Dass Vergebung gerade nicht bedeutet, dass die Leiden des Opfers zum Gespött gemacht werden. Nein, es geschieht genau das Gegenteil. Die Leiden des Opfers werden zu Leiden Gottes. Darum geht es bei Jesu Kreuzigung und Tod.

            Zum ersten darum, dass das Opfer ernst genommen wird - so ernst, dass Gott sich selbst zum Opfer macht. Damit wir von da an in jedem Leidenden auch Gott haben sehen können - den Gekreuzigten. Wo ein anderer Mensch verletzt wird, wird auch Gott verletzt.

            Und zum zweiten ist die Kreuzigung Verkündigung dessen, dass es Gott ist, der vergibt. "Vergib ihnen, Vater, sie wissen nicht, was sie tun," bittet Jesus am Kreuz. Nur die Vergebung kann die Spirale der Gewalt, der Vergeltung und der Rache beenden. Wir können sie nicht selbst beenden. Aber die Ereignisse von Karfreitag sind das Pfand dafür, dass Gott das tut, was wir nicht zu tun vermögen. Wo wir nicht vergeben können, müssen wir das Unverzeihliche auf ihn legen. Und wo wir von dem, gegen den wir uns verbrochen haben, keine Vergebung erlangen können, müssen wir unsere Schuld Gott übergeben und ihn bitten, das Leben, das wir für einen anderen zerstört haben, zu reparieren und wieder aufzurichten.

            "Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben" - und wenn es nicht so wäre, wäre Jesu Tod vergebens. Dann würde sein Tod nichts anderes bedeuten als der qualvolle Tod so vieler anderer ungerecht verurteilter Menschen.

            Aber Jesus sagt im Evangelium von heute noch mehr über Vergebung. Er fügt noch etwas Empörendes hinzu: "Die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. Wer etwas gegen den Heiligen Geist redet, dem wird's nicht vergeben, weder in dieser noch in jener Welt."

            Es gibt also etwas, was nicht einmal Gott vergibt. Eine Sünde, die nicht zu den Allerweltssünden gehört, von denen wir im Abendmahlslied singen, dass Jesus sie auf sich nahm und zum Grab trug. Lästerung des Heiligen Geistes ist unverzeichlich. Warum?

            Weil der Heilige Geist Gottes Gegenwart in der Welt, bei uns und unter uns ist. Den Heiligen Geist lästern ist nicht, dass man daran zweifelt, dass Got etwas mit uns und mit der Welt zu tun haben will. Sondern es ist dies, dass man leugnet, dass Got etwas mit uns und mit der Welt zu tun haben will. Die Lästerung des Heiligen Geistes ist der Versuch, Gott von seinem Menschen zu trennen. Und das ist unverzeihlich. Denn derjenige, der Gott von seinem Menschen zu trennen versucht, ist der Teufel - der Gegensatz von Gott.

            Deshalb sagen wir, bevor wir unseren Glauben bekennen, was es ist, dem wir entsagen: nämlich dem Teufel und allen seinen Werken und all seinem Wesen - d.h. einem jeden Versuch, einem Menschen den Glauben zu nehmen und zu leugnen, dass Gottes Wille das Eine ist: seinen Menschen bei sich zu sehen.

            Der Heilige Geist ist die Gegenwart Gottes in der Welt, in uns und bei uns. Der Heilige Geist ist das, was uns zu Menschen Gottes macht, und nicht nur eine Zahl von Chromosomenpaaren, eine Erbmasse und die Menge von Flüssigkeits, Kalk und Salz, woraus wir - biologisch betrachtet - bestehen. Wenn wir getauft werden, werden wir nicht allein mit Wasser getauft, das wir sehen können, sondern wir werden auch mit dem Heiligen Geist getauft, auch wenn wir es nicht sehen können. In der Taufe bekommen wir Anteil am Geist Gottes, wie es den Jüngern am ersten Pfingsttag geschah. Wir erhalten die Verheißung Gottes, dass er immer geistesgegenwärtig sein wird, anwesend sein wird in unserem Dasein mit seinen Forderungen und Möglichkeiten. Der Heilige Geist ist das Pfand, dass Gott uns will und uns etwas will.

            Darum kann Gott dem nicht vergeben, der den Heiligen Geist lästert. Denn wer das tut, versucht, die Welt und die Menschen von Gott wegzureißen. Und wer das tut, der ist der Tod - oder der Teufel selbst. Es ist der Tod, der den Heiligen Geist verspottet, indem er versucht, Gottes Gegenwart in der Welt, in uns und bei uns zu bekämpfen.

            Und dass es eine Tat ist, die nicht zu vergeben ist, dafür ist das leere Grab am Ostermorgen das Pfand. Die Verspottung des Geistes, der Versuch, Gott aus unserer Welt zu verweisen, wird niemals gelingen.

            Es ist keine Drohung, sondern eine Verheißung der Auferstehung, der Hoffnung und des Mutes, wenn Jesus sagt, dass alle Sünde den Menschen vergeben werde, aber den Spott gegen den Heiligen Geist vergibt Gott nie. Es ist die Verheißung Gottes, dass er der Gott der Auferstehung ist.

            Am Taufbecken, am Abendmahlstisch, in dem Zusammensein miteinander, wo Mut, Trost, Hoffnung und Freude ihre Stärke trotz aller Bedrohungen zeigen, - in diesem Augenblicken erfahren wir den Widerschein der Wirklichkeit der Auferstehung. Von der Wirklichkeit, in der Gott der Destruktion Trotz bietet und sie übewindet.

            Niemand von uns kann der Bekanntschaft mit den lebensvernichtenden Kräften entfliehen. Aber sie werden nie Recht bekommen.

            "Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben,"  aber für die Lästerung des Heiligen Geistes gibt es keine Vergebung. Die Macht des Bösen - unsere eigene böse Macht, und die bösen Mächte, mit denen wir zu kämpfen haben, will Gott nicht anerkennen. Dafür aber hat er das Böse bekämpft und überwunden. Ein für allemal für alle Sünder. Auch für uns.

Amen



Pastorin Margrethe Dahlerup Koch
Tim (Dänemark)
E-Mail: mdk@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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