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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

14. Sonntag nach Trinitatis, 05.09.2010

Predigt zu Römer 8:12-17, verfasst von Stefan Strohm

I. Predigttext

1  Nach Luther, sc. die Lutherrevision 1984

So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, daß wir nach dem Fleisch leben. Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches* tötet, so werdet ihr leben. Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr euch abermals fürchten müßtet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.

* Luther übersetzt «des Fleisches Geschäfte» nach der Vulgata, welche einer entsprechenden grie­chischen Lesart folgt. Erasmus, den Luther als Textvorlage verwendet, hat die auch im modernen griechischen Text stehende Lesart «des Leibes...». Wenn die Revision von 1984 angibt, sie folge dem modernen griechischen Text, hätte sie gegen Luthers Entscheidung für die Vulgata ihrerseits nach dem Urtext ändern müssen, da kaum mehr jemand die Vulgata auswendig so präsent hat wie Luther.

2  In gerechter Form

Wir sind also, liebe Schwestern und Brüder, nicht Schuldnerinnen und Schuldner des Fleisches, daß wir nach dem Fleisch leben. Wenn ihr nämlich nach dem Fleisch lebt, müßt ihr sterben; wenn ihr aber in der Geistin die Taten des Leibs tötet, werdet ihr leben.

Welche von der Geistin Gottes geleitet werden, sind Töchter und Söhne Gottes. Ihr habt schließlich nicht einen sklavischen Geist empfangen, der wieder zur Furcht drängt, sondern ihr habt die Geistin von Töchtern und Söhnen empfangen. Durch sie rufen wir: Ämma - Mutter. Denn diese Geistin bezeugt unserem Geist, daß wir Kinder der Gottheit sind. Wenn wir Kinder sind, dann Erbinnen und Erben, Erbinnen und Erben der Gottheit, Miterbinnen und Miterben Christi, sofern wir mitleiden, um auch mitverherrlicht zu werden.

3  Nach dem Griechischen

So stehen wir nun, liebe Brüder, nicht in der Schuld des Fleisches, so daß wir dem Fleisch entsprechend leben müßten. Lebt ihr nämlich dem Fleisch entsprechend, müßt ihr sterben; tötet ihr aber im Geist die Handlungsweisen des Leibs, werdet ihr leben. Welche vom Geist Gottes geleitet werden, sind Söhne Gottes. Ihr habt schließlich nicht einen unterwürfigen Geist empfangen, der wieder zur Furcht drängt, sondern ihr habt den Geist souveräner Söhne empfangen. In ihm rufen wir: Abba - Vater. Ja, dieser Geist bezeugt unserem Geist, daß wir Gottes Angehörige sind. Wenn wir Angehörige sind, dann Erben, Erben Gottes, Miterben Christi, sofern wir mitleiden, um auch mitverherrlicht zu werden.

4 Aus der Antike

So stehen wir nun, liebe Brüder, nicht in der Schuld des Sichtbaren, so daß wir dem Sichtbaren entsprechend leben müßten. Lebt ihr nämlich dem Sichtbaren entsprechend, müßt ihr sterben; tötet ihr aber im Geist die Handlungsweisen der Selbstdarstellung, werdet ihr leben.

Welche vom Geist Gottes geleitet werden, sind Repräsentanten Gottes. Ihr habt schließlich nicht einen unterwürfigen Geist empfangen, der wieder zur Furcht drängt, sondern ihr habt einen befreienden Geist empfangen. In ihm rufen wir: Abba - Vater. Ja, dieser Geist bezeugt unserem Geist, daß wir Gottes Angehörige sind. Wenn wir Angehörige sind, dann Erben, Erben Gottes, Miterben Christi, sofern wir mitleiden, um auch mitverherrlicht zu werden.

II Predigt

Liebe Gemeinde

Vom Vater ist die Rede, von Sohnschaft oder Kindesrecht, von Kindern ist die Rede. Soviel ist klar, soviel scheint klar.

Die kleine Familie ißt zunacht. Der Tisch ist gedeckt, Butter und Wurst, Brot und Brezeln stehen da. Noch fehlt das Getränk. Im Keller liegt ein Fäßlein mit Most. Die Äpfel sind Fallobst aus dem ererbten Garten. Zusammen hat man sie vom Boden aufgehoben. Nun ist November, der Saft vergoren und der Most seit einigen Tagen trinkreif, das Fäßlein schon angestochen. Man spricht davon. Die Mutter holt den schmucklosen Glaskrug. In seiner geraden Form ist er sich selbst Schmuck genug. Der kleine noch nicht schulpflichtige Sohn bietet sich von sich aus spontan an, in den Keller zu hinabzusteigen. Er malt sich aus, wie er den Krug, den er schön findet, einfach schön, unter den Hahn am Fäßlein hält und langsam den leicht schäumenden Most hineinlaufen läßt. Er nimmt behutsam das Gefäß. Die Eltern warten mit dem Beginn des Essens. Er kommt nicht gleich wieder, Zeit vergeht. Er kommt noch nicht. Die Eltern ahnen, irgendwie muß der Krug zu Boden gefallen und zerschellt sein.

Es wird nicht zwei unter uns geben, die eine solche Erzählung aus dem normalen Familienleben mit gleichen Gefühlen und Erwartungen hören. Jeder wird sie so hören, wie er sie als Kind erlebt hätte oder wie er als Vater und Mutter reagieren würde. Darum wäre es völlig verfehlt, sie zu Ende zu erzählen. Schilt nämlich der Vater das Kind, schelten ihn die einen und loben ihn die andern, bedauert er das Kind, das seinen Stolz und den Anblick des schönen Krugs eingebüßt hat, werden ihn die einen bedauern und die andern loben.

Kinder werden das anders hören als Erwachsene, Kinder mit Geschwistern anders als solche ohne Geschwister, Kinder ohne Vater wieder anders.

Jeder wird so reagieren, wie er in seinem Lebenshorizont gebildet worden ist oder entsprechend seiner Emanzipation aus eben diesem Lebenshorizont sich im Leben ein­gerichtet hat.

Was Kindsein ist, was Vatersein bedeutet, ist dem Wort Kind und Vater nach für alle gleich, der Bedeutung in dem Wort Kind und Vater für jeden völlig unterschiedlich, ja jeder kaum einer wird ein Leben lang die gleiche Bedeutung damit verbinden, vielleicht nichteinmal im Augenblick dasselbe unter Vater und Kind verstehen. Die Worte sind zu vieldeutig, mit zuviel gegensätzlichen Gedanken verbunden.

Liebe Gemeinde

Könnten Sie sich eine Predigt vorstellen, die ausschließlich darin bestünde, daß der Predigtabschnitt in einer immer neuen Variante der Übersetzung vorgelesen wird? Für zwanzig Minuten Predigtzeit käme man auf gut zwölf Übersetzungsvarianten, vielleicht auf mehr, vielleicht auf weniger, je nach Bedacht beim Vorlesen, je nach Gewicht der Übersetzung.

Vermutlich reichen zwölf Varianten nicht, um alle Aspekte des Predigtabschnitts lebendig werden zu lassen.

Und viel weniger hilft das Übersetzen, das die menschliche Sprache leisten kann. Eigentlich handelt der Abschnitt vom Übersetzen, aber nicht vom Übersetzen aus dem Griechischen des Paulus in das Deutsche von Gaisburg oder das Deutsche rund um die Christuskirche. Auch nicht handelt der Predigtabschnitt vom Übersetzen aus der An­tike in unsere sogenannten Neuzeit, aus dem römischen Reich und seiner Kultur in die Moderne, aus der Jüdischen Vorstellungswelt in unsere aufgeklärte und säkularisierte Welt.

Der jüdische Vater ist ein anderer als der pater familias der Römer, er ist anders nach Recht, nach Macht nach Einfluß. Die Familie der alten Welt ist etwas anderes als die moderne Wohngemeinschaft. Doch im Palästina Jesu wie im Rom des Paulus dürfte es ein Wagnis gewesen sein, den Worten Herr und Knecht, die Worte Vater und Kind entgegenzusetzen, die Herrschaft verblassen zu lassen und die Kinder zu inthronisieren, um den Herrgott zu verabschieden.

Der Predigtabschnitt handelt, wie gesagt, vom Übersetzen. Übersetzt wird das Wort Abba, offenkundig, so scheint es, aus dem Aramäischen ins Griechische: «Abba - ho pater,» so im Text; und wir haben aus dem Griechischen dann in Deutsche zu über­setzen: «Abba - Vater».

Doch damit ist noch gar nichts gesagt, sind nur Worte getauscht, nicht übersetzt. Auch das Wort Vater kann im Deutschen wie ein Fremdwort klingen. Übersetzt wäre es, wenn es anders klänge. Doch dazu später, fangen wir einfacher an.

Wir wollen uns nicht mit dem sinnfälligsten Problem aufhalten: Paulus spricht von «Brüdern», spricht seine Leser oder auch die Zuhörer der Verlesung seines Briefs als «Brüder» an. Denkt er an die männlichen Mitglieder der Gemeinde? Oder sind in seiner Sprache die Brüder, die Söhne Jakobs, die neuen Repräsentanten Israels? Sind sie in seiner Sprache die Stammverwandten? Kann man das noch hören, wenn man «Brüder und Schwestern» übersetzt? Bei Schwestern und Brüder denkt man doch an die Leute, die sich heute in der Petruskirche und in der Christuskirche versammeln, nicht an die Söhne Jakobs, die zwölf Brüder und Patriarchen, die nach Ägypten gezogen sind und die Spitze von Israels Stämmen, die Urväter des erwählten Volks sind und deren Stammverwandte nicht nur das Israel von Geburt her ist, sondern das in Christus von Gott erwählte Volk in aller Welt.

Ähnlich steht es mit dem Wort «Sohn» und insbesondere «Söhne». Die alte Lu­therübersetzung hat in der Wiedergabe des hebräischen Alten Testaments, wo heute teilweise, nur teilweise, «Söhne Israels» steht, «Kinder Israels» gehabt. Die Kinder Is­raels waren die Familien, die aus Ägypten ausgezogen sind. Die Christenmenschen sind Kinder Gottes, sagt Paulus, er meint also, Alte und Junge, Männer und Frauen, die in Rom versammelt sind, stellen die neue Schar Gottes in der Welt dar, die Erwählten, die Heiligen Gottes, wie er auch sagen kann.

Und das Wort «Sohnschaft» bedeutet im Gegensatz zum Sklavenstand einfach den Freien, den künftigen Sachwalter des Hauses. Mit der Übersetzung Kindesrecht statt Sohnschaft wäre nicht viel geholfen. Man dächte noch am ehesten an das Verbot, seine Kinder zu züchtigen, an die Verpflichtung, sie zu ernähren und zu kleiden, die Aufgabe, sie zu bilden und zu fördern.

Und vor Wörtern wie «Fleisch» oder «Leib» möchte man sich am liebsten drücken. Wendungen wie «Lust des Fleisches» wollen einem einfallen, und die erinnern eher an vollbusige Kinoplakate aus den Fünfzigern als an Paulus.

Bei «Leib» assoziiert man die Beschwerden des Leibes oder das Wunderwerk des menschlichen Organismus, je nach Alter und Befinden, je nach Bildung und Vorstel­lungskraft.

Wir sind in unseren Vorstellungen befangen, eingehaust in unsere Welt. Die Menschen aus den Zeiten der Heiligen Schrift waren das nicht weniger. Sie bedurften nicht we­niger der Übersetzung, der Erhellung und Klärung. Die Probleme, die wir mit Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter, Vater und Mutter haben, sind vordergründig und sie sind einfache Probleme, einfach zu lösen, wie angedeutet. Es sind einerseits Sprachprobleme die man lösen und erklären kann.

Ein anderes ist die babylonische Gefangenschaft in unserer Sprache und Vorstel­lungswelt.

Liebe Gemeinde

Eigentlich sind wir am Ende unserer Überlegungen und unserer Übersetzung des vor­gelesenen Briefabschnitts von Paulus. Machen wir die Probe darauf:

So stehen wir nun, liebe Brüder, nicht in der Schuld des Fleisches, so daß wir dem Fleisch entsprechend leben müßten. Lebt ihr nämlich dem Fleisch entsprechend, müßt ihr sterben; tötet ihr aber im Geist die Handlungsweisen des Leibs, werdet ihr leben.

Wie wäre es, wenn wir statt «Fleisch» einsetzen wollten:

Die babylonische Gefangenschaft in unserer Sprache und Vorstellungswelt.

Nicht, daß wir das in eine gedruckte und verbreitete Übersetzung schreiben wollten. Da würde es genügen, statt Fleisch das Sichtbare, das uns Verfügbare zu sagen.

Und nicht, daß diese Übersetzung von Fleisch mit babylonischer Gefangenschaft in unserer Vorstellungswelt und Sprache, uns wirklich hülfe, aus eben dieser Gefangen­schaft und in unserer Sprache herauszutreten. Diese Übersetzung könnte allenfalls ein Echo sein der eigentlichen Übersetzung, die noch folgen muß.

Und wichtiger ist, daß diese Übersetzung selbst der Übersetzung bedarf, nämlich daß jeder entdeckt, wie er selbst gefangen ist, so wie kein anderer. Darum haben wir ja die Geschichte von dem Kind mit dem Krug nicht zu Ende erzählt, weil sie bei jedem anders abläuft, eben so, wie er geprägt ist.

Das Wort «Leib» könnten wir mit Daseinshorizont verstehen, wieder nur als Echo der eigentlichen Übersetzung und wieder nicht für eine gedruckte Übersetzung. Da würde Selbstdarstellung genügen.

Schauen wir den Leib, den Organismus eines Tieres an: Jeder Muskel, jedes Glied, jedes Sinnesorgan dient seiner Selbsterhaltung. Wir stellen uns einen Tiger im Sprung nach der Beute vor. Es ist ein Bild der Vollendung. Und wir wissen, daß der Tiger nicht anders kann, als zu springen.

Wie anders sind wir: Die Hand kann nicht einfach nur greifen und sammeln, sie kann streicheln und schlagen, sich öffnen und sich zusammenballen, ein Werkzeug führen oder eine Waffe.

Das Tier erhält sich in seinem Organismus selbst und indem es sich selbst erhält, erhält es zeugend und gebärend die Art. Es ist sich gleich durch Generationen hindurch, ist in sich vollkommen genug, ist in seiner Lebensweise wohlgeborgen.

Wir verwirklichen uns selbst, haben unseren Horizont um uns, einen Horizont, der zugleich unsere babylonische Gefangenschaft ist. Unsere Selbstdarstellung vollzieht sich in unserem beschränkten Daseinshorizont. Das macht Angst, Vergebliches gewirkt zu haben, etwas zu versäumen, wie Paulus schreibt, wenn er das Gegenteil benennt:

Welche vom Geist Gottes geleitet werden, sind Söhne Gottes. Ihr habt schließlich nicht einen unterwürfigen Geist empfangen, der wieder zur Furcht drängt, sondern ihr habt den Geist souveräner Söhne empfangen.

Wir merken aus dem Gegensatz «unterwürfiger Geist» und «souveräne Söhne», daß wir nicht damit auskommen, Wörter im Übersetzen auszutauschen, sondern daß uns etwas berührt, was über unsere Vorstellung und Selbsterfahrung hinaus ist.

Davon spricht nun am Ende Paulus:

In ihm rufen wir: Abba Vater. Ja, dieser Geist bezeugt unserem Geist, daß wir Gottes Angehörige sind. Wenn wir Angehörige sind, dann Erben, Erben Gottes, Miterben Christi, sofern wir mitleiden, um auch mitverherrlicht zu werden.

Paulus redet unverständlich, wie er weiß. Im Gottesdienst rufen die Christen Gott an mit dem Ruf Abba an, sie übersetzen sich das aramäische Wort aus Jesu Sprache mit Vater, aber sie wissen nicht, was das heißt, Gott als Vater anzurufen, gleich in welcher Sprache und Vorstellung.

Der Geist muß es ihnen ins Herz schreiben, mit Worten, die sie ebenfalls nicht verstehen. Paulus versucht, das Echo der Worte des Geistes hören zu lassen:

Wer Vater zu Gott sagt, sagt zu sich selbst Kind Gottes. Er sagt also zu Gott nicht despotischer Herr, zu sich nicht furchtsamer Knecht. Und er weiß nicht, wie er all das Furchtsame und Vorbelastete aus dem Wort Vater und aus dem Wort Kind all das falsch Süßliche und Zärtliche ausschließen kann. (Wir lassen hier beiseite, daß dem Alten Testament gemäß «Knecht Gottes» ein Ehrentitel sein kann.)

Und wer zu sich Kind Gottes, Anverwandter Gottes, sagt, gewinnt dann eine Vor­stellung von dem, was ihm der Geist damit sagt, indem er Christus vor Augen hat, gegeben für unsere Sünde, unser auf uns beschränktes Leben, auferstanden für unsere Gerechtigkeit, unser neues Leben.

Und nun sagt der Geist zu uns, daß wir, befangen in unseren Vorstelluungen und Prägungen, befangen in unserem Drang zur Selbstdarstellung noch gar nicht wir selbst sind.

Wir selbst, wie wir uns kennen, sind nur der Staub und die Erde, Staub und Asche, aus denen der Geist neue Menschen formt.

Wir könnten auch sagen, wie seien das Echo der neuen Welt. Wir sind es, indem wir zu vernehmen anfangen, daß wir in uns befangen sind, und eben damit frei werden für, das, was Gott in uns und mit uns anfangen möchte. Wir sind es, indem wir bemerken, wie wir uns selbst darstellen wollen, und eben damit anfangen frei zu werden für das, was der andere an uns haben könnte.

Wir sind Staub und Erde, Staub und Asche, hingegeben an das Vergängliche, wenn wir uns selbst anschauen, berufen zum Leben, wenn Gott in uns spricht, so daß wir ihn Vater und uns Die Seinen nennen. Darin sind wir Christus gleichgestaltet, nicht mehr der Leib, das Selbstbewußtsein unser selbst, sondern der Leib Christi, Gottes Einflußfeld auf der Erde und im Vergänglichen.

Wie wird der Geist uns lehren, die Geschichte von dem Kind und dem Krug, die sich immer wieder neu in unserem Leben erzählt, sich erzählen zu lassen? Wie werden unsere Vorstellungen und unsere Sprache nicht mehr unsere Welt sein, sondern zum Echo der Sprache des Heiligen Geistes werden?

Wir werden aufhören, das die eigene Sorge sein zu lassen. Wir werden hoffen, daß der Geist unsere Vorstellungen und unsere Sprache gebraucht, um darin selbst sein Ja und Amen zu uns und zu dem andern vor uns zu sprechen, sein Ja und Amen, das uns, mehr als es richtig, wahrhaftig aufrichtet. So werden wir wachsam werden, Gott in unserer Welt zu begegnen, den ewigen Gott, in unserer vergehenden Welt, Christus in unserem vergänglichen Leib, dem befreienden Geist in unserer gefangenen Sprache.

Amen.

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III Literatur

Johannes Brenz, Explicatio Epistolae Pauli ad Romanos. 1538/39 (Brenz, Werke. Eine Studienausgabe. Schriftauslegungen. Teil 2.) Tübingen 1986.

Ernst Fuchs, Die Freiheit des Glaubens. Römer 5-8 ausgelegt. (Beiträge zur Evange­lischen Theologie. Bd. 14.) München 1949.

Otto Michel, Der Brief an die Römer. (Kritische Exegetischer Kommentar über das Neue Testament. Vierte Abteilung.) Göttingen 111957.

Ernst Käsemann, An die Römer. (Handbuch zum Neuen Testament. Bd. 8a.) Tübingen 1973.

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Pfarrer i.R., Dr. Stefan Strohm
Stuttgart
E-Mail: st.strohm@t-online.de

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