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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

4. Advent, 19.12.2010

Predigt zu 1. Thessalonicher 5:6-11, verfasst von Karsten Matthis

Liebe Hochschulgemeinde,

der Glaube der Thessalonicher, den Paulus einst als weltberühmt pries (1. Thess. 1,7ff), war angeknackst: Nicht nur der Druck von außen lastete auf der Gemeinde, schließlich war es zu ersten Verfolgungen gekommen, ein Streit über die Zeiten und Fristen der Wiederkehr Jesu war in der Gemeinde ausgebrochen und rüttelte an den Grundfesten des Glaubens. – Werden die bereits Verstorbenen auferstehen? – Der Apostel war in dieser Situation in Thessalonich vor allem als Seelsorger gefragt. Paulus beruhigte seine Gemeinde: „Alle eure Toten werden auferstehen, denn sie sind bei Gott nicht vergessen.“

Und aus einer weiteren Befürchtung heraus hatte sich Angst unter den Gemeindemitgliedern breit gemacht. Der „Tag des Herrn“, der jôm jhwh, könnte sich als Tag eines großen Strafgerichts über die gesamte Menschheit erweisen – so, wie die Propheten es einst geweissagt hatten.

Jesaja beschreibt Gott als Soldaten, der in die Schlacht zieht: „Gott zieht die Gerechtigkeit an wie einen Panzer und setzt den Helm des Heils auf sein Haupt und zieht an das Gewand der Rache und kleidet sich mit Eifer wie mit einem Mantel“ (Jes. 59,17). Diesen Tag des Zorns hatten auch die Thessalonicher zu fürchten. Denn: Wer ist frei von Schuld?

Hier war nun Paulus als Theologe und Mediator gefragt, um neue Hoffnung und Zuversicht zu wecken. Der Apostel bestärkte die Thessalonicher in der Hoffnung, dass die Christen nicht dem Zorn Gottes ausgeliefert sind. Er forderte die Thessalonicher in ihrer Verunsicherung auf, sich in der Welt die geistliche Rüstung aus Glaube und Liebe anzulegen und den Helm der Hoffnung aufzusetzen.

Liebe Gemeinde, Paulus macht es den Lesern mit seinen Bildern nicht immer leicht. Oft sind seine Vergleiche sperrig, nicht einfach eingängig. Gelegentlich einmal ist es der errungene Siegeskranz auf der Kampfbahn (1. Kor. 9,24ff). Hier nun schreibt der Apostel von einer geistlichen Waffenrüstung.

Paulus bezog Bilder und Vergleiche aus seiner Umwelt. Der Sieg im Wettkampf in einer Arena oder die Rüstung eines römischen Soldaten – darunter konnten sich die Glieder der frühen Gemeinden etwas vorstellen.

Römische Soldaten patrouillierten durch Thessalonich genauso wie in Korinth. Der verzierte Bronzehelm war weithin in den Straßen sichtbar. Die eiserne Panzerung machte die römischen Legionen zu einer fast unbezwingbaren Armee, die den Raum des gesamten Mittelmeers beherrschte. Diese Waffenrüstung schützte die Soldaten sowohl vor überraschenden Attentatsversuchen als auch in offener Feldschlacht.

Aber trotz der Vertrautheit des Bildes: Eine militärische Ausrüstung, eine blinkende Rüstung mit der Trias Glaube, Liebe, Hoffnung in Verbindung zu bringen, dazu gehört schon theologische Fantasie.

Paulus spricht von einer neuen, geistlichen Waffenrüstung. Es ist kein Panzer der bloßen Selbstbehauptung oder der Ignoranz. Kein Schneckenhaus, welches ein geistliches Refugium schafft. Stattdessen vielmehr eine Schutzkleidung für Christen in einer unerlösten, bisweilen feindlichen Welt.

Unter dieser geistlichen Rüstung wird der Glaube geschützt, die Liebe bewahrt und die Hoffnung wachgehalten. Diese geistliche Ausrüstung verleiht einem Christenmenschen große Gelassenheit, um nüchtern auf die Schrecken in der Welt zu reagieren. Sie macht widerstandsfähig im Alltag und trägt durch Konflikte hindurch. Wer diesen Panzer trägt, handelt aus Glauben an Jesus Christus und aus Liebe zu Gott und den Menschen.

Träger der Rüstung handeln weder allein aus Sachzwängen noch nach Abwägung aller persönlichen Vorteile, sondern aus Liebe. Hinzu kommt der Helm der Hoffnung. Wer ihn trägt, handelt nicht bloß, um damit lediglich Schlimmeres zu verhüten, sondern in der Hoffnung, auch mit menschlich kleiner Kraft Gutes für den Nächsten zu bewirken.

Die Christen in Thessalonich – und natürlich auch wir heute – würden diese geistliche Waffenrüstung, die so gut aufs Leben vorbereitet, liebend gern tragen und möglichst für immer besitzen. Aber, so möchten wir Paulus fragen: „Wie können wir diese Rüstung anziehen? Und woher bekommen wir sie?“

Die Antwort des Apostel lässt sich erahnen: „Liebe Schwester, lieber Bruder, lebe und handle so, als hättest du diese Rüstung geistlicher Waffen bereits. Glaube, Liebe und Hoffnung sind dir im Glauben geschenkt.“ – „Und Angst brauchst du vor dem Ende der Welt in dieser Panzerung auch nicht zu haben“, würde er wohl hinzufügen.

Paulus sieht uns als beschenkte Menschen, als begabte „Kinder des Lichts“, die auch den Zorn Gottes nicht zu fürchten brauchen, weil sie zum Heil bestimmt sind. Zuversicht will Paulus wecken und seine Leser anspornen, im Glauben nicht nachzulassen.

Die Trias des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung wirkt bereits kräftig in uns. Christen leben im Licht der Gottesnähe, schon jetzt. Diese befähigt sie, in einer zerrissenen Welt wach und realistisch zu bleiben, Wesentliches vom Unwesentlichen zu unterscheiden und, getrost unter dem Schirm von Glaube, Liebe und Hoffnung, bestehen zu können.

Glaube, Liebe und Hoffnung sind die Kennzeichen der Christen: Markenkern, der sie von den anderen, den loipoí (den Übrigen), wie Paulus schreibt, deutlich abhebt. Selbstzerstörerischer Zweifel, Hass und Hoffnungslosigkeit haben mit dem Evangelium nichts zu tun.

Christen erblicken im Alltag deutliche Zeichen der Fürsorge Gottes und der Nächstenliebe. In der Hospizbewegung wird dies sichtbar: Leben behält bis zum Tod seine Würde. Menschen werden mit ihren persönlichen Bedürfnissen auf allen Ebenen, einschließlich einer spirituellen, angenommen. Eine humane Sterbebegleitung geschieht, statt einer bloßen Sterbehilfe. Initiatoren und interdisziplinäre Teams leisten hier Bewundernswertes.

Nehmen wir die Liebe mit ihrer ganzen Schöpfungskraft! Sie ist, wie Paulus im Hohenlied der Liebe verheißt (1. Kor. 13), langmütig und wehrt der Ungeduld. Wer liebt, ist gütig und ereifert sich nicht, prahlt nicht und spielt sich nicht auf. Wer liebt, ist nicht taktlos, selbstsüchtig und reizbar. Er trägt keinem etwas nach. Er freut sich nicht, wenn ein anderer Fehler begeht, sondern freut sich mit ihm, wenn er das Richtige tut. Alle diese großartigen Anlagen, die das Leben leichter und schöner werden lassen, sind uns durch die Liebe Gottes geschenkt.

Die aus dem Evangelium resultierende Hoffnung haucht uns Mut ein, schützt vor Resignation und Verzweiflung. Christen können auf dieses starke Fundament bauen und sich in den Dienst der Welt stellen, ohne sich in ihr und an sie zu verlieren.

Der Kompromiss von 194 Staaten – immerhin zwei mehr, als die UNO Mitglieder hat – auf dem jüngsten Klimagipfel im mexikanischen Cancún ist ein weiterer Schritt in Richtung zur Rettung des Weltklimas. Ein Fünkchen der Hoffnung glimmt, welches durch den Herrn der Schöpfung zu einer richtigen Glut werden kann.

Glaube, Liebe, Hoffnung lassen uns gut gewappnet sein. Danke Gott, dass du es gut mit uns meinst und uns vortrefflich vorbereitet hast!

Amen.



Prädikant Karsten Matthis
Königswinter
E-Mail: Karsten.Matthis@azk.de

Bemerkung:
Gottesdienst in der Schlosskirche der Universität Bonn
im Rahmen der Universitätsgottesdienste der
Predigtreihe „Glaube, Liebe, Hoffnung“ (Wintersemester 2010/11)



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