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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

17. Sonntag nach Trinitatis, 26.09.2010

Predigt zu Römer 10:9-17, verfasst von Sibylle Reh

Vorbemerkung: Es ist mir durchaus bewusst, dass der Abschnitt Teil eines größeren Kontextes ist: Die Kapitel 9-11 haben die bleibende Erwählung Israels zum Thema. Dies wird in der Predigt jedoch nicht aufgenommen. Dies ist eine homiletische Entscheidung, die ich damit begründe, dass dieses komplexe Thema, wenn es in der Predigt aufgenommen werden sollte, nicht am Rande, sondern im Mittelpunkt stehen müsste. Mein homiletischer Schwerpunkt liegt hingegen auf dem „Sprechen vom Glauben", auch wenn dies nur einen kleinen Teil der exegetischen Erkenntnisse aus dem Text abdeckt. Dieser Schwerpunkt passt zum „Thema" des Sonntags, ausgedrückt im Evangelium (Heilung der Tochter der Syrophönizierin) und zur alttestamentlichen Lesung dieses Sonntags („Licht für die Heiden").

Liebe Gemeinde, Paulus schreibt: Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet."

Heute sind es nur noch wenige in unseren Lande, die so glauben und bekennen. Vielleicht waren es zu allen Zeiten wenige, aber jetzt ist die Zahl derer, die sich in unserem Lande zur Kirche halten, sichtbar gering geworden.

Natürlich kann ich auch etwas spitzfindig fragen: Wollen überhaupt alle Christen, dass die Gemeinden wachsen? Ist es nicht auch ganz gemütlich in unseren kleinen, familiären Gemeinden? Natürlich ist es traurig, dass die geringere Größe der Gemeinden auch die finanziellen Möglichkeiten einschränkt. Aber die Frage ist: werden die Menschen vermisst, die früher noch kamen, oder nur ihr Geld?

Paulus geht jedenfalls noch davon aus, dass die Gemeinden wachsen.

Und wir nähern uns den Zeiten von Paulus wieder an, jedenfalls insofern, als wir immer größere Chancen haben, Menschen zu treffen, die noch nie etwas von Jesus Christus gehört haben.

Religionslehrer in unserem Lande begegnen an Schulen durchaus hin und wieder Jugendlichen, die meinen, Jesus Christus sei der erste deutsche Bundeskanzler gewesen. Der Name Luther scheint ihnen zunächst etwas zu sagen, bis man festgestellt hat, dass sie ihn mit Lothar Matthäus verwechselt haben.

Vielleicht sind das noch Einzelfälle, aber es gibt sie schon. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren die meisten Menschen in Deutschland, die nicht Mitglied einer Kirche waren, bewusst ausgetreten. Heute ist das oft anders, es gibt einfach immer mehr Menschen, die nie einer Kirche angehörten, und eigentlich auch nicht viel darüber wissen. Diese Menschen sind oft keine verbissenen, kämpferischen Atheisten, sondern sie glauben nicht an Gott und Jesus Christus, weil sie schlicht noch nie jemandem begegnet sind, der ihnen etwas vom christlichen Glauben erzählt hätte, die Weihnachtsgeschichte vielleicht ausgenommen. Das kann man eigentlich den jungen Menschen nicht vorwerfen: „Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?" schreibt Paulus.

Unsere Predigt in der Kirche erreicht zu wenige. Wenige sind jedoch immerhin einige nach der Zählweise des Paulus.

Mit dem Predigen ist es allerdings auch so, dass es nicht nur in den Kirchen von den Kanzeln herab Menschen zum Glauben bewegt. Schon der niedersächsische Reformator Antonius Corvinus wusste, dass der Glaube im Wesentlichen von Müttern an ihre Kinder weitergegeben wird, weswegen er auch Mädchenschulen einführte.

Liebe Gemeinde, nun müssen es aber nicht nur die Mütter sein, Väter, Großeltern oder einfach nur Nachbarn, Freunde sind manchmal genau so gefragt.

Stellen Sie sich vor, ein Kind, vielleicht im Grundschulalter, das ohne jede Religion aufgewachsen ist, fragt jemanden von uns: „Was ist das eigentlich, diese Kirche, zu der du sonntags immer hingehst? Woran glaubt ihr Christen eigentlich?"

Was kann man da antworten? Vielleicht einfach:

„Ich glaube an Gott, den Vater. Gott, der wie ein Vater ist, für alle Menschen.

Ich vertraue auf den Sohn Gottes, unseren Herrn." 

„Warum ist er euer Herr?" könnte das Kind sagen, „sind nicht alle Menschen gleich?"  „Natürlich sind alle Menschen gleich, gerade im Christentum. Jesus ist ein Mensch, aber er ist auch Gottes Sohn. Er hat uns alle gerettet."

„Wovor denn?"

„Da könnte ich viele Geschichten erzählen. Vielleicht fange ich einfach mit der Geschichte an, die heute in der Kirche vorgelesen wurde (Evangelium: Mt 15, 21-28). Einmal kam eine Frau zu Jesus, die war in großer Not. Ihre Tochter war krank. Eigentlich wollte er der Frau nicht helfen, denn er kannte sie nicht und sie kam aus einem fremden Land. Aber sie erinnerte Jesus daran, dass Gott alle Menschen liebt. Da hat Jesus der Frau und ihrer Tochter geholfen."

„Aber was hat die Geschichte mit uns zu tun? Das war doch früher, heute kann man doch einfach zum Arzt gehen, wenn man krank ist. Aber mein Arzt ist doch nicht gleich mein Herr."

„Ja, es ist gut zum Arzt zu gehen, wenn du krank bist. Aber es gibt doch Situationen, da geht es dir schlecht, da hilft ein Arzt nicht. Ich weiß nicht, ob du solche Situationen kennst. Es gibt doch Tage, da läuft alles schief. Da streitest du dich vielleicht schon beim Frühstück mit deiner Mutter und  auf dem Schulweg mit deiner besten Freundin. Und nachher denkst du vielleicht: 'Warum habe ich dieses und jenes bloß gesagt? Jetzt ist meine Mutter traurig und meine beste Freundin redet nicht mehr mit mir, dabei habe ich es doch gar nicht so gemeint.' Und dann kann es sein, dass du dich ganz schlecht fühlt, und sauer auf dich selber bist, weil du dir doch fest vorgenommen hattest, nicht mehr zu streiten. Und dann kann dir Jesus helfen, der dich auch dann liebt, wenn du dich selber nicht mehr liebst, und dir hilft, wieder glücklich zu werden.

Und dann gibt es da noch etwas anderes. Irgendwann muss jeder Mensch einmal sterben. Natürlich weiß kein Mensch, wie das ist, wenn man stirbt. Aber wir Christen hoffen darauf, dass Jesus Christus uns, wenn wir gestorben sind, direkt zu Gott bringt."

„Und was hat das alles mit der Kirche zu tun?"

„Die Kirche ist nicht nur ein Gebäude, sondern „Kirche" sagt man auch zu der Gemeinschaft der Christen. Denn es glaubt nicht nur jeder für sich an Gott und Jesus, sondern in der Kirche tun wir das auch gemeinsam, bilden also eine Gemeinschaft."

„Aber die Kirchen sind doch oft ganz leer."

„Siehst du, manchmal sind die Kirchen voll, manchmal sind sie leer. Wir Christen wollen aber gerne, dass alle Menschen, wenn sie es wollen, in die Kirche kommen können. Darum erzählen wir gerne von unserer Kirche und unserem Glauben."

Liebe Gemeinde, soweit diese erfundene Unterhaltung. Ich gebe zu, dass ich solche Gespräche viel zu selten führe. Aber ich denke, der Predigttext will uns ermuntern, viel mehr solche Gespräche zu führen, nicht nur mit Kindern, auch mit Erwachsenen. Nicht immer und überall, aber da, wo sich die Gelegenheit ergibt, wo Gott uns vielleicht einen kleinen Wink gibt.

Es müssen ja auch nicht immer nur wohlstudierte, gelehrte Worte sein. Denn, wie Paulus an anderer Stelle schreibt, es ist nicht das Werk eines Menschen, wenn jemand zum Glauben findet, sondern Gottes Wille.

»Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«



Pfarrerin Sibylle Reh
Strausberg (MOL)
E-Mail: sreh(at)gmx.de

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