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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

21. Sonntag nach Trinitatis, 24.10.2010

Predigt zu Lukas 13:1-9, verfasst von Jens Arendt

Zu der Zeit kamen einige Leute und berichteten ihm von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem Blut ihrer Opfertiere vermischt hatte.

            Es gab Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung in Jerusalem. Beide Ereignisse, die im Text erwähnt werden, haben vielleicht damit zu tun.

            Es existierte nur ein einziger Teich mit Frischwasser in Jerusalem, nämlich der Teich von Siloah. Deshalb war eine neue Wasserversorgung notwendig. Es war entschieden eine gute Sache. Deshalb verwandte Pilatus Geld vom Tempel für das Vorhaben. Und die Bevölkerung in Jerusalem war wütend. Wir haben schon oft Ähnliches im Nahen Osten erlebt. Oder im Irak oder in Pakistan. Da ist eine Demonstration oder etwas, das als Provokation aufgefasst wird. Die Nerven sind gespannt, alle haben Angst. Die Stimmung wird immer erregter. Plötzlich kommt es zu Unruhen mit sehr blutigem Ausgang. Und auch damals gab es spontane Demonstrationen. Einige derjenigen, die sich unter die Menge mischten, waren verkleidete Römer. Plötzlich werfen sie ihre Verkleidung ab. Die Uniformen kommen zum Vorschein. Es endete in einem Blutbad. Aber warum waren die frommen Galiläer umgekommen - und nicht die gottlosen Römer? Das war eine Anfechtung.

            Der Turm von Siloah gehörte vielleicht zu einem Aquädukt. Wir haben unsere Wasserleitungen unter der Erde verlegt. Die Römer führten ihre Wasserleitungen auf der Erdoberfläche. Man nennt sie Aquädukte, "Wasserführer". Man holte frisches Wasser von der Gihonquelle, um das bestehende System auszubessern. Jüdische Bauarbeiter arbeiteten für die Römer. Man baute einen Turm. Der Turm stürzte ein. Es wurde als gerechte Strafe Gottes angesehen, dass dabei 18 Kollaborateure ums Leben kamen.

            Von Seiten Jesu kommt keine Erklärung. Aber was da geschieht, ist für uns ein Anlass zur Entscheidung. Es ist ein Anlass, uns zu bekehren. Es erinnert uns daran, dass die Zeit knapp und die Zukunft ungewiss ist.

            Der Text ahndelt davon, dass wir für das, was wir tun, die Verantwortung haben. Wir können nicht sagen, es sei die Schuld anderer oder die Schuld unserer Vorfahren. Wie das Sprichwort es ausdrückt: "Die Väter haben saure Trauben gegessen, und den Kindern sind die Zähne stumpf geworden." Wir können nicht sagen, es sei die Schuld der Politiker oder die Schuld der Fremden, wie hier die Schuld der Römer.

            Letzten Endes gibt es Dinge, die wir nicht erklären können. Wir verstehen Gott nicht.

            Sonntags können diejenigen, die nicht in der Kirche sind, Besuch von Zeugen Jehovas bekommen. Das sind Menschen, die u.a. den hebräischen Namen für Gott verkehrt aussprechen.

            Gott hat im Alten Testament seinen eigenen Namen. Er wird mit den Konsonanten JHVH buchstabiert. Und es geht eine ewige und endlose Debatte vor sich, wie man dieses Wort ausgesprochen hat. Jahve oder Jehova - die meisten sind sich darin einig, dass man es auf jeden Fall nicht "Jehova" aussprach. Der Name, den Gott Moses gegenüber verrät, als er vor dem brennenden Dornenbusch steht, der Gottesname im Alten Testament, hat die Bedeutung: "Ich bin der, der ich bin." Oder: "Ich bin der, der Sein schafft."

            Der Name ist tabu. Etwas, dem man sich mit Furcht und Zittern nähert, weil es ein Geheimnis über Gott enthält.

            In unserer lutherischen Kirche sprechen wir auf zweierlei Weise von Gott. Über den verborgenen und heimlichen Gott - und über den offenbarten Gott. Der offenbarte Gott ist Jesus, "wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen".

            Der ferne, verborgene Gott ist der Gott, den wir nicht verstehen und nicht fassen können, der aber die ganze Schöpfung als sein Zeugnis hinterlassen hat. Seine Taten erscheinen Menschen oft unangemessen und unverständlich. Aber in Wirklichkeit ist es oft der verborgene Gott, der die verschiedenen Religionen vereint.

            Wir pflegen in Sydjütland / Nordschleswig Ferien zu machen. Nirgendwo sonst ist der Sternenhimmel so klar wie hier draußen am Wattenmeer. Die Luft ist vielleicht auch reiner. Es gibt Ringelgänse, Nonnengänse, Kurzschnabelgänse. Jedes Jahr kommen mehr in gewaltigen Scharen. Und hundertausende von Staren verdunkeln die Sonne. Dort, in dem einsamen Land, fällt es nicht schwer an Gott zu glauben.

            Gott ist groß. Jeder relgiöse Mensch in der ganzen Welt kann hierzu ja sagen: "Gott ist groß." Der Muezzin singt rund um die Uhr fünf Mal aus schnarrenden Lautsprechern von den Minaretten des Ostens: "Gott ist groß." Es ist ein Zitat aus den Psalmen (70,5): ...und die dein Heil lieben, lass allewege sagen: Gott ist groß!       

            Darum gibt es bei allen Völkern ein Verhältnis zu Gott. Es ist ein Gott. Moslems und alle anderen haben deshalb in allem, was sie tun, mit diesem einen Gott zu tun. Aber wir glauben nicht an dasselbe, weil wir mit demselben Gott zu tun haben. Der Allah der Moslems und der christliche Gott, Jesu Christi Vater, sind sehr verschieden. Das ist auch die Voraussetzung für das Gespräch. Wenn wir sagen, dass wir alle an dasselbe glauben, ist das Gespräch gleichgültig. Wenn wir aber sagen, dass wir alle an Gott glauben, dann ist da eine Wirklichkeit, die uns zum Gespräch verpflichtet.

            Ich glaube, dass es nur einen Gott gibt. Deshalb glaube ich auch, dass jeder einzelne Mensch auf dieser Erde mit jeden einzelen Atemzug "in IHM lebt und webt und ist".

            Im Christentum sagen wir, dass Gott gezeigt hat, wer und was er ist in dem Menschen Jesus. Im Islam sagt man, dass, wie nahe der Schöpfer Allah bei uns ist, genauso unzugänglich ist er - wir müssen uns damit begnügen, ihm gehorsam zu sein.

            Wenn wir von Gott sprechen, müssen wir von Jesus sprechen. So hat er sich uns offenbart. Und im übrigen ist da der verborgene Gott. Das ist eine Seite Gottes, die wir nie sehen, oder die wir nur in seinen Schöpferwerken wie in einem Spiegelbild auf dem Wasser sehen.

            Das Buch Hiob handelt von einem Mann, der alles verliert, seine Kinder, seine Gesundheit, seinen Besitz. Aber als er zuletzt Gott fragt: "Was ist der Sinn all dessen?" - denn Hiob ist immer ein ordentlicher Mensch gewesen, da stellt ihm Gott eine Gegenfrage. Gott fragt ihn, ob er den Behemot (das Nilpferd) gesehen hat. Hiob redet vom Sinn des Lebens, und Gott redet vom Nilpferd!

            Die Zugvögel in Ballum erzählen uns: "Gott ist groß"; sie erzählen nicht: "Gott ist ein liebevoller Vater!"

            Deshalb ist der Gottesbegriff im Neuen Testament eine Überraschung. Wenn wir von Gottes Verhältnis zu dir und mir sprechen, müssen wir von Jesus sprechen. Gott ist groß, aber im Evangelium zeigt sich seine Größe in Ohnmacht, am Kreuz.

            In dem gekreuzigten Christus hat der allmächtige Gott sich zu erkennen gegeben. Das ist es, was er uns gezeigt hat. Und die Frage, ob es einen anderen Weg gibt, ist für den Christen eine Naseweisheit. Hier und nirgendwo sonst soll der Mensch deshalb erkennen, wer sein Gott ist. Und weil Gott in dem Gekreuzigten Mensch geworden ist, ist es in Wirklichkeit Gott selbst, der gekreuzigt worden ist. In dem gekreuzigten Christus ist also die wahre Erkenntnis Gottes zu finden.

            Das Evangelium ist die Botschaft, dass Gott sich dem Menschen offenbart. Die Weltgeschichte ist die Geschichte davon, dass sich der Mensch vor Gott verbirgt. Zum Glauben kommen ist gehorchen, wenn Gott sagt: "Komm frei heraus". Das Tor zu meinem Reich ist geöffnet. Geöffnet zu Gott in Jesus. "Geh durch das Tor hinein!" Du gingst durch es hinein in der Taufe. Niemand soll es schließen dürfen.

Amen



Dompropst Jens Arendt
Roskilde (Dänemark)
E-Mail: jea@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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