Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

4. Sonntag nach Epiphanias, 30.01.2011

Predigt zu Matthäus 14:22-33, verfasst von Ulrich Nembach


Liebe Gemeinde,

die entscheidende Aussage in unserem heutigen Predigttext wird oft übersehen. Weil es die wirklich entscheidende Aussage ist, wird es in unserer heutigen Predigt darum gehen. Hören Sie selbst. Ich lese den Text vor.
Schwieriger wird das Ganze noch dadurch, dass der Predigttext bekannt ist. Viele kluge und auch weniger kluge Gedanken machten sich die Menschen in der Vergangenheit um diese Geschichte. Manchmal mischte sich Spott unter die Gedanken. Hören Sie darum selbst.
Die Geschichte erzählt Matthäus im 14. Kapitel seines Evangeliums:

22 Und alsbald trieb Jesus seine Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm hinüberzufahren, bis er das Volk gehen ließe.
23 Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und am Abend war er dort allein.
24 Und das Boot war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen.
25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem See.
26 Und als ihn die Jünger sahen auf dem See gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst! und schrieen vor Furcht.
27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht!
28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser.
29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu.
30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, hilf mir!
31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
32 Und sie traten in das Boot, und der Wind legte sich.
33 Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

Haben Sie den entscheidenden Satz gehört? Es sind Jesu Worte, nachdem er Petrus aus dem Wasser gefischt hatte: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
Klein g l ä u b i g e r – der Glaube ist entscheidend. Daran hat es Petrus gemangelt, und dazu im entscheidenden Moment, als der Wind kräftig auffrischte, ihm, Petrus, zu stark wurde. Da wurde sein Glaube klein. Der Glaube war nun zu klein für den kräftigen Wind.

            1) Was heißt Glaube?

Wir gebrauchen das Wort oft in unserem Alltag. Wir sagen: „Morgen wird das Wetter schön. Ich glaube schon, dass es schön wird. Der Wetterbericht ist jedenfalls ganz gut.“ Das meint nicht Glaube, wie Jesus ihn versteht, als er zu Petrus redet. Was Glaube ist, erlebte ich neulich. Ich will Ihnen die Geschichte erzählen.

Eine junge Frau soll geehrt werden. Sie ist mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn angereist. Die Festversammlung hat sich versammelt. Sie sitzt auf dem Ehrenplatz. Vater und Sohn sitzen getrennt von ihr irgendwo im Publikum. Es ertönt Musik. Reden werden gehalten. Alles ist so, wie es bei Feierlichkeiten üblich ist.
Das Ganze dauert. Dann kommt die Ehrung der Frau. Sie geht auf die Bühne, erhält eine Urkunde und kehrt an ihren Platz zurück. Das heißt, sie will zurückkehren. Aber sie hat bemerkt, dass der kleine Sohn unruhig geworden war. Das Ganze war neu für ihn. Was soll das alles? Er und sein Papa sitzen hier und sie, seine Mama, dort. Seine Mama, die junge Frau also, hat seine Unruhe bemerkt und macht einen Umweg, bei Mann und Sohn vorbei.
Dann geht sie, sie will gehen. Dass sie gehen will, ist für den Kleinen zuviel. Er äußert sich entsprechend. Er fängt an zu schreien. Um die Feier nicht noch mehr zu belasten, dreht sie sich um, nimmt ihren Sohn an der Hand und geht zu ihrem Platz. Der Kleine hält seine Mama fest an seiner Hand; unter dem Arm der anderen Hand hat er sein Kuscheltier. Die Mutter geht schnell. Sie will die Feier nicht stören, wie gesagt. Der Kleine geht mit. Er macht große Schritte. Die kleinen Beine bewegen sich schnell. Das macht nichts. Die Welt ist nun in Ordnung. Er vertraut seiner Mama.

Sehen Sie, das ist Vertrauen. Das ist Glaube. Glaube heißt Vertrauen. Und zwar geht es um das Vertrauen – ganz. Kleinglaube ist zu wenig. Der Kleine quengelt nicht. Er fragte nicht: „Muss das sein?“

            2) Glaube ist etwas für Kinder – oder auch für Erwachsene?

Lassen Sie mich wieder mit einer Geschichte antworten. Ich habe sie nicht erlebt. Die Erzählung ist alt. Sie handelt von Abraham (Abram). Die Geschichte wird erzählt im 1. Buch Mose, Kapitel 12 (v 1ff.):

Und der HERR sprach zu Abram: „Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.“

Abraham ist alt und ein erfolgreicher Viehzüchter. Er geht. Er braucht nicht auszuwandern, um sich eine Existenz zu gründen, wie neulich eine Dame in einer Diskussion meinte. Abraham folgt Gottes Imperativ. Abraham vertraut Gott.

Glaube ist etwas für Jung und Alt, etwas für jedes Alter. Das unterstreicht Jesus selbst einmal. Ja, ich zitiere schon wieder die Bibel. In der Bibel geht es um den Glauben; er ist das Thema der Bibel. Darum hat das Wort vom Kleinglauben in unserem Predigttext eine so große Bedeutung. – Also, Jesus (Mt 18, 2f.):

Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie
und sprach: „Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und
werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“

Ich weiß, dass es uns Erwachsenen schwerfällt, klein wie ein Kind zu werden. Wir können nicht nach der Hand unserer Mutter greifen und einfach mit ihr gehen. Unsere Mutter ist vielleicht schon gestorben, oder sie ist alt und krank und bedarf nun selbst, an die Hand genommen zu werden.
Das wusste Jesus natürlich auch. Er nahm ein Kind und stellte es in den Kreis seiner Jünger. Wir sollen werden wie die Kinder, sagt Jesus dazu. Kinder sind klein. Sie gehören nicht zu den tragenden Gliedern einer Gesellschaft. Aber – und darauf weist Jesus hin, als er das Kind in ihren Kreis stellt – wir erinnern uns an unsere Kindheit, und so können wir Jesu Rede verstehen.

Verstehen heißt noch nicht, auch entsprechend zu handeln. Petrus erfährt das, als er über das Wasser geht. Der Wind wird stärker, Petrus erschrickt, er bekommt Angst. Das kennen wir Erwachsene auch. Angst haben wir schon oft bekommen und bekommen wir immer wieder. Wie gehen wir damit um? Werden wir dann, wenigstens dann, ganz schnell wieder ein Kind?
Jesus nennt Petrus wegen seiner Angst einen Kleingläubigen. Er fragt ihn: „Warum hast du gezweifelt?“

            3) Glaube und Zweifel

Der Zweifel ist uns allen vertraut, gut vertraut. Woran zweifeln wir nicht? Da ist die Liebe: Liebt sie mich bzw. er mich? Da ist der Arbeitsplatz: Werde ich den behalten? Der Kollege, die Kollegin wurde schon gekündigt! Da ist der nächste Test: Werde ich endlich keine 5 in Mathe bekommen?
Der Zweifel ist ein Kind der Zukunft. Wir kennen die Zukunft nicht. Wir machen uns Gedanken um die Zukunft, und da wir sie nicht kennen, stellen wir Vermutungen an. Diese lassen die Zweifel aufkommen. Kommt dann gar ein starker Wind, eine große Welle daher, fährt uns der Schrecken in die Knochen. Wir vergessen dann, was gewesen ist. Petrus hat nur noch Angst. Dass er gerade auf dem Wasser lief, ja, noch läuft, ist wie weggeblasen.

Aber – ja, ein Aber gibt es; es ist sogar ein großes Aber – Petrus ruft Jesus um Hilfe. Er schreit: „Herr, hilf mir!“ Er wendet sich an Jesus. „Wendet“ ist zu schwach ausgedrückt. Sein Schrei ist der vorbehaltlose Ruf um Hilfe. Ein Rest seines Glaubens lässt ihn rufen. Er erinnert sich. Diesen Rest nennt Jesus Kleinglauben.
Ein treffendes Wort verwendet Jesus. Der Glaube ist klein. Das griechische Wort, das Matthäus in seiner Erzählung gebraucht, entspricht exakt unserem deutschen Wort. Luther hat das griechische Wort wortwörtlich übersetzt: „klein“ und „Glaube“. Das Wort ist in beiden Sprachen aus den beiden Wörtern klein und glauben zusammengesetzt. Ein Rest von Glauben ist da, aber eben nur ein Rest, eine Kleinigkeit.

Darin unterscheiden wir Erwachsenen und auch schon die Jugendlichen sich von den kleinen Kindern. Der kleine Junge an der Hand seiner Mama ging mit. Er musste große Schritte machen, um mitzukommen. Das war kein Problem. Seine Mama – und alles andere war unwichtig. Abram, der erfolgreiche Viehzüchter, ging an Gottes Hand. Er vertraute Gott, grenzenlos und ohne Vorbehalte. Abram vertraute seinem Gott.

Das Alte Testament weiß das. Es kennt das enge Verhältnis zu Gott.
Für Gott hat es mehrere Namen, auf die sich wiederum menschliche Namen beziehen. Ein alttestamentlicher Name ist Eli. Wörtlich übersetzt heißt das: mein Gott. Im Neuen Testament lehrt uns Jesus, zu Gott zu beten. Wir beten: Vater unser... Mögen wir entsprechend im Alltag auf Gott vertrauen!

Amen

Lassen Sie uns singen von diesem Vertrauen, uns Mut machen, dieses Vertrauen zu leben, unsere Wege an Gottes Hand zu gehen, zu glauben!
Wir singen: Vertraut den neuen Wegen (EG 395)





Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach
Göttingen
E-Mail: ulrich.nembach@theologie.uni-goettingen.de

(zurück zum Seitenanfang)