Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Epiphanias, 09.01.2011

Predigt zu Matthäus 4:12-17, verfasst von Rudolf Rengstorf

Liebe Gemeinde!

Gleich nach Epiphanias - oder wie es landläufig heißt - dem Tag der Heiligen Drei Könige - wird den Gottesdienstbesuchern jedes Jahr von neuem ein großer Sprung zugemutet: Aus dem Stall mit dem Kind in der Krippe geht es gleich dorthin, wo Jesus als Erwachsener auftritt und sich von Johannes im Jordan taufen lässt. Unsere Fragen: Unter welchen Einflüssen ist dieses Kind aufgewachsen? Welche Freunde hatte er? Wie gestaltete sich die erste Liebe? - die Evangelisten gehen an ihnen vorüber.
Stattdessen stellen sie uns einen ganz anderen Weg vor Augen: den Weg eines Mannes, der von seiner Taufe über seine Wirksamkeit als Wanderprediger in Galiläa, den langen Marsch nach Jerusalem bis zum Tod am Kreuz in einer einzigartigen Beziehung zu Gott gestanden hat und ständig damit beschäftigt war, seine Mitmenschen mit in diese Beziehung zu Gott einzubeziehen und sie damit auch in neue Beziehungen untereinander zu bringen.
Wenn man dann später diesen Weg- und Nachfolgegeschichten die Erzählungen vom Kind in der Krippe vorangestellt hat, dann nicht aus einem biographischen Interesse. Stattdessen haben Matthäus und Lukas ihren Evangelien damit quasi eine Ouvertüre vorangestellt, die schon all das anklingen lässt, was für den Mann auf seinem Weg zu den Menschen typisch war, nämlich das Kindsein gegenüber Gott und sein Ausgeliefertsein an die Mächtigen seiner Zeit.
Wie er als Erwachsener bei seiner Taufe in die Gotteskindschaft berufen wurde, davon erzählt das Evangelium dieses Tages (Matthäus 3,13-17). Wie er das umgesetzt hat und warum ein Weg daraus wurde, darum geht es im Predigttext für diesen Sonntag:

Als nun Jesus hörte, dass Johannes gefangen gesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht: »Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.« Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!


Um mit dem Ende zu beginnen: Was Jesus den Leuten zu sagen hat, ist gar nichts Neues. Er wiederholt nur, was schon Johannes gepredigt hat: „Tut Buße!" Was so viel heißt: Kehrt um, vollzieht eine Wende!

Das hört man bei uns schon seit langem die Spatzen von den Dächern pfeifen: Wenn ihr eine Katastrophe vermeiden wollt, müsst ihr in der Energiepolitik eine radikale Wende vollziehen. Wenn eure Kinder und Enkel leben sollen, müsst ihr eine Wende in der Finanzpolitik vollziehen. Wenn ihr einen Ansturm der Hungernden auf die Wohlstandsfestung Europa verhindern wollt, muss die Weltwirtschaftsordnung umgekehrt werden. Wenn die psychischen Krankheiten nicht weiter um sich greifen sollen, müsst ihr überall umkehren zu humanen Arbeitsverhältnissen. Nicht wahr, das kennen wir.

Johannes und Jesus begründen ihren Ruf zur Umkehr nicht mit innerweltlichen Katastrophen, sondern mit dem Kommen des Reiches Gottes. Stellt euch darauf ein, sagen sie, dass Gott die Herrschaft über die Welt übernehmen wird und es dann allein nach seinem Willen geht. Gewiss ist das auch eine Drohung gegenüber allen, die das Leben und die Welt als ihr Eigen betrachten und entsprechend egoistisch damit umgehen. Doch das ist nichts als der Schatten der großen Verheißung, dass Gott die Welt und die Menschen nicht zum Teufel gehen lässt, sondern sie zum Schauplatz seiner Ehre, des Friedens und des Wohlgefallens der Menschen machen wird.

Eine Botschaft, die auch uns noch aufgetragen ist. Aber hat sie sich während der dazwischen liegenden zweitausend Jahre nicht längst als Illusion erwiesen? Was soll das, Menschen auf die Nähe eines Gottes einzustellen, der in immer weitere Ferne rückt und von vielen schon völlig abgeschrieben ist?!

Auf dem Hintergrund solch bedrängender Fragen finde ich es nun schon bemerkenswert, dass Jesus anfing mit einer Predigt,, die sich auch schon überlebt zu haben schien. Weil sie das nur fortsetzte, womit Johannes der Täufer sich schon verkalkuliert und um Kopf und Kragen geredet hatte. Weil er die Herrschaft Gottes kommen sah, hatte er den Machtmissbrauch des König Herodes angeprangert. Der hatte den aufmüpfigen Propheten daraufhin kurzerhand ins Gefängnis geworfen. Von wegen, Gottes mächtiges Eingreifen - keine Spur davon! Und Jesus macht nun einfach weiter, als sei nichts geschehen.

Nein, eben nicht!

Zwar nimmt er die Botschaft des Täufers auf, aber er stellt sie in einen ganz neuen Zusammenhang. Johannes hatte sich unten am Jordan, quasi im Niemandsland zwischen der Wüste im Osten und dem bewohnten Land im Westen, aufgehalten. Dort erwartete der Wüstenasket, dass die Menschen zu ihm kamen und einen radikalen Bruch mit ihrem bisherigen Leben vollzogen und sich der Herrschaft Gottes öffneten.

Jesus dagegen blieb da, wo die Menschen wohnten und zog auf dem Weg von Nazareth nach Kapernaum noch tiefer hinein in das Land Galiläa, in dem Herodes Schrecken und die Schatten des Todes verbreitete; noch tiefer hinein in ein Land, das von der Hauptstadt Jerusalem aus als finsterste Provinz erschien, weil sich dort religiös alles gemischt hatte. Neben rechtgläubigen Pharisäern, die Ernst machten mit ihrem Bekenntnis zu dem einen Gott Israels, war die Mehrheit der Bevölkerung recht empfänglich für die weltlichen Sitten und Gebräuche ihrer heidnischen Oberherren und der Nachbarvölker. Als besonders ketzerisch und anrüchig galt die Bevölkerung auf der anderen, der nördlichen Seite des Sees Genezareth. Kapernaum, das kleine Fischerdorf direkt am Westufer des Sees, macht Jesus zum Mittelpunkt seines Wirkens. Von dort aus kam er schnell in die verrufenste Ecke seines Landes.

Hier, wo das Reich Gottes ferner war denn je und wo es um seinen Propheten Johannes zappenduster geworden war, hier fing Jesus an in der Gewissheit, dass das Reich Gottes im Anbruch ist. Nicht damit, dass von oben her dazwischen geschlagen und reiner Tisch gemacht wird. Nein, für Jesus beginnt das Himmelreich in dem, was er im Namen Gottes sagt und tut. Und in der gleich folgenden Bergpredigt stiftet er dazu an, mit ihm Zeichen dafür zu setzen, dass Gott den Menschen zum Heil und nicht zum Verderben kommt.

Die Botschaft vom Nahen des Reiches Gottes will nicht jenseits unseres Lebens - sozusagen am Jordan - wiederholt werden oder gar den Jordan runtergehen. Sie will einziehen und sich ansiedeln in einer Welt, in der die Sicherung kurzfristigen Lebensgenusses im Vordergrund steht und die Zukunft sich zunehmend verdunkelt. Hier gilt es, den Lebenskompass auf den Willen Gottes einzustellen, auf Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Immer wieder neu. Das ist der Weg Jesu. Das ist der Weg, auf dem uns Gott entgegen kommt.

Amen.



Superintendent i. R. Rudolf Rengstorf
Hildesheim

E-Mail: Rudolf.Rengstorf@online.de

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